R. den 9ten Oct. 1813.

Der guten Nanny danken Sie in meinem Namen recht freundlich, daß sie die Theebüchse nicht weggelassen hat. Sie hat gezeigt, daß sie besser als Sie versteht, was zu einem vollständigen Service gehört, und ich möchte nicht, daß jenes Stück dabey fehlte. Alles ist übrigens wohlbehalten hier angekommen. Die Sachen waren so trefflich gepackt, daß ich glaube, ich hätte die Kiste treppab können rollen lassen, und es wäre nichts beschä digt worden – Etwas hohe Preise scheint mir freylich die Manufactur zu machen, inzwischen liefert sie doch auch sehr gute Sachen.

Ich glaubte, ich würde auch Ihre versprochnen Predigten in der Kiste finden, aber nein! Louise hat auf Sie gescholten deßhalb, und das Von Rechts Wegen. Ihr Brief erwähnt auch nichts davon. Fest halten aber wollen wir Sie dennoch bey Ihrem Worte. Mögen | 71v Sie sie uns nun durch die Post schicken, und sollten Sie eine oder die andre einzeln haben ab drucken lassen, so vergessen Sie nicht, sie beyzulegen.

Wunderlich scheint mir es auch, daß Ihre Censurbehörde so ängstlich ist, und es lohnt daher wohl nicht, daß ich Ihnen von Zeit zu Zeit mit theile. – Ein wenig ernstlicher scheint es jetzt mit unserm Landsturm genommen zu werden, nur wünschte ich, man wäre offner dabey zu Wer ke gegangen. Die erste Klasse hat, erhalten in der Meinung, ihre Bestim mung werde die edictmäßige bleiben, marschiren müssen, und nun wird wenigstens ein großer Theil wie regulaires Militair bewaffnet und ein exercirt. Das kann nützlich und nothwendig seyn; aber man handle offen. – Von unsrer Universität werden Vorstellungen über Vorstellungen wegen Befreyung der Studenten von | 72 der ersten Klasse gemacht. Ich nehme kei nen Antheil daran, sondern habe ein für allemahl erklärt, daß ich für solche Exemtionen nicht mitwirken könne. Gehemmt in seiner sonstigen Laufbahn wird jeder junge Mann, der in den Krieg zieht: das Mehr oder Weniger, das Nachtheiliger oder minder Nachtheilig kann nicht auf die Waagschaale gelegt werden. Was daher für Studenten ein Grund zur Ex emtion ist, ist es mutatis mutandis für Alle ohne Ausnahme, und so müß te denn nichts geschehen. Aber die Universität, das wichtige Institut, wie leidet dieses! So ruft man mit beschränktem Sinn; Keiner lebt im Ganzen; an Keinem kann man sich erheben. Alles, fast Alles sieht man in dem unerfreulichen Herumdrehen in einem engen, dumpfen Raume. Und ich möchte doch wissen, warum der Egoismus des Vaters, des Dienstherrn, der seinen Sohn, seine Ge | 72vhülfen, seinen Dienstboten nicht hergeben will, verwerflicher seyn sollte, als der Egoismus einer Gemeinheit, die sich nicht satt grämen kann darüber, daß ein Theil ihrer Mitglieder in den Kampf zieht für jene größere und höher stehende Gemeinheit, von wel cher sie selbst nur ein kleines – ich will nicht sagen, unbedeutendes – Glied ist. Ich habe anfänglich gesprochen darüber, wie mirs ums Herz war; ich schweige jetzt. Ist das Herz taub, lieber Schleiermacher, dann predigt man auch tauben Ohren. Wie weit kann Eigennutz den Menschen blenden! Ich könnte Ihnen einen Mann nennen, der nicht ungeachtet im größern Publikum ist, der sonst viel über und wider das französische Joch sprach, sich freute, als der Ausgang des letzten französisch Russischen Krieges das Ende dieses Jochs zu verkündigen schien, sich freute über den fortgesetzten Kampf zur völligen | 73 Erreichung dieses Ziels; aber von dem Augenblicke an, als sein Sohn, aller natürlichen Abmachungen ungeach tet, bey dem Entschluß beharrte, in das freywillige Jägercorps zu treten, und diesen Entschluß ausführte, ein ganz umgewandelter Mensch wurde, der sich es zwar gefallen ließ, daß überhaupt etwas gegen die Franzosen geschehe, dem es aber reine Thorheit erschien, daß auch Mecklenburgs junge Männer, besonders des Alters, Standes pp, wozu auch sein Sohn gehörte, Theil daran nehmen sollten, und der – nein ich thue ihm wahr lich nicht Unrecht – wenn ihm die Wahl verstattet gewesen wäre, lieber ganz Mecklenburg vom Feinde überschwemmt und so jeden Versuch zum Bessern gelähmt, als seinen Sohn mit thätig für dieses Bessere gesehen hätte.

Vollkommen theile ich mit Ihnen den Miß | 73vmuth darüber, daß bisher ein großer Theil der Deutschen so unthätig geblieben ist. Und was hat nun der König von Sachsen für sich und für sein Volk dadurch gewonnen, daß er sich mit Verblendung dem Menschen in [die] Arme geworfen hat, der aus den Brüsten des Elends und der Verheerung seine liebste Nahrung saugt! Konnte größeres Verderben über seinen Staat kommen, wenn die ser Mensch und seine Genossen als Feinde darin hausen? – Erfreulich und ermuthigend ist mir es inzwischen gewesen, daß jetzt endlich Baiern, wie ich aus den letzten Zeitungen gesehen, sich der guten Sache angeschlossen hat, und ich hoffe, auch andre deutsche Fürsten – ihre Unterthanen thä tens sogleich – werden dem Beyspiele folgen.

Sie klagen, daß Sie Ihre Arbeiten müssen liegen lassen, und doch habe ich aus dem letzten Lectionsverzeichniß gesehen, daß ein Lehrbuch von Ihnen da ist, von welchem ich wenigstens bis dahin nichts gewußt habe. Ich armer Teu | 74fel komme zu gar nichts, überall zu keinem Studium, ge schweige denn zu dem, was dem Studium erst nachfolgen kann. Sehr lieb ist mirs gewesen, eben aus jenem Verzeichnisse zu sehen, daß Biener über mein Lehrbuch der Institutionen liest. Ich will wünschen, daß er damit fortfahre und recht viel Zuhörer bekomme; denn gern möchte ich zu einer neuen Auflage schreiten, und bey der Handvoll Zuhörer, auf welche ich hier nur rechnen kann, möchte es leicht bis zu meines Lebens Ende dauern, ehe die erste Auflage vergriffen ist. Der Absatz an Zuhörer aber ist bey solchen Büchern natürlich der stärkste. In Wetzlar wird zwar auch darüber gelesen, allein das scheint auch nicht viel zu schaffen.

Der mir obliegende Nachschuß für das Service beträgt 2 r. Ich gebe Sie diesem Briefe zur Begleitung mit. Sie schreiben mir, Ihre Nanny habe sie zur Strafe auslegen müssen. Daß ich sie keiner Strafe schuldig wisse, folgt schon aus dem Obigen. | 74v Wohl aber finde ich sie einer Belohnung würdig, und daher sagen Sie ihr unter den freundlichsten Grüßen bey Ueberrei chung des Röllchens, es sey der größere Theil einer kleinen Summe, die ich vor 6 Jahren von Halle hierher gebracht und bisher immer noch als ein kleines Heiligthum zum Andenken an jene frühern Verhältnisse auf bewahrt habe.

Wer ist der Freund, den Sie im Kriege verloren haben? Vielleicht Al berthal?

Was machen Schmalzens? Der Sohn muß nun ja auch ein erwachsener Mensch seyn. Ist er in den Krieg gezogen?

Wie stehts mit Steffens? Haben Sie nichts von ihm gehört?

Was macht Auguste Klein? Sehen Sie sie bisweilen?

Was macht Poselger? Antworten Sie hübsch auf Alles.

Von meiner trefflichen Louise bekommen Sie erst Grüße, wenn die Predigten da sind. Adio

K. | 75

den 12ten Oct.

Ich habe den Brief einen Posttag liegen lassen, weil mir Jemand am Mor gen der beschloßnen Absendung erzählte, den Abend vorher sey in einem öffentlichen Hause die Rede gegangen, die Franzosen seyen auf Berlin zu durchgebrochen, und weil ich doch weder um die 2 r noch um meinen Kopf kommen wollte. Sie brauchens von mir nicht erst zu hören, daß es ein leeres Gerücht war. Ich kann dem Briefe jetzt ruhig den Reisepaß ertheilen, und will Sie dafür, daß Sie ein Paar Tage später ihn erhalten, durch diese Zugabe entschädigen.

Das Wichtigste, was sich in den letzten Tagen bey uns zugetragen hat, ist, daß drey Compagnien unsrer Fußjäger, die unvorsichtig zu weit ge führt wurden, von dem weit stärkern Feinde umzingelt worden sind, und es diesem gelungen ist, hundert und einige davon in seine Gewalt zu bekommen. Sechs sind geblieben und mehrere verwundet. Acht hat Eck mühl, | 75v von dem sie überhaupt sehr human sind behandelt worden, auf ihr Ehrenwort wieder frey gegeben. Die übrigen wackern Leute werden als Gefangne weggeführt. Ein Hauptmann Brandt, dessen Versehen hier an Schuld seyn soll, wird, heißt es, zur Untersuchung gezogen werden.

Nächsten Monath feiern wir hier das 50jährige Amtsjubiläum unsers alten Tychsen. Huschke schreibt ein Programm und die theologische und juristische Facultät werden ihm den Doctorgrad ertheilen. (Er hat meh rere kleine Schriften über rechtliche Angelegenheiten hauptsächlich nach jüdischem Recht geliefert.) Die Regierung wird ihm wohl einen höhern Titel ertheilen, vielleicht auch eine Medaille schlagen lassen.

Grüßen Sie Alles, was ich kenne und schreiben Sie mir recht bald; dann will ich auch bleiben Ihr freundlich gesinnter

Konopak.

Zitierhinweis

3969: Von Christian Gottlieb Konopak. Rostock, Sonnabend, 9.10. Dienstag, 12.10.1813, ediert von Sarah Schmidt und Simon Gerber. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0007551 (Stand: 26.7.2022)

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