Breslau, den 21 May, 1811.

Ich bin eben im Begrif, eine kleine Reise nach dem Zobten zu machen und kann Ihnen heute nur wenig schreiben. Die Partie ist mir schon mahl verdorben und jezt war es wieder nahe dran, daß ich sie aufgeben mußte. Bredow ließ uns etwa vor 6 Tagen durch seine Frau melden, er sei krank und werde wohl seinen Termin nicht halten können. Heute schreibt er wieder selbst, daß er übermorgen doch hier sein will. Da wir ihn und seine Familie vor der Hand in unser Haus nehmen: so muß meine Frau ganz zurükkbleiben und ich bis übermorgen wieder hier sein. Ich bin indeßen froh, daß Bredow kommt, er wird nun selbst sehen, wie es hier steht und wie viel noch zu thun ist zur Aufnahme der neuen Universität. Alles ist in Bewegung und was möglich ist soll geschehen, den Aufträgen des Departements zu genügen; aber wißen mögt Ihr Herren doch, daß es keine Kleinigkeit ist und daß man in Berlin wohlgethan hätte, über dem Entschluß der Verlegung nicht so lange zu druksen, da sie sich eigentlich als das natürlichste und nächste von selbst ergab. Es wird sich aber dennoch alles machen laßen und es kann etwas vortrefliches werden. Aber, liebster Schleiermacher wo sollen die noch fehlenden tüchtigen Profeßoren herkommen. Außer Meister weiß ich noch keinen Juristen, an Medicinern wird es auch gebrechen. Ich höre  korr. v. Hg. aus: dasdaß Berends kommt, aber er kann doch unmöglich auch hier alles sein sollen, wie er es in Frkft war; von hier hat sich noch ein Dr. Wendt zu einer Profeßur gemeldet, das will indeß auch nicht viel sagen. Doch mögte hier noch am ersten Rath werden. Wo aber wird ein tüchtiger Profeßor der Theologie Catholischer Seits gefunden und ein solcher scheint mir doch nöthig, denn so viel Gutes unser | 71v Bericht auch von den hier vorhandenen gesagt hat, so können Sie doch leicht denken, daß es damit so genau nicht zu nehmen sei. Zu dem sind es fast alle Leute von Jahren, in dem hiesigen Unwesen ergraut, so daß eine frische Kraft nothwendig ist. Protestantischer Seits ist auch kein Ueberfluß. Ein junger Mann in Jena Namens Köthe wird sehr gerühmt und vielleicht kennen Sie ihn. An Thilo als Philosophen werden wir auch keine besondre Acquisition machen. Dagegen aber würde ich Sie bitten, den hiesigen Profeßor Kayßler in Vorschlag zu bringen. Er ist Direktor der hiesigen Friedrichsschule, sehr fleißig und ein tüchtiger Kopf. Vielleicht kommt er noch selbst nach Berlin. Die Reformirten Theologen bleiben als Stadtgeistliche alle beide in Frankft: wird nicht wenigstens einer dieser Confeßion angestellt?

Um nun noch ein Wort von mir zu sprechen; so haben Sie allerdings Recht, daß ich 3 Posten nicht verbinden kann und auch darin, daß es wohl gut sein mögte künftig in Hermes Stelle zu rükken. Dagegen aber muß ich in Ansehung des leztern bemerken, daß darüber noch einige Zeit verstreichen kann. Aus dem Bericht werden Sie nun gesehen haben, daß Catholischer Seits eine sehr schöne Universitätskirche und auch ein Universitätsprediger da ist; die völlige Parität würde also auch die Anstellung eines Protestantischen erfordern und die gottesdienstliche Anordnung gebe das schöne Beispiel eines Simultanei. Ein solches Verhältniß wünsche ich allerdings am meisten auch wäre es mit meinem gegenwärtigen Posten gar wohl verträglich auch in Absicht der Geschäfte, | 71a da ohnehin jezt der Schulrath eintritt und auch seinen Antheil übernimt. Eine eigentliche theologische Profeßur kann ich nicht wünschen, denn zu etwas ausgezeichneten würde [ich] es auf diesem Wege nicht mehr bringen, wenn ich auch die Kanzel auf immer verlaßen wollte was ich doch nicht thun mag und worin Sie mir gewiß Recht geben. Verpflichtete mich die Stelle eines Universitätspredigers nicht, jeden Son- und Festtag zu predigen, so würde ich auch ein Collegium lesen können, aber mehr auch nicht. Die Arbeiten bei der Deputation können, wenn die von uns intendirte Sinodalverfaßung und ein neues Reglement für die Elementarschulen zu Stande gebracht sind, sich nicht vermehren, sondern müßen sich vermindern. Und so sehe ich ab, daß ich leisten kann, was ich hier versprach. Das Weitre überlaße ich nun Ihnen, liebster Schleiermacher Sie kennen meine Kräfte und wißen auch meine Wünsche, thun Sie, was sie für recht halten.

Daß Sie gerne zu uns kämen ist doch wohl nicht Ihr Ernst. Oder geht es in Berlin nicht, wie es soll. Sagen Sie mir doch ein Wort darüber. Ich will es mir aber merken und Sie beim Worte nehmen, wenn der alte engbrüstige Wunster mahl abfahren sollte. Das wäre doch herrlich, wenn uns das Schiksal noch mahl zusammen brächte. Ein Mann, wie Sie thäte uns wohl Noth. Will man Stefens nicht rufen? – Die Universität wird sehr wohlthätig auf Schlesien wirken; aber ich fürchte, daß der Schlesier nun gar nicht hinter seinen Bergen mehr heraus zu bringen ist, | 71av und das bringt ihn wieder in eine andre Einseitigkeit, oder vielmehr es wird ihn in der bisherigen bestärken.

Daß Sie so unwohl sind, wußten wir schon. Laßen Sie Sich doch in den Hundstagsferien zu uns schikken, solche Patienten waschen wir in Altwaßer rein und nach der Cur könnten Sie die Universität inauguriren. Deß würde sich Ihre Vaterstadt freuen und Ihnen selbst würde es auch lieb sein. Etwas reisen müßen Sie diesen Sommer doch, Sie werden nicht frei von Ihrem Uebel und schleppen Sie es wieder mit in den nächsten Winter, so fürchte ich es wird immer hartnäkkiger. – Heindorfs Versetzung zu uns wundert mich sehr; das muß einen eigenen Zusammenhang haben. Ihre Universität blüht ja recht gut und wie ich höre, haben Sie 450 Studenten. Das dächte ich wäre genug für das zweite Semester.

Den 30ten reise ich mit Mienchen nach Landek und bleibe die Pfingsttage dort und Ende Juli hole ich sie wieder von Reinerz. Das soll mir auch eine Freude sein. Um sich an dem herrlichen Schlesien recht zu erfreuen, muß man es im Frühlinge sehen; ein so vortrefliches Grün habe ich nirgends gefunden und der Anblikk unsrer großen Kräutereien ist wirklich etwas seltnes. Wie sehnlich wünsche ich, meine alten Freunde bei mir zu haben, wenn ich mich daran ergezze! Ich werde auch noch eine kleine Sommerwohnung vor dem Thore beziehen und Cudower Waßer gegen mein Kopfweh trinken, wenns helfen will. Doch hat das Uebel in Schlesien auf jeden Fall abgenommen. Leben Sie wohl, liebster Schleiermacher sorgen Sie ja für Ihre Gesundheit. Tausend Grüße an Ihre liebe Frau, an Nanny, Reimers und alle unsere Freunde. Ists Ihnen möglich so schreiben Sie bald wieder. Leben Sie wohl!

Gaß

Zitierhinweis

3634: Von Joachim Christian Gaß. Breslau, Dienstag, 21.5.1811, ediert von Sarah Schmidt und Simon Gerber. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0007489 (Stand: 26.7.2022)

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