Berlin d 6t. Jul.

Das ist uns gar schnell und nicht nach unsern Wünschen über den Hals gekommen liebste Lotte. Wir hatten uns so darauf gefreut und wirklich sicher darauf gerechnet Dich bei uns zu haben daß wir recht lange Ge sichter zogen als Hochwächter und Benda so leer ins Zimmer traten. Ich hatte mir außerdem auf diese Zeit noch allerlei kleine niedliche Parthien verspart die nun Christelchen auch entgeht  über den ursprünglichen Text geschriebenentgehn . Nun daran muß man nicht weiter denken, als daß ich gewiß hoffe was schon so weit gewesen ist, das kommt gewiß noch einmal ganz zu Stande. Aber was soll ich Dir nun sagen wenn ich Dir Rechenschaft ablegen soll von Christianens Aufent halt bei uns? Es ist unser beider Sache nicht, weder Jettens noch meine viel unmittelbar einzuwirken, es kommt also lediglich darauf an was so das Leben von selbst gethan. Im Aeußeren wird es wol nicht viel sein, und was Du und Jette da an ihr zu tadeln fanden, davon wird sie wol nicht viel abgelegt haben. Mit einer Tanzstunde konnten wir ihr nicht zu Hülfe kommen; denn hier giebt es fast  korr. v. Hg. aus: keinskein Mittelding als entweder sehr theuer bezahlen oder sich in eine zu vermischte Gesellschaft zu | 65v begeben. In nerlich kann es wol nicht fehlen daß sie nicht auf mancherlei Art neu ist aufgeregt worden, aber das kannst Du nun besser merken und würdigen als wir die wir täglich mit ihr lebten. Daß ihr in Schmiedeberg so beson ders wenig wohl gewesen ist thut mir sehr leid: ich hatte es ganz anders berechnet und mich oft über die Reise mit dem neuen schönen Genuß den Christiane haben und auch mit der kleinen Welt in der sie wieder neu und anders leben würde getröstet. Und so mögen wir uns wol menschlicher weise öfters verrechnet haben. Was sie angefangen hat zu lernen, Klavir und italienisch das ist natürlich Stükwerk geblieben; meine Religions stunden wol noch am wenigsten, weil es darin meine Art ist von jedem immer wieder auf alles zu kommen. Gern hätte ich sie indeß auch da noch länger behalten.

Eine Art von Beruhigung kann es uns wol sein sie Dir jezt wieder zu schiken, da Gott sei Dank der Wiederausbruch der Feindseligkeiten wahrscheinlicher ist als der Friede und wenn wir gleich zu eurem Kron prinzen das Vertrauen haben er soll den Feinden andres | 66 zu thun geben als daß sie uns hier auf den Hals kommen so kann man doch immer nicht wissen. Entsteht eine Nothwendigkeit zu fliehen – aber sie muß weit grö ßer sein als die damalige war – so sollen meine Leute wol gewiß zu Euch

Die beiden Reisenden haben wir nur sehr flüchtig gesehn, Benda hat den Auftrag den ihm Kathen gegeben hat nicht erwähnt, und ich habe es denn auch rein vergessen, was auch eben so gut ist. Weil Du es nun haben willst schike ich Dir den Aufsaz der bis zur schlesischen Reise geht. Was Christelchen dort gebraucht haben mag kann kaum der Rede werth sein. Du wirst dich vielleicht doch wundern was das Jungfrauchen in den 10 Monaten gebraucht hat ich aber finde es sehr sparsam, und Du kannst nun denken was das Hausvoll jährlich zerreißt. Gott sei Dank bekommen wir bis jezt noch ziemlich regelmäßig freilich mit bedeutenden Abzügen unser Gehalt, sonst müßte ich auch verzagen denn wenn man sich umsieht so ist im Hauswesen nirgend etwas zu sparen was der Mühe lohnte. | 66v

Nun liebste Lotte habe nochmals Dank für Dein schönes schwesterliches Vertrauen. Grüße Dein ganzes Haus und auch die Vabelwizer Kolonie die sich wol in Götemiz einstellen wird um die Schwester zu bewillkommnen.

Ernst

Zitierhinweis

3932: An Charlotte von Kathen. Berlin, Dienstag, 6.7.1813, ediert von Sarah Schmidt und Simon Gerber. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0007537 (Stand: 26.7.2022)

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