Berlin d 2t Merz 16.

Es hat mir ja nicht anders als erfreulich sein können mein werthester Herr Doctor, daß Sie Sich mir auf eine so freundliche Weise bekannt gemacht haben, und ich wünsche Sie von meinem herzlichen Antheil an Ihren Bestrebungen zu überzeugen.

Ihre hermeneutische Exposition hat mich auf die Fortsezung begierig gemacht. Vielleicht könnte ich dagegen ausstellen daß etwas zuviel Werth auf den Schematismus gelegt zu sein scheint. Allein ich weiß wie natürlich das ist bei einer noch nicht eben architektonisch behandelten Disciplin. Auch Ihre frühere Preisschrift hat mir Herr Lachmann gefällig mitgetheilt allein ich habe noch nicht Zeit gehabt sie ordentlich durchzulesen.

Was Ihre Absicht betrift hieher zu kommen so wünschte ich nur sie gründete sich weniger auf eine gewisse Unzufriedenheit mit Göttingen. Dieses gelehrte Institut hat seine eigenthümlichen von mir sehr vereh rungsvoll anerkannten Verdienste, und wenn damit auch eigenthümliche Fehler verbunden sind | so habe ich doch viele junge Männer gekannt welche sich dort ihren frischen Jugendmuth ungetrübt zu erhalten wuß ten. Ueber Ihr Vorhaben selbst aber kann ich nicht anders als mich herz lich freuen, und finde es um so natürlicher daß Sie Sich uns schenken wollen, da Sie ja ein geborner Preuße sind. Wir werden Sie sehr gut brau chen können, denn ohnerachtet unsere Facultät für die Hauptwissen schaften ziemlich besezt ist so fehlt es uns doch so gut als ganz für die Hülfsdisciplinen. Theologische Literargeschichte ist bei uns bisher gar nicht für sich gelehrt worden, sondern nur das allernöthigste bei Gele genheit der Encyclopädie beigebracht. So ist es auch mit der Hermeneu tik, die ich wol ein paar mal gelesen habe, aber mich gern davon dispen siren würde. Patristik hat Herr Neander angefangen, allein es ist da noch viel Raum. Die Sache hat nur zwei Schwierigkeiten, die ich Ihnen vorle gen muß. Einmal ist für die äußere Subsistenz von theologischen Vorle sungen überhaupt nicht viel am wenigsten für den Anfang zu erwarten. Hierüber hat mich Herr Bunsen beruhigt; und ich bin überzeugt wenn | Sie einige Zeit hier sind werden Sie Sich daneben irgend ein anderes Ver hältniß bilden was Ihnen für diesen Punkt zu Hülfe kommt. Das zweite ist, daß unsre Universität noch nicht förmlich constituirt und noch nichts definitives über die Habilitation von PrivatDocenten in der theologischen Facultät fest steht. Im Werk ist daß die theol  superwordphilos^#/+ophische^#/- Doctorwürde dazu für sich nicht berechtigen soll, sondern es soll ein zweiter theologischer Grad creirt werden. Ob nun die Statuten worin dies projectirt ist bald werden ratificirt werden, oder was bestimt werden würde, wenn Sie frü her eintreten wollten das kann ich jezt nicht bestimmen. Indeß glaube ich daß noch im Lauf dieses Sommers die ganze Sache in Ordnung kommen wird.

Verzeihen Sie meiner Bedrängtheit, wenn ich in der Hofnung, daß Ihre nähere Bekanntschaft mir nicht entgehen wird, mich für diesmal mit der nothdürftigsten Erwiderung begnüge.

Schleiermacher.

Zitierhinweis

4242: An Friedrich Lücke. Berlin, Sonnabend, 2.3.1816, ediert von Sarah Schmidt und Simon Gerber. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0007566 (Stand: 26.7.2022)

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