Cassel den 28ten Juny 15.

Wunderbar sind die Wege des Herrn, lieber Schleiermacher als ich Ihnen kurz vor meiner Abreise schrieb wußte ich noch kein Wort von dem was denselben Abend geschehen sollte und wovon ich heute schreiben will. Den selben Abend nemlich um 10 Uhr habe ich mich urplötzlich in einen glüklichen Bräutigam verwandelt, und sechs Stunden nachher saß ich zu Pferde und reite nun in die Welt hinein. Wie gefallen Ihnen diese Streiche, lieber Schleiermacher mir ist dabey so wunderlich daß ich noch darüber zum Narren werde. Schon lange trug ich natürlich etwas mit mir herum, indeß früheres Unglück hatte mich schüchtern gemacht und war dem Juden zu vergleichen der die letzte Tasche worin das Geldstück etwa noch stecken könnte nicht untersuchen wollte um nicht die letzte Hofnung zu verlieren. So kam der Krieg, mit gewohntem etwas dummen Enthusiasmus meldete ich mich und nun fingen Vernunft und Verstand ihr albernes Geschwätz an, daß es doch gar zu thöricht sey ein Verhält niß in dem Augenblick anzuknüpfen da man es auf höchst unbestimmte Zeit wieder trennen müsse und was diese Herschaften denn sonst wohl zu schwatzen pflegen. Der liebe Gott hatte es aber anders und besser mit mir gemeint. Ich war den Abend vor der Abreise dort, und verbarg mein Herzweh hinter einer wunderlichen Lustigkeit, aber das wollte beym Weggehen nicht Stich halten und so ging ich nicht weg, vor 4 Uhr Mor gens nemlich und bin nun der glücklich unglücklichste närrischste Bursch in der Armee. Noch vor wenig Tagen zitterte ich zu spät zu kommen und jetzt möchte ich vor Freude weinen, daß die Leutchen da draußen ihre Sachen so gut machen und mir vielleicht die lächerliche Rolle zutheilen mit trocknem Maule wieder heim zu reiten. Amen fiat. Es soll eben hier eine Staffette angekommen seyn die bemeldet der Satan sey von seinen Leuten ermordet, das ist nun freilich | 82v noch nicht das Ende indeß doch ein hübscher Anfang dazu. Ich erinnre mich daß Sie mir einmal bey einer gleichen Veranlassung schrieben, es fehle auch nicht an dem Pfahl im Fleische. Dafür hat nun der liebe Gott auch bey mir reichlich gesorgt: vor einigen Tagen bin ich mit dem Pferde zusam mengestürzt und habe mir den rechten Fuß so geschlagen daß ich viel leicht noch ein Paar Wochen an den Krücken gehen muß: ich versichre Sie daß dies unter allen Umständen vielleicht lästig bey mir aber jetzt ganz unausstehlich ist. Indeß gewinnt meine liebe Lotte offenbar dabey, da ich jetzt das Zimmer hüten muß, so weiß ich mir nichts bessres als Schreiben, was denn auch fleißig getrieben wird. Da fällt mir eben ein daß Sie auch wohl wissen möchten wer diese Lotte ist, es ist die Tochter des ehemaligen Professors Junker in Halle, ihre Mutter ist die Direktor Pollau. Bekomme ich nun nicht nächstens eine fein zierliche Gratulation von Ihnen, so mögen Sie Sich nur in Acht nehmen. Ernstlich lieber Freund, es war die höchste Zeit, daß sich der Himmel meiner annahm; ich stand auf dem gefährlichsten Punkte einem Glüke für immer zu ent sagen wonach ich doch Zeitlebens mich gesehnt hatte.

Sagen Sie es vor allem Carolinen; ich kann nicht an Sie schreiben und mag auch nicht ihr einen Brief schreiben den sie vielleicht Schede nicht gern zeigte. Ein andermal mehr theuerster Schleiermacher heut habe ich noch mehr zu schreiben. Ich grüße herzlich die lieben Frauen, Reich hardts, Reimers. Schreiben Sie mir bald. Ad. Cavallerie des 4ten Armee Corps. Gott behüte Sie und führe mich bald heim: ich denke es soll ein gutes Leben geben. Gott befohlen.

Blanc

P.S. Heut früh ist durch einen Kurier an den Kurfürsten die bestimmte | 83 Nachricht eingelaufen daß Napoleon den 23ten abgedankt. Carnot, Fou ché und Coulincourt an der Spitze der Regierung stehen.

Zitierhinweis

4148: Von Ludwig Gottfried Blanc. Kassel, Mittwoch, 28.6.1815, ediert von Sarah Schmidt und Simon Gerber. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0007444 (Stand: 26.7.2022)

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