Weimar 29 November

Es ist eine lange Zeit verflossen, verehrter Gönner und Freund, seit ich mein Andenken bei Ihnen nicht erneuern konnte! Und jetzt geschieht es bei einer so gänzlichen Veränderung der öffentlichen so wie der Privat Verhältnisse, daß ich mich selbst oft frage, ob denn doch wirklich alles so sey, wie es mir vorkomt!

Ich setze voraus dass Ihnen Reimers vielleicht erzählt habe wie er mich in Leipzig gefunden. Zu dem Heraustreten aus dem academischen Leben in Tübingen brachte noch Theils ein sonderbares Zusamentreffen von Umständen, vermöge deren ich die Leibarztstelle nicht gut ablehnen konnte, andern Theils aber auch ein gewisser Vorwitz, das Leben noch von einer mir ganz neuen und schwierigen Seite kennen lernen zu wollen. Auch habe ich während meines Leibarztstandes an Welt- und MenschenKenntniss wohl manches gewonnen. Dazu kam dass der jetzt verstorbene König von Württemberg wirklich sehr interessant, geistreich und – was Ihnen kaum glaublich seyn wird und doch wahr ist – sehr liebenswürdig war. Auch wurde es mir gar nicht leicht ihn zu verlassen. Allein der Tod meines Schwagers, die Pflichten die ich gegen seine Kinder zu überneh men hatte, der dringende Wunsch meines Schwiegervaters und der Fa milie machten es für mich unausweichlich, nach Weimar | 1v zu gehen. – Seit ich nun hier bin habe ich mich freilich Manchem unterziehen müssen, was mir, der ich an eine literarische Muße gewohnt und etwas vielleicht verwöhnt war, nicht zusagte; ich habe es aber darum nicht minder ernst lich gethan. Dagegen finde ich doch auch, dass die Lage, in welcher ich mich befinde wieder viel interessantes hat und noch mehr gewähren kann; So dass ich bereits mehr zufrieden als unzufrieden damit bin.

Dass ich mich auch schon mit Speculationen befasse, sehen Sie aus der Anlage, welche zunächst von mir veranlaßt ist. Freilich ist der erste Ge danke an diese Unternehmung ohne alle Beziehung auf BuchhandelsSpe culation entstanden, doch hat letzterer sich bald angereihet. Und dass ich wirklich speculire, zeigt gegenwärtiger Brief, mittels dessen ich Sie für das Oppositions Blatt gewinnen mögte. Könnte Ihnen der Plan gefallen und erlaubten Ihre anderen Geschäfte dass Sie Sich dafür intereßiren könnten, so würde es mich herzlich freuen. Sie hätten dann die Güte Ihre Bedin gungen für unser Comptoir mir mitzutheilen. Die Redacteurs sind recht tüchtig!

Leben Sie recht wohl und erhalten Sie mir Ihr Wohlwollen! Mit Hoch achtung und Ergebenheit

der Ihrige Froriep L

Zitierhinweis

4311: Von Ludwig Friedrich von Froriep. Weimar, Freitag, 29.11.1816, ediert von Sarah Schmidt und Simon Gerber. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0007474 (Stand: 26.7.2022)

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