Liebster Graf wenn ich Ihnen so ewig lange nicht geschrieben habe: so lag die Schuld größtentheils darin, daß ich von meinen eignen Angelegenhei ten weder reden wollte noch schweigen. Mich hatten wirklich die Unan nehmlichkeiten die mir, dem Buchstaben nach wenigstens, der König selbst gemacht hatte sehr angegriffen und meine Gesundheit merklich zerrüttet. Auch war ich noch immer entschlossen die Sache ehrenthalber bei der Rükkunft des Königs wieder aufzunehmen, ohnerachtet fast alle Freunde sich dagegen erklärten, und so wollte ich lieber erst abwarten wie das ablaufen würde. Nun ist dieses alles zur Ruhe gekommen durch die Veränderung meiner Lage und ich hoffe vielleicht noch einmal aufzu leben. Nemlich Herr von Schukmann hat die auf mich gefallene und ohn ­erachtet seiner Protestation festgehaltene Wahl zum Secretar bei der phi losophischen Klasse der Akademie zur Gelegenheit benuzt | um den Kö nig zu bitten, daß er mich von den Geschäften im Ministerio dispensiren möchte da er mir sonst jezt soviel würde zu thun geben müssen, daß meine Wirksamkeit bei der Universität und Akademie darunter leiden müßte. Der König hat es bewilligt, der Minister hat sich sehr höflich das Recht vorbehalten sich meines Gutachtens zu bedienen, und so bin ich aus dem Departement, in welches Sie mich gesezt haben, wieder heraus getreten. Wenn ich sage, daß ich dabei wieder aufzuleben hoffe: so ver stehen Sie das ja nicht so als ob ich ungern im Departement gewesen wäre. Ich kann mir vielmehr das Zeugniß geben daß ich mit Lust und Liebe gearbeitet habe und daß ich auch ein gutes Element gewesen bin. Aber theils gab man mir wenig eignes zu thun, und ich konnte also auch nichts bedeutendes durchbringen; theils war mir auch wirklich bange, es könnte nun der bei der Vermehrung der Geschäfte zu viel werden als daß ich auf meine Professur noch denselben Fleiß wenden könnte. Und so bin ich mit der Veränderung ganz zufrieden, bei der, wie Einige meinen, ich aber nicht behaupten kann, Herr von Schukmann | es eigent lich sehr übel mit mir gemeint hat. Ich hoffe nun um so sicherer wie ich mir ohnedies versprochen hatte im Lauf dieses Jahres meine Ethik fertig zu machen, wenn der gute Einfluß den die vorjährige Badereise auf meine Gesundheit gehabt hat noch einigermaßen vorhält.

Ihre lezte politische Laufbahn liebster Graf ist auch nicht immer mit Rosen bestreut gewesen. Indeß Sie haben Sich den Beifall Ihrer Provinz erworben, und das muß Sie über alles andere beruhigen.

Graf Helvetius ist grade zurecht gekommen um meiner Frau Geburts tag durch seine Anwesenheit zu verschönern aber da er schon Morgen früh reiset, so ist mir nur eine mitternächtliche Minute geblieben um Ihnen ein Paar Zeilen zu schreiben. Gott sei Dank er hat uns alle wohl und heiter gefunden. Möge er uns eben so gute Nachrichten von Ihnen zurükbringen. Meine Empfindungen über die lezten politischen Ereignisse drücke ich Ihnen nicht aus, zumal man neuerdings sagt es sei alles in Wien wieder umgeworfen worden. Dann müßten die Leute sich doch schämen über die 5 Monate die sie in Wien zugebracht. Früher oder später wird es Gott schon | bessern.

Unsere Freundin hat Ihnen selbst geschrieben. Ich kann Ihnen sagen sie hat jezt eine recht schöne heitere und fleißige Zeit, besucht uns ziemlich fleißig, und wird nun auch im Sommer draußen unsere nahe Nachbarin. – Der Tod unseres lieben Wedeke hat mich recht tief bewegt. Es war ein seltener und von Gott sehr begnadigter aber auch sehr geprüfter Mensch

Nun leben Sie wohl liebster Graf. Gott gebe Ihnen recht viel Freude und Segen. Und behalten Sie uns auch lieb.

Ihr herzlichst treuer ergebner Schl.

Berlin d 6t. Mrz 1815.

Zitierhinweis

4116: An Alexander Graf zu Dohna-Schlobitten. Berlin, Montag, 6.3.1815, ediert von Sarah Schmidt und Simon Gerber. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0007460 (Stand: 26.7.2022)

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