R. den 22sten Sept. 1811.

Armer Schleiermacher, mit Ihrem ewigen Magenkrampf! Ich kenne den Unhold nicht, aber ich begreife, daß der Schmerz ein sehr großer seyn müsse. Können denn Eure Aerzte nicht, kann ein Reil nicht einen Baum, der so schlechte Früchte trägt, zusammt den Wurzeln heraus reissen? Haben Sie ihn noch nicht um Rath gefragt? Mir wäre er der erste, den ich anginge.

Hinter Ihrem Rücken konnte ich die neue Sache wohl um so weniger betreiben wollen, als Sie ja Mitglied des Departments p sind; vielmehr war ich sogar der festen Meinung, daß sie von Ihnen selbst ausgegangen sey, wie das auch mein Brief an Poselger, der etwas von der Tücke verlauten ließ, bekunden muß, und daß Sie aus Rücksicht auf die alte Königsberger Sache nur nicht selbst zu mir darüber sprechen wollten, eher wenigstens nicht, bis sich etwa die neue Sache entschieden haben würde. | 53v Daher hielt ichs denn für eine unbescheidne Zudringlichkeit, zu Ihnen darüber zu sprechen, daher schwieg ich.

Wie übrigens jetzt die Sache stehe, darüber macht Ihr Brief mich fast mehr als zweifelhaft, läßt fast mich fürchten, daß es mit Breslau was meine dortige Anstellung betrifft, nichts sey. Sie preisen Steffens und Heindorf glücklich, weil diese nach Breslau gehen, und mich nicht, weil Rostock dem Gerüchte nach befestigt werden solle. Das heißt ja wohl mit andern Worten so viel, ich dürfe mir auf Breslau keine Rechnung machen. Das thut mir innig leid. Ich hatte dort auf ein glücklicheres Leben, glücklicher in wissenschaftlicher Hinsicht, gerechnet. Die erste Nachricht von der Verlegung der Frankfurter Universität nach Breslau war mir eine sehr schmerzliche. Sie kam mir bald, nach dem die Sache mit Königsberg sich aufgelöst hatte und ich glaubte, auch der kleinsten Hoffnung nicht Raum | 54 geben zu dürfen, dorthin, wo ich so gern wäre, je versetzt zu werden. Urtheilen Sie selbst, wie froh ich überrascht wurde, als Poselger mir schrieb, von guter Hand – ich hielt Sie für diese gute Hand – sey er beauftragt worden, mich zu fragen, ob ich mit einem Gehalte von 1200 r nach Breslau gehen wolle? Ich forderte freylich, aber durch Poselger's eignen Brief veranlaßt, 1500 r; allein ich erklärte, als man mir 1500 r für Königsberg anbieten ließ, mich zufrieden mit 1200 r für Breslau, und wenn ich gleich dabey etwas von der Hoffnung, einst 300 r Zulage zu erhalten, fallen ließ, so war dieß doch der Zeit nach so unbestimmt, daß es eben dadurch den Character einer Bedingung beynahe gänzlich verlor. – Mit schwerem Herzen werde ich unsern Link nach dem ersehnten Ort hinwandern | 54v sehen. Freilich käme es zu einem neuen Kriege zwischen Preussen und Frankreich, dann könnte es böse werden auch für die Breslauische Universität. Denn warum die Berlinische übler daran seyn sollte, als jene, das sehe ich nicht. – Der Zustand der Dinge ist überall ein so ungewisser, daß man fast am gescheidtesten thut, nur blind zuzutappen, um nicht das kränkende Gefühl sich zuzubereiten, alle Weisheit und kluge Behutsamkeit, mit welcher man verfahren, rein zu Schanden gemacht zu sehen.

Das Gerücht von Rostocks Befestigung ist weiter nichts als ein Gerücht. Die Veranlassung dazu kann seyn, entweder das Blockhaus in Warnemünde, 3 Stunden von Rostock, dicht an der See und die dazu gehörige Verschanzung, woran jetzt noch gearbeitet wird, oder das Lager, welches hier eine halbe Stunde von Rostock, zwischen Bramow und Bernstorf errichtet ist und welches gegenwärtig mit Inbegriff der Officiere etwas über 9000 Mann fassen soll. Von die | 55sem Lager sagen einzelne Stimmen, es solle befestigt werden, was aber alle Wahrscheinlichkeit gegen sich hat. Uebrigens ist, wie Sie denken können, das Leben hier kein erfreuliches und vergeblich sucht man nach einer Spur von der Souveränität unsers Herzogs. Wollte ich hier ins Detail gehen, Sie würden erbauliche Sachen erfahren.

Schade, daß Sie mir so gar nichts Näheres über das Rectorat von Schmalz und die letzte Geschichte, die er gemacht, geschrieben haben! Theilen Sie mir doch das in Ihrem nächsten Briefe mit. Ins dortige Publikum ist doch die Sache ohnedieß wohl gekommen. Eher konnten Sie Anstand nehmen, mir das Besondre über die merkwürdige Wahl Fichte's zum Rector zum Besten zu geben, da dieß vielleicht im Schooße des Collegii bleiben muß. Den Savigny, der unter allen unsern jetzigen Civilisten der schätzbarste ist, grüßen Sie vielmahl von mir. Er ist nach meiner Ueberzeugung bey weitem die wichtigste Acquisition, welche Ihr für die dortige Juri | 55vstenfacultät gemacht habt.

In Danzig ist das Elend unbeschreiblich groß, und wie könnte es anders seyn, da zu der gänzlichen Versiegung fast aller Erwerbsquellen eine Garnison von 22000 Mann kommt, die nun schon seit Monathen an den schlaffen Brüsten meiner armen Vaterstadt saugt.

Sollte mein Brief Sie noch in Berlin treffen, so grüßen Sie freundlich Ihren Bruder von mir. Wie geht es ihm dort mit seiner Apotheke? Auch sein Weibchen grüßen Sie, und denken Sie mein in dem lieben Schlesien.

Den Ihrigen in Berlin und Ihrer Schwester Lotte schicke ich auch die freundlichsten Grüße. Wollte der Himmel, wir Alle könnten von uns rühmen, was Sie von Ihrer Jette schreiben!

Adieu, lieber Schleiermacher. Lassen Sie nicht wieder eine so lange Pause im Briefschreiben eintreten.

Ihr K.

Zitierhinweis

3688: Von Christian Gottlieb Konopak. Rostock, Sonntag, 22.9.1811, ediert von Sarah Schmidt und Simon Gerber. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0007544 (Stand: 26.7.2022)

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