Donnerstag d 3t. Jun.

Nun liebste Schwesterunsere lieben Reisenden sind glüklich in Schmiedeberg eingetroffen. Meine lezten Briefe von dort sind vom 26ten und Gestern angekommen. Damals hatten sie zwar die Armee sehr in der Nähe und flüchteten Viele aus der Gegend. Allein es ist sehr unwahrscheinlich daß sich der Kriegsschauplaz ins Gebirge zieht und eben so unwahrscheinlich daß die Franzosen sich sehr zerstreuen werden; auch waren überhaupt keine sondern nur viele Kosaken in der Nähe. Denselben Tag sollte Christelchen mit einer Gesellschaft guter Freunde die Koppe besteigen. Das ist nun das gute und tröstliche was ich Dir zu sagen weiß, der hinkende Bote kommt nach, das nemlich nun die Communication dorthin vorläufig unterbrochen ist und wol nicht eher als nach einer glüklicheren Wendung der Dinge wieder eröfnet ist wird. Diese erwarte ich nun wenn die dortigen Armeen fort | 61vfahren defensiv zu agiren (wiewol auch hierin die Aenderung des Commando vielleicht eine Aenderung hervorbringt) vorzüglich von denen Operationen die von Euch ausgehn müssen. Und so wollen wir so ruhig als möglich dem weiteren entgegensehn. Du kannst wol denken daß diese Abgeschnittenheit mir das Herz sehr beklemmt. Indeß kann dieser Zustand nicht lange dauern, und ich hoffe von dem nächsten entscheidenden Schlage das beste. Die Position zu nehmen welche unsre Armeen izt bei Schweidniz innehaben soll gleich beim Aufbruch aus der Lausiz Plan gewesen sein, und so muß man sich das weite Zurükgehn auch nicht sehr irre machen lassen. Für die ganze Sache hege ich noch immer den besten Muth und dann muß das Einzelne ja auch wieder in Ordnung kommen. Jette schreibt übrigens mit einer Klarheit und Besonnenheit und thut so durchaus immer das einzig rechte daß ich mich nicht genug darüber freuen kann, und ein felsenfestes Vertrauen zu ihr hege. Es ist eine | 62 harte Prüfung, sie empfindet aber das traurige daran zu meiner Freude minder als ich weil sie nicht nur sorgen sondern auch thätig sein muß, und nicht so einsam ist als ich. Ich meide die Stadt soviel als die Geschäfte zulassen und gefalle mir nur in der Stille des Gartens, und wenn mir die Hofnung aufgeht daß wir dort noch wiedervereint einen Theil des Sommers genießen werden so bin ich ganz glüklich. Von den Kindern allen schreibt Jette auch nur liebes und Gutes. – Ob Luise Benda glüklich bei euch angekommen ist bin ich neugierig zu er- fahren. Die Nachricht daß er sie nach Rügen bringen wolle kam hier an eben als Jette abgereist war.

Schreibe mir doch ja liebe Schwester und ermahne auch die Andern dazu. Ihr verdient euch einen Gotteslohn von einem armen Einsiedler

Dein Brief an Christiane der mit mehreren Einlagen sogleich abgegangen ist wird leider nicht mehr angekommen sein sondern irgendwo liegen und auf die Herstellung der Posten warten. Es sollte | 62v mir sehr leid thun wenn Hochwächter käme ehe Jette wieder hier ist. Sobald die Sachen eine solche Wendung nehmen daß sie reisen kann wenn auch mit einem Umwege so kommt sie zurük. Denn hier ist vor der Hand gar nichts zu besorgen und ich denke Ihr dekt uns nun vollständig.   Gott gebe, liebste Schwester, daß ich Dir bald etwas ganz beruhigendes sagen kann. Laß uns nur fortfahren guten Muth zu haben.

Drei Briefe habe ich aus Schmiedeberg von Jette aber Christiane hat wol noch nicht dazu kommen können an Dich zu schreiben und wol auch nicht geglaubt daß es so kommen würde. Doch hast Du ja vielleicht gradezu Nachricht von ihr.

Grüße alle die unsrigen auf das herzlichste

Dein treuer Bruder Schl.

Zitierhinweis

3895: An Charlotte von Kathen. Berlin, Donnerstag, 3.6.1813, ediert von Sarah Schmidt und Simon Gerber. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0007535 (Stand: 26.7.2022)

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