B. d 23t. Oct. 11.

Geschwind ehe noch die Vorlesungen angehn liebster Freund muß ich Ihnen ein Paar Worte schreiben. Nach einigen Kreuz und Querzügen und einer im Ganzen sehr schönen Reise bin ich den Sonntag nach meiner Abfahrt von Ihnen Nachmittags grade am Geburtstag unserer kleinen Jette hier angekommen. Die Zeit bis jezt ist ungeheuer schnell und ohne daß ich irgend etwas wesentliches gethan verlaufen. Morgen geht nun das alte Leben wieder an. Noch fürchte ich mich etwas davor; ich kann stundenweise etwas melancholisch sein weil mir bange ist ich habe zuviel auf mich geladen. Dazu kommt noch daß sich bis jezt nur noch sehr wenig Zuhörer gemeldet und namentlich zur Encyclopädie die ich soviel lieber nicht gelesen hätte kaum ein halbes Duzend. Aber es ist einmal gegen meinen Grundsaz ein Collegium was ich einmal angekündigt wieder aufzugeben; also muß es nun auch seinen | 1v Fortgang haben. Ihr Katalog ist nun auch hier. Unsere Vorlesungen treffen ja recht zusammen. Es freut mich daß Sie Sich noch zur theologischen Moral entschlossen haben; als ich bei Ihnen war war nicht die Rede davon. Ich wollte nur wir könnten uns fleißig darüber schreiben; allein ich habe nicht die Zeit dazu, – wie ich überhaupt verzweifle diesen Winter für Eines meiner Collegien viel zu thun. Das neue exegeticum wird fast alle Zeit wegnehmen. Leider ist nun noch Süvern krank. Bis jezt werden seine meisten Arbeiten zurükgelegt; Gott gebe daß er sich bald erholt. Sollte es schlimmer werden so wird das hernach einen Stoß geben vor dem mir graut.

Der protestantische akademische Gottesdienst bei Ihnen soll nun in die reformirte Kirche oder in die Kreuzkirche gelegt werden, die Säle wollten doch zu meiner Freude hier niemanden gefallen. Doch will Schmedding noch einmal mit dem Bischof privatim wegen des Simultans reden. Aber lassen Sie dieses ganz streng unter uns bleiben.

Hier haben Sie Bernhardis Programm und meine Kirchenordnung. Von lezterer habe ich | 2 kein anderes Exemplar. Studiren Sie sie nun ordentlicher, und theilen Sie mir auch alle Ihre Einwendungen [mit]. Sie haben deren vielleicht jezt mehrere, seitdem Sie die Sachen und die Geschäfte damit genauer kennen, ich habe nicht Zeit gehabt sie jezt noch einmal durchzulesen.

Ihrem Herrn Professor Pichatzek hat es bis jezt noch nicht mit mir gelingen wollen; er ist zweimal zu ganz unpracticabeln Zeiten hier gewesen; ich will ihn aber recht bald sehn. Bartholdy ist hier aber ohne seine Frau. Er scheint mir ziemlich munter zu sein und kommt jezt eben mich zum Spaziergang abzuholen. Diesen Mittag essen wir zusammen bei Reimer. Er grüßt und läßt sagen er würde es nicht übel nehmen wenn Sie ihm auch einmal schrieben.

Grüßen Sie alle Freunde und Merkeln empfehlen Sie mich herzlich. Was für eine klatrige Wendung die politischen Angelegenheiten genommen haben wissen Sie. Indeß muß man nicht verzagen. Die Niederträchtigkeit und Inconsequenz ist freilich ungeheuer.

Adio ganz Ihr Schleiermacher.

Zitierhinweis

3696: An Joachim Christian Gaß. Berlin, Mittwoch, 23.10.1811, ediert von Sarah Schmidt und Simon Gerber. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0007493 (Stand: 26.7.2022)

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