Heidelb. Am 9. Febr. 11.

Es war mir überaus angenehm, verehrtester Herr College, gestern einmal wieder etwas von Ihnen zu hören. Die Unwissenheit ist ganz unglaublich, in der wir uns über Alles befinden, was die Universität in Berlin betrifft. Von meinem Herrn Collegen de Wette habe ich noch im vorigen Jahr einmal ein Brieflein erhalten und nachher noch durch Böckh das Versprechen, mir auf einige Anfragen bald Auskunft zu geben; welches aber auch bis auf diese Stunde noch nicht geschehen ist. Aus einem Brief an Fries erfuhren wir die Bestimmung über den Anfang der Collegien und wir haben uns auch darnach eingerichtet, daß wir zu Anfang März abreisen können. Ich lebe nun in den lezten drey Wochen und natürlich in den größesten häuslichen und anderen Unruhen, so, daß ich zuweilen nicht weiß, wo mir der Kopf steht. Dabey ist trefflich studiren! das weiß der Himmel. Heute über acht Tage geht meine Promotion vor sich, wozu ich noch eine lateinische Rede machen muß. Die Sache wird sehr förmlich werden, da ich zugleich öffentlich Abschied nehme. Auf die Mitte März hoffen wir sicher zur Stelle zu seyn.

Was die Lectionen betrifft, so glaubte ich, daß nicht nöthig wäre, sie noch einmal einzuschicken, da ich keine Veränderung in der Anzeige nöthig fand. Inzwischen da ich neulich an Herrn Professor Buttmann zu schreiben hatte, theilte ich einige Bemerkungen mit, die er Ihnen ohne Zweifel mitgetheilt haben wird. Ja! wenns möglich ist, lieber Herr College, so lassen Sie die Homiletik weg; sollten Sie indeß wichtigere Gründe haben, so lassen Sie sie stehen. Ich habe sie daher auch wirklich mit aufgeführt in der Anzeige, die mir vor einigen Tagen durch den Herrn Rector abgefordert wurde. Diesen Zettel werden Sie unstreitig gesehen haben. Außerdem lege ich Ihnen nun aus bloßer Vorsicht noch einen andern bey, damit bey den jungen Leuten kein Zweifel entstehe, daß ich etwa auch dießmal ausbleiben möchte. Ich bitte, ihn ohngefähr um die Zeit anschlagen zu lassen, wenn Sie Ihre Lectionen noch einmal anzeigen oder vielleicht früher, wie Sie es | 18v gut finden. Sie tragen mir nun auch die Encyclopädie an. Gern will ich sie künftig alternirend mit Ihnen lesen. Aber im nächsten Sommer könnte ich es nicht einmal, wenn ich auch von der Homiletik dafür frey würde: denn jedes Collegium würde mich fast ganz allein für sich in Beschlag nehmen, um es erst auszuarbeiten; zumal, weil ich, da mir Ihr schönes speculatives Talent mangelt, eine Geschichte der einzelnen theologischen Wissenschaften damit verbinden würde, um auch nur etwas Gesundes dabey zu leisten. Zwey Stunden würden mir dazu auch nicht hinreichen. Ich habe überdem den frommen Vorsatz, mich auf jede meiner Vorlesungen in B so vorzubereiten, daß ich sie ganz ohne Heft auf dem Katheder halten kann. Wenn Sie mir nun, wie ich hoffe und weiß, dazu wollen behülflich seyn, so bitte ich Sie inständigst, mich dermahlen von der Encyclopädie zu dispensiren. Ueberdem scheint es mir, zumal bey unserer Dreyeinigkeit, sehr gut, wenn wir uns auf den Fuß setzen, daß nicht, wie hier bisher wenigstens der Grundsatz war, in jedem halben Jahr Alles gelesen wird, sondern Jahre, und wir könnten zufrieden seyn, wenn wir in einem oder anderthalb Jahren den ganzen Cursus der Theologie vollendet hätten. Bey der Encyclopädie vollends scheint es mir gar nicht so nothwendig für die jungen Leute, daß sie sie gleich im ersten Semester hören; wenigstens hat es viel für sich, wenn man sie dazu bringen könnte, daß sie dieses Collegium entweder erst oder noch einmal am Schluß ihrer academischen Studien hörten. Auf das Compendium, welches Sie mir gütigst zugedacht haben, freue ich mich sehr.

Im Gedränge von allerley Dingen muß ich schließen und mich Ihnen noch einmal schriftlich empfehlen. Halb, nämlich dem Geiste nach, bin ich schon bey Ihnen; meine Bücher und Betten sind auch schon abgegangen; also fehlet fast nichts mehr, als die leibliche Gegenwart, die auch bald erfolgen wird. Leben Sie wohl, bis ich Sie mündlich begrüße.

Stets der Ihrige M.

Wenn Sie können, so bitte ich, den Quästor zu benachrichtigen, daß er immerhin die Meldungen zu meinen Vorlesungen annehmen könne und was die Honorare betrifft, so bestimmen Sie ihm diese gefälligst nach Art der Ihrigen.

Zitierhinweis

3591: Von Philipp Konrad Marheineke. Heidelberg, Sonnabend, 9.2.1811, ediert von Sarah Schmidt und Simon Gerber. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0007567 (Stand: 26.7.2022)

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