Breslau, den 10 Jun, 1811.

Schon wieder werde ich dringend gebeten, dem Ueberbringer dieses einige Zeilen an Sie mitzugeben. Diesmahl aber schelten Sie nur nicht, liebster Freund, denn das verdiene ich nicht. Der junge Mann, den Sie vor Sich sehen, ist der Gerichts-Assessor Kunowski aus Schweidnitz, seines Gewerbes zwar ein Jurist, dabei aber ein tüchtiger Mineralog, ein treflicher Kopf und ein Mensch von einem reinen Gemüth. Er wird wohl ein Jahr in Berlin bleiben und sehr glükklich können Sie ihn machen, wenn Sie mahl ein Stündchen beim Thee mit ihm verplaudern und ihm Gelegenheit verschaffen, mit Männern [sich] bekannt zu machen, die ihm für sein Lieblingsfach nüzlich werden können. Er kennt das Schlesische Gebirge sehr genau und hat es im rechten Sinn bereist, er ist ein fleißiger Leser von Steffens Schriften und zu dem allen von einer recht tüchtigen Gesinnung. Mehr brauche ich zu seiner Empfehlung nicht zu sagen, Sie werden das Gute selbst an ihm finden.

Meine Frau ist seit 10 Tagen in Landek, wohin ich sie gebracht und wo ich auch die Pfingsttage sehr angenehm verlebt habe. | 72v Noch nie hat mich eine Reise so erfreut, als diese. Das Schlesien ist doch ein herrliches Land und besonders hat die Grafschaft Glaz einen Eindrukk auf mich gemacht, den ich nicht vergeßen werde. Ich kann es in dem engen Breslau gar nicht aushalten und habe eine kleine Gartenwohnung vor dem Thore bezogen, wo ich wenigstens die Morgen und Abende dieses herrlichen Sommers auf einige Monathe und mit Ihren Grundlinien, die ich von neuem studiren will, mit dem Neuen Testament und einigen Dialogen des Platon angenehm und nüzlich zu verleben denke. Die Geschäfte werden in der Stadt abgemacht, wo ich mit Bredow zusammenlebe. So denke ich ja, wird mir die Zeit der Strohwittwerschaft noch erträglich werden.

Mit der Einrichtung der Universität geht es hier Orts ziemlich langsam und Bredows Treiben macht die Leute wenig rascher. Wie weit man in Berlin mit der Berufung neuer Lehrer ist, weiß ich auch nicht und so fürchte ich fast, daß die Anstalt anfangs wenigstens in einer dürftigen Gestalt auftreten wird. Am meisten besorge ich dies fast von der theologischen Fakultät, denn noch ist mir keiner genannt, den ich als wünschenswerth und tüchtig, der erste zu sein, ansehen kann. Könnten und wollten | 73 Sie Sich doch herschikken laßen! – Eine andre Unannehmlich- keit, die uns alle trift, ist die unerwartete Erhebung Maßows zum Chef-Präsidenten beider Schlesischer Regierungen, die bei allen Gutdenkenden eine üble Sensation gemacht hat. Und sollte er gar, wie Auerswald in Königsberg, mit der Universität in Verbindung kommen, so steht zu besorgen, daß die ganze schöne Idee, eine solche Anstalt hier zu errichten, sehr verhunzt werden wird. Thun Sie, was Sie können, dies beim Departement zu verhüten. Soll die Universität einen Canzler haben, so ernenne man Merkel dazu; dies wäre seinen Kentnißen und seiner Gesinnung angemeßen und erhielte ihn vielleicht im Dienst, den er sonst wahrscheinlich und zum unvermeidlichen Nachtheil der Provinz verlaßen wird.

Heindorff hat mir aufgetragen, ihm eine Wohnung zu miethen. Grüßen Sie ihn freundlich und sagen Sie ihm, ich würde seinen Auftrag besorgen, nur müße er davon abstehen, nur eine Treppe hoch zu wohnen. Ich werde ihm schreiben, so bald ich etwas bestimmtes berichten kann.

Viele Grüße an die Ihrigen und an Reimers. Leben Sie wohl, theuerster Freund und behalten Sie mich lieb.

Gaß.

Zitierhinweis

3645: Von Joachim Christian Gaß. Breslau, Montag, 10.6.1811, ediert von Sarah Schmidt und Simon Gerber. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0007490 (Stand: 26.7.2022)

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