Rostock den 28sten Dec 1815.

Kaum ist Ihr Brief angekommen, lieber Freund, so sitze ich auch schon da, von Neuem an Sie zu schreiben, eine Art von Güte, die ich mir wi derfahren lasse, zur Erholung von dem Schwärmen aus einem Gesell schaftskreise in den andern, das die Festzeit mit sich bringt.

Wenn ich mich frage, welche Schrift auf Schmalz wohl einen unange nehmern Eindruck gemacht haben möge, die Niebuhrsche, oder die Ih rige, so möchte ich sagen, die letztere, wenn ich gleich nicht finde, daß Sie ihm irgend Unrecht gethan haben. Die zweyte Schmalzsche Schrift hat mir noch mehr, als die erste mißfallen. Dieser konnte ich noch durchweg Leichtsinn und Eitelkeit | 90v zur Quelle geben; aus jener schimmert mir Un redlichkeit hervor. Er hat übrigens ein starkes Publicum auf seiner Seite, auch hier bey uns, und ich bin schon ganz darauf gefaßt, über Ihre Schrift ähnliche Verdammungsurtheile aussprechen zu hören, wie über die Nie ­buhrsche. Von dieser sagte neulich Jemand, sie sey ein elendes Product. Das wirkte ganz wunderlich auf mich; denn ich hatte sie so eben gelesen und mich an ihrem gediegenen Inhalt um so mehr ergetzt, je mehr das lose Gewörtel der Schmalzschen Schrift mir unangenehm gewesen war. Belustigend ist für mich der Schluß, den man aus meinen Aeußerungen zieht, wozu Ihr Link die erste Veranlassung | 91 gegeben hat. Dieser fragte mich bey seiner letzten Anwesenheit in Rostock in einer Gesellschaft von Professoren, scherzend, wie ich glaube, ob ich nicht auch dem Tugend bunde angehöre? Wenn ich ihm angehörte, gab ich zur Antwort, so wür de ich es vielleicht nicht sagen dürfen. Weil ich so nun geschienen hatte, einer bestimmten Antwort ausweichen zu wollen, so entstand nun schon in Einigen die Vermuthung, ich sey Mitglied des Bundes. Nachdem ich nun gar gegen die Schmalzsche Schrift mich erklärt habe, ist die Vermu ­thung zur Gewißheit herangewachsen, und wären von dieser letztern Gra de denkbar, so würde sie noch höher steigen, wenn ich auf Veranlassung der Aeußerungen über Ihre Schrift auch mein Wörtchen da | 91vzu geben soll te, was ich übrigens noch gar nicht weiß, indem ich mich vielleicht, wie in vielen andern Fällen, begnügen werde, den bloßen Hörer zu machen.

Freylich ist die Geschichte Ihrer magnetischen Kur eine alte, aber auch schon alt meine erste Frage darnach, die Sie unbeantwortet gelassen hat ten, und zu der zweyten kennen Sie ja schon Jean Paul als meine Veran lassung. Daß die Kur so gut angeschlagen hat, freut mich herzlich, und die Wirkung des Hellsehens ist vielleicht nur daher ausgeblieben, weil Sie das Dunkelsehen im nichtmagnetischen Zustande zur Bedingung hat.

Von einer Geschichte, die Ihnen vor zwey Jahren eingebrockt worden, haben Sie mir allerdings geschrieben, aber durchaus nicht erzählend, son dern, wie | 92 jetzt, bloß ganz unbestimmt darauf hindeutend. Weil Sie auf eignen Antrieb mir nicht mehr davon sagten, mochte ich mir das Nähere auch nicht von Ihnen erbitten. Das Gerücht sagte hier, Sie und Savigny seyen genöthigt worden, auf einige Zeit Berlin zu verlassen, und zwar wegen Verfahrens in Landwehrverhältnissen, wobey aber auch jede nä here Bestimmung mangelte.

Wenn ich mich hier bey dem häufigen Wechsel der Hauseigenthümer nicht der Gefahr ausgesetzt sehen wollte, vielleicht jährlich die unerträg liche Last des Umziehens zu erdulden, so mußte ich mir wohl ein Haus kaufen. Wegen Anlegens einer Studenterey aber seyen Sie unbesorgt. Ver miethen kann ich nichts, indem das Haus | 92v nur so eben für meine Bedürf nisse hinreichend ist, zu welchen allerdings aber auch gehört, daß ich lieben Freunden, die mich besuchen, ein Zimmer einräumen kann. Mer ken Sie sich das für Ihren, ich wünsche sehr, recht nahen Besuch.

Louise grüßt und dankt freundlich für die Predigten und meint, da sie Ihnen so eigentlich nicht böse gewesen, könne sie Ihnen auch nicht wieder gut werden; daß Sie aber durch flüssigeres Schreiben sich etwas freund licher gegen mich erweisen könnten, ist gleichfalls ihre Meinung.

Dieselbe Post, welche Ihnen diesen Brief bringt, bringt auch mein be wußtes Gesuch an das Ministerium p, wovon ich guten Erfolg wünschen will.

Viele Grüße an alle Ihrigen. Adio. CG Konopak.

Abgeschickt den 30sten.

Zitierhinweis

4217: Von Christian Gottlieb Konopak. Rostock, Donnerstag, 28.12. bis Sonnabend, 30.12.1815, ediert von Sarah Schmidt und Simon Gerber. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0007557 (Stand: 26.7.2022)

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