B. d. 17t. Jun. 13.

Dein Wunsch liebste Lotte soll denke ich so weit erfüllt werden daß Jette selbst die nächste Gelegenheit sein wird mit der Christelchen zurükkommt. Ich habe zwar seitdem ich Dir geschrieben keine Nachricht von ihr da trotz des Waffenstillstandes der grade Postenlauf nicht hergestellt ist, ich habe ihr aber Gestern mit einer wie ich hoffe sehr sichern Gelegenheit geschrieben (mit der auch Deine Einlage abgegangen ist) und sie dringend gebeten, so gleich den Rükweg über Breslau und dann auf dem jenseitigen Oderufer anzutreten. Vierzehn Tage gehn indeß gewiß, vielleicht gar drei Wochen hin ehe sie zurückkommen. Aber liebste warum willst du uns denn Christelchen nehmen? Wahrscheinlich verfolgt Nanny ihren Vorsaz nach Pless zu reisen und Christiane hätte dann noch mehr Gelegenheit auf mancherlei Weise thätig und hülfreich zu sein was gewiß ihr und Jette wohlthun würde. Erschwerendes kann ihr längeres Bleiben gar nicht haben, es müßten denn Umstände eintreten die unsere ganze Oe | 63vkonomie umwälzten, was ich aber noch gar nicht besorge. Doch ich kann freilich nichts weiter thun als Ihr meinen Wunsch äußern wenn sie hier sind hat sich vielleicht manches schon mehr entwikelt und Jette wird Dir dann schon alles gehörig auseinandersezen. Sehr leid sollte es mir thun wenn Benda's hier ankämen ehe Jette wieder da ist das wäre ein eignes unglükliches Schiksal. Ich hoffe indeß er wird unter den gegenwärtigen Umständen da Liegniz von den Franzosen besezt ist dort noch etwas zugeben

Was sagt man denn bei Euch und besondern, was sagt euer Kronprinz zum Waffenstillstand? Hier sind wir vor Bestürzung außer uns gewesen, indeß jezt doch etwas beruhigt nachdem alle unterrichteten Leute versichern es sei an keinen Frieden zu s über den ursprünglichen Text geschriebendenken. Die Leute müssen ja auch wol eine Angst haben vor Friedensunterhandlungen nachdem sie an dem Waffenstillstand gesehn haben wie wenig sie die Kunst verstehn zu unterhandeln und wie entsezlich sie sich übertölpeln lassen. Wenn nur nicht die Verhältnisse mit Schweden und England getrübt werden so wird das Unglück doch nicht unwiederbringlich sein wenngleich der Schaden | 64 den dieser Waffenstillstand stiftet ungeheuer ist.   Ich hoffte euer vortreflicher Kronprinz (gegen den man auch nicht so handelt wie man sollte) würde unterdeß seinen Feldzug gegen die Dänen machen, aber das scheint doch nicht.

Furchaus Leben ist sehr romantisch aber seinem Zustande nicht angemessen. In einer solchen Stimmung muß man tüchtig arbeiten aber nicht sich einer solchen Muße überlassen

Mit meiner Gesundheit geht es ganz leidlich und ich hoffe meinen Magenkrampf bald völlig wieder los zu sein da ich gestern die erste Anwandlung von Schlaf gehabt. Ich arbeite soviel ich kann aber die Sehnsucht kostet mir doch viel Zeit und Menschen mag ich gar nicht aufsuchen. Gott gebe daß Jette bald kommt.

Arndt ist hier und ich sehe ihn bisweilen. Ich glaube nicht, daß er so bald reist, auf jeden Fall aber erfahre ich wohin und kann also einen Brief besorgen.

Grüße alles liebste Schwester und fahre fort so herzlich Antheil an mir zu nehmen.

Schleier

An Willich schreibe ich nächstens.

Zitierhinweis

3918: An Charlotte von Kathen. Berlin, Donnerstag, 17.6.1813, ediert von Sarah Schmidt und Simon Gerber. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0007536 (Stand: 26.7.2022)

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