Halle den 6ten März 15.

Ich weiß nicht soll ich Ihnen Glück wünschen oder nicht, theuerster Freund, daß Sie aus dem Department getreten, wie Schede an Wucherer geschrieben: denn wenn es mir Ihrer Gesundheit, Ihrer Muße und Ihrer Arbeiten wegen lieb ist, daß Sie, doch gewiß zum Theil ziemlich geistlose Geschäfte losgeworden, so ist es von der andern Seite traurig, wenn ich vermuthen muß, daß diese Veränderung vielleicht nicht ganz freiwillig und irgendwie mit Ihren Händeln mit Schukmann zusammenhängt, und Sie vielleicht nur einem biegsamern Platz gemacht haben. Ist diese Ver muthung gegründet so vermehrt sie um vieles meine Besorgnisse wegen unsrer nächsten Zukunft. Scheint sich doch überall, in der Politik ganz augenscheinlich, eben so aber auch in der Administration, eine erbärm liche Mattigkeit an die Stelle lebendiger Ideen und Thaten zu drängen. Was soll man zu dem Seelenvertauscher und verkäufer Wesen in Wien sagen, welches man uns, beinahe mit Hohn, als das Resultat eben derje nigen Ideen aufstellt welche dadurch mit Füßen getreten werden. Mir fängt an gewaltig vor einem westphälischen Frieden zu bangen, und wenn jener gleich die Vernichtung ständischer Verfassungen in vielen Ländern zur Folge hatte, der jetzige aber sich damit breit macht sie wieder ein zuführen; so scheint mir wenigstens die Auflösung der Städte Verfassun gen wovon man jetzt viel spricht, eben kein erbaulicher Anfang zu jenen Einrichtungen zu seyn. Neulich habe ich hier ein eben nicht angenehmes Exemplar der vornehmeren Berliner Geschäftsleute, den Geheimen Fi nanzRath von Köpken kennen gelernt der mir in seiner Art beinahe ein Gegenstück zu den Pirch's und Consorten im Militair zu seyn schien: wenn solche Geister viel sind, so wird der Kampf im Innren schwieriger und länger seyn als der mit dem äußern Feinde gewesen. Täglich über zeuge ich mich mehr von der Richtigkeit eines Steffens'schen Vergleichs, wonach die Franzosen mit ihrer einseitig vollendeten Betriebsamkeit die Insecten, die Deutschen aber die abweichenden Instincte der Säugethiere darstellen: leider giebt es unter den letzteren aber auch viel Hunde, Esel u.s.w. | 79v – Seit einiger Zeit habe ich angefangen mich, und zwar in Bezie hung auf einen bestimmten Gegenstand, mit den älteren Kirchenvätern bekannt zu machen. Ich sehe aber daß ich das Ding noch nicht verstehe. Es ist mir unmöglich mich auf Einen Gegenstand zu beschränken, es kommt mir so vieles vor was mich interessirt, daß ich halb mit Neugier, theils auch wegen der unerwarteten Treflichkeit einiger Schriften, mehrere derselben ganz gelesen. Dabey kommt man freilich nicht rasch vorwärts aber man lernt doch etwas. Wären die Ausgaben nur nicht so ganz ab scheulich! Was halten Sie davon?

Ob ich je nach Berlin komme wissen die Götter, wenigstens wäre es der einzige Ort den ich gern mit Halle vertauschte: am liebsten wäre mir wenn die gewiß in vieler Hinsicht zweckmäßige Einrichtung getroffen werden könnte, daß man einen Prediger den man ökonomisch verbessern will, diese Verbesserung statt ihn zu versetzen, an Ort und Stelle zukom men ließe, so daß die Gehalte mehr von den Personen als von den Stellen abhingen. Sonst habe ich, nach der Art wie die Sachen in der Welt gehen, ziemlich vieles was mich zu einer Versetzung nach Berlin qualifizirt, be sonders seitdem ich das eiserne Kreutz erhalten habe.

Marheinecke's Aphorismen habe ich gelesen, sie gefallen mir ihrer et was affectirten Wissenschaftlichkeit und ihres ganzen Tons wegen eben nicht besonders, aber eine so elende Rezension wie die von Wegscheider haben sie doch nicht verdient. Ueber die ganze Cultus Angelegenheit habe ich einigemal mit Niemeyer gesprochen: hierin wie in allem was die öf fentlichen Angelegenheiten und den Geist der Zeit betrift, blickt bey dem guten Manne die gekränkte Eitelkeit hervor, die es schmerzlich empfin det, daß sie nicht mehr, wie vielleicht früher, zu den Stimmführern ge hört. Er sieht überall nur unübersteigliche Hindernisse, kann gar nicht begreifen, nicht verstehen, bittet um Erläuterung der einfachsten Dinge um dann eine eiskalte triviale Einwendung zu machen.

Wissen Sie denn gar nichts von Steffens? ich kann keine Antwort von ihm erhalten und fürchte sehr, daß es ihm nicht wohl geht. Dieser Feldzug ist weder für seinen Geist noch für seine Verhältnisse heilsam gewesen. | 80 Wie wenig kennen Sie doch solche Leute wie Pirch! einen feinen zierli chen Brief voller Artigkeit und Dank hat er mir für meine Rede zugesen det: die Gelegenheit mir Eins zu versetzen, wird schon einmal kommen denkt er. Er hat einmal erklärt: nun kenne er schon 2 Prediger die er nicht wieder hören möge: Eylert und mich; welches nur das tertium compara tionis seyn mag?

Nun einen schönen guten Morgen, lieber Schleiermacher und viel herz liche Grüße an die lieben Hausgenossen und an Schede's. Sie haben ja jetzt mehr Muße und müssen daher fleißig schreiben; wie gern käme ich einmal hinüber wenn das Geld nicht so knapp wäre.

Leben Sie wohl Blanc

Zitierhinweis

4117: Von Ludwig Gottfried Blanc. Halle, Montag, 6.3.1815, ediert von Sarah Schmidt und Simon Gerber. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0007440 (Stand: 26.7.2022)

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