Dienst d 23t. Merz

An Ihrer früheren Thätigkeit in Königsberg mein theuerster Graf und an dem schönen Erfolg derselben habe ich die herzlichste Freude gehabt. Gewiß, Sie müsen ein großes und sehr erhebendes Bewußtsein davon in Sich bewahren. Ohnstreitig verdanken wir der Yorkschen Convention und der Art, wie diese in Preussen ist aufgenommen worden, die ganze schöne Wendung, welche unsere Angelegenheiten genommen haben. Hätte sich die Nationalstimme über jene That nicht so entscheidend und kräftig dort ausgesprochen, so würde sie schwerlich diese Folge gehabt haben und wohl Ihnen daß Sie dazu so schön mitwirken konnten. Zu ihrem gegenwärtigen Verhältniß weiß ich noch nicht was ich sagen soll. Die Provinz wird eine große Freude daran haben und dies Bewußtsein konnte viel beitragen Sie zu bestimmen, auch denken Sie gewiß nicht daß ich der kleinlichen Meinung bin wer Minister gewesen dürfe nicht wieder Präsident werden. Aber einerseits wenn ich das Verhältniß, um es gelinde zu sagen der Chicanibilität bedenke in welches Sie | gegen die DepartementsChefs treten, und andrerseits wie nahe es lag eben wegen des Einflusses den Sie auf dem Landtage gehabt haben Ihnen die Functionen des CivilGouverneurs zu übertragen: so weiß ich noch nicht was ich sagen soll. Indessen kommt soviel auf die Umstände und die näheren Modificationen an daß ich mich gern bescheide. Wenn sich aber ein Gerücht bestätiget das sich gestern verbreitet hat daß Beguelin Finanzminister geworden sei so hoffe ich daß nicht nur Sie gleich wieder niederlegen son- dern auch daß sich ein Verein aller rechtlichen Staatsdiener jenes Fachs bilden wird um dem König gegen diese Gräuelthat die stärksten Vorstellungen zu thun. Ueberhaupt soviel Freude man haben kann daß endlich die Hauptsache geschieht so sehr wird sie gestört durch die unübertrefliche Abscheulichkeit und Hülfslosigkeit der Administration und durch die Langsamkeit und die einzelnen aber unzähligen Verkehrtheiten auf der militärischen Seite. Ueber lezteren scheint mir am allergefährlichsten daß man wieder die persönlichen Umgebungen des Königes ganz vernachläßigt oder vielmehr auf das verderblichste zusammensezt. Man überläßt ihnen Knesebek und Ancillon die ihm um die Wette den unüberwindlichsten Wider | willen gegen jede politische Regeneration einflößen und ihn, jemehr die Sachen diese höchst nothwendige Wendung nehmen, um desto mehr zu geheimen Machinationen und Unterhandlungen verleiten oder wenigstens empfänglich dafür machen werden, und Bonaparte wird gewiß nicht unterlassen dies auf das Beste zu benuzen. Und wie kann unser herrlicher Scharnhorst glauben seiner Position auch nur auf Eine Campagne sicher zu sein wenn er selbst vom König entfernt und dieser dagegen in Knesebeks  über der Zeileund Ancillons Händen ist. Den so umgebenen König sollte man doch ja wenigstens überall mitnehmen und auf das genaueste unter Augen halten. Wären diese unseligen Dinge nicht die einem überall so nahe unter die Augen treten so müßte man doch in Freude und Wonne vergehn über die so herrlich sich entwikelnde Zeit, die auch Menschen welche schon ganz hofnungslos waren einen neuen Geist einhaucht



Ich wurde unterbrochen und konnte am vorigen Posttage nicht wieder zum Schreiben kommen. Seitdem hat sich manches verändert. Der König ist gekommen und mit ungeheurem Jubel und mit großer militärischer Pracht empfangen worden. Heute marschiren die Truppen, Morgen ist die religiöse Feier des Durchzuges und des Kriegsanfanges, Alles ist im höchsten Enthusiasmus und hoffentlich wird nun endlich bald der Kriegsschauplaz jenseits der Elbe sein. Sie sind CivilGouverneur geworden wie ich es gewünscht habe. Danken Sie nur Gott daß Hardenberg Ihnen nicht dieselbe Avance machen konnte die er dem armen Sack gemacht hat. | Den hat er sizen lassen ohne die Instruction über die Landwehr, endlich schikt er sie – nicht ihm sondern Herrn von Bassewiz zu und schreibt ihm dabei „so ganz genau brauchte er sich eben nicht danach zu richten“. – So habe ich die Geschichte aus Niebuhrs Munde. Sack hat sich zum Glük nicht dadurch irre machen lassen sondern seit Gestern werden schon recht emsig die ersten Einleitungen gemacht. Ancillon liegt hier und speit Blut muß also zurükbleiben. Andere sagen das Blutspeien wäre nur ein accidens und er solle nicht mit, was ich aber nicht glaube.

Graf Fabian ist denn auch hier gewesen und geht diesen Abend fort. Der Arme leidet noch immer an seiner Wunde, sieht aber äußerst gesund aus und ist stark geworden im Gesicht wenigstens. Aber wie bedaure ich die armen beiden Brüder Friz und Helvetius und ihre Genossen alle bei der deutschen Legion, die nun die lezten werden, und schlecht belohnt für den reinen und muthigen Sinn mit dem sie jenen Entschluß gefaßt.

Über mich lieber Graf hätte ich Ihnen noch viel zu antworten auf meinen über den ursprünglichen Text geschriebeneinen früheren Brief. Wie man über meine Dunkelheit auf der Kanzel klagen kann begreife ich nicht, man hat vielmehr immer über meine zu große Klarheit geklagt. Auf dem Katheder ist es so und wird auch immer so sein daß der Anfang meiner Vorlesungen immer sehr schwer ist. Das ist die Prüfung, wer dabei ermüdet dem kann ich nicht helfen: je mehr das Gebäude in die Höhe steigt um desto klarer wird Alles. Das haben mir vielfältig aufmerksame Zuhörer auch von mittelmäßigen Fähigkeiten versichert, und diese Methode hängt so genau mit der Natur meines ganzen intellectuellen Strebens zusammen daß ich nichts darin ändern kann. |

Was die Darstellung des theologischen Studiums betrift so weiß ich recht gut daß bei Hofe darüber geklatscht worden ist; daß meine dortigen Freunde es mit den gehörigen Anmerkungen begleitet dem Könige in die Hände gespielt haben und daß dieser gesagt hat gelehrte Leute bei der Universität sollten doch verständlicher schreiben. Aber ein Handbuch ist nur für die Zuhörer denen es in den Vorlesungen erklärt wird, es soll grade ihnen die Sachen vorher unverständlich machen die sie leider großentheils immer schon zu verstehen glauben und soll ihnen hernach dienen um an jeden Paragraphen eine Masse von Erinnerungen anzuknüpfen. Diesen Vorwurf also liebster Graf sehe ich als gar keinen an. Ich verspreche Ihnen auch, daß wenn ich je wieder über einen einzelnen Gegenstand schreibe, wie das über die Universitäten, ich auch vollkommen eben so populär schreiben will: soll man aber auf wenigen Bogen ein großes Gebiet umfassen wie das bei den Handbüchern über die Ethik und Dog- matik an denen ich jezt arbeite auch der Fall sein muß: so kann es nicht so glatt abgehn.

Wie es mir diesen Augenblik geht muß ich Ihnen auch berichten. Für die Universität wird diesen Sommer wenig oder nichts zu thun sein, und diese Aussicht hat die ohnehin schon sehr große Lust für jezt lieber auf andere Art wirksam zu sein gewaltig erhöht. Ich habe schon früher an Scharnhorst geschrieben daß er ganz über mich disponiren könne und daß ich nur seinen Wink erwarte habe aber keine Antwort darauf erhalten. Ich bin nun so unverschämt gewesen ihm noch einmal zu schreiben, daß es keine | Wirksamkeit gebe die ich mir ausdrüklich ausbitten könnte als die eines Feldpredigers, daß ich mir aber als bloßer reformirter Feldprediger sehr unnüz vorkommen würde, da jede Brigade doch ihren eignen hat wenn ich nicht noch irgend wie anders könnte nebenbei beschäftiget werden. Ich habe ihn gebeten wenn er diesen Gedanken zu realisiren wisse: so möchte er mich nur ein Wort wissen lassen, ich wollte dann augenbliklich mein Gesuch einreichen. Von Thiele weiß ich vorläufig, daß dieses noch stattfindet, indem es noch an reformirten Feldpredigern fehlt. Ob es aber mir gewährt werden würde ist eine andre Frage. Unter den Nebenbeschäftigungen habe ich mir gedacht Correspondenz führen oder Redaction von Nachrichten oder irgend etwas auf die Organisation oder Administration der Provinzen sich beziehendes. Denn bei der Gewöhnung an eine so vielseitige Thätigkeit würde ich mir als bloßer Feldprediger zu müßig vorkommen und würde doch nicht fähig sein litterarische Arbeiten dabei zu betreiben. – So steht die Sache. Ich will mich sehr freuen wenn ich in einigen Wochen mein Bündel schnüren kann; ist es aber nur erst entschieden daß man mich draußen nicht brauchen kann oder will so will ich mich auch ganz ruhig fügen und den Sommer aufs Beste zu benuzen suchen

Unsere Freundin ist ganz wohl und grüßt Sie herzlich. Sie ließ Ihnen gratuliren zur Präsidentschaft weil Sie doch nun können zum Minister avanciren. Die Meinigen empfehlen sich Ihnen aufs herzlichste so wie ich Sie bitte mich den Ihrigen in gnädiges Andenken zurükzurufen. Gott sei mit Ihnen und mit allen unsern Wünschen.

Schleiermacher.

B. d. 27t. Merz

Uebermorgen werden unsre guten Wünsche besonders bei Ihnen sein

Zitierhinweis

3838: An Alexander Graf zu Dohna-Schlobitten. Berlin, Dienstag, 23.3. bis Sonnabend, 27.3.1813, ediert von Sarah Schmidt und Simon Gerber. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0007456 (Stand: 26.7.2022)

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