Halle den 21tn Dezemb. 14.

Meinen letzten Brief werden Sie wohl zu spät erhalten haben als daß Sie hätten zu meiner nun doch erfolgten Befreiung mitwirken können. Das Departement hat sich selbst besonnen und schon seit 3 Wochen bin ich hier. Auch meine Geschichte mit Offelsmeyer ist abgemacht und zwar sehr zu meiner Zufriedenheit wofür ich Nikolovius sehr dankbar bin. Ich habe noch zuletzt, weil aus dem Schreiben des Departements hervorging daß Offelsmeyer nicht strenge Wahrheit, zu deutsch Lügen berichtet hat te, mir die Freiheit genommen den Herren die Sache zu sagen wie sie ist, worauf nun seit 4 Monaten weiter nichts erfolgt ist.

Meine erste Lectüre hier sind Ihre Predigten gewesen von deren Er scheinung ich nicht eine Sylbe gehört hatte. Es ist mir nur fatal darüber zu schreiben, ich möchte Ihnen bloß um den Hals fallen und Ihnen meine herzliche Liebe und meinen Dank dafür sagen. Sie gefallen mir weit bes ser noch als die beyden ersten Sammlungen. Jenen sieht man es dünkt mich an daß sie hier und dort ohne bestimmte Beziehungen gedacht und gesprochen worden, daher erscheinen sie mehr in Form von Abhandlun gen: diese aber sind wahre und eigentliche Predigten von einem Prediger zu seiner Gemeinde gesprochen, daher kürzer, einfacher, ohne an Gründ lichkeit zu verlieren, wahre Ausflüsse eines christlichen Zusammenlebens. Bey den früheren erschwert zuweilen die Masse und der Reichthum der Anschauungen, für den Ungeübtern selbst die Sprache, das Auffassen; hier erstaunt man über denselben Reichthum aber er ist weiser und licht voller vertheilt und ohne daß die Sprache an Leichtigkeit, ich möchte beinahe sagen Vertraulichkeit, verlöre ist alles bewunderungswürdig zu sammengedrängt. Sie haben bisher so schön Wort gehalten, möchten Sie nun auch recht bald mit den Festpredigten Wort halten. Einen Anfang dazu muß Ihnen ja die Pischonsche Sammlung schon liefern.

Ich wollte ich könnte ebenso unbedingt einstimmen in das Lob einer andern Schrift die zwar Ihren Namen nicht, wohl aber das unverkennbare Gepräge Ihres Geistes trägt. Es hat Ihnen beliebt hier anonym zu bleiben, wie, merkwürdig genug, bey den Gutachten, bey den Briefen über die JudenAngelegenheit; so ist es denn freilich nicht zu verlangen daß Sie Sich irgend wie dazu bekennen, dann aber erlauben Sie mir auch Ihnen von jenem Schriftsteller zu sagen | 76v daß so sehr ich seinen Scharfsinn, sein überaus gegründetes Urtheil über die erste Ankündigung jener Sache, sei ne Vorschläge billige und zum Theil bewundere; so wenig bin ich mit dem Tone des Ganzen zufrieden. Wohl mochte die bekannte Persönlichkeit jener Commissarien ein mitleidiges Lächeln auf seine Lippen rufen, aber eben wenn es den Kampf gegen eine Persönlichkeit gilt, müßte auch, nach meiner Ueberzeugung, die Person deutlich hervortreten. Indeß trösten Sie Sich nur über die Folgen. Aus einem Briefe Sacks an Niemeyer geht her vor, daß die guten Leute wirklich einsehen, daß mit ihrer liturgischen Weisheit nichts ausgerichtet wird, wenn nicht eine ordentliche Verfassung nicht eine einmalige Flickerey sondern ein fortschreitendes Leben ver spricht, nur wissen sie freilich nicht wie sie das Ding anfangen sollen. Meine beyden Collegen hatten vor meiner Ankunft ein Gutachten einge sendet, welches Sie in der Hallischen Literatur Zeitung abgedruckt finden und forderten mich auf was ich im Gespräch mit ihnen über diese Ange legenheit geäußert ebenfalls aufzusetzen. Das ist geschehen und an Sack gesendet worden. Die HauptSache die nach meiner Ansicht bewirkt wer den muß ist: eine freie, selbstständige Synodal Verfassung der Kirche und eine nur daraus mögliche strengere Aufsicht auf Candidaten Geistliche und einige Theile des Schulwesens; das übrige sind unbedeutende Vor schläge über GesangsVerbesserung, Wiedereinführung der Bibel in Schu len, Feyer des Sonntags u.s.w. Ich hoffe daß der erste Punkt von so vielen Seiten in Anregung kommen und überdies mit dem ähnlichen allgemeinen Wunsche wegen der StaatsVerfassung so glücklich zusammentreffen wird, daß auch die Widerstrebenden werden unwillkührlich mit fortgerissen werden. Besonders stark habe ich mich, wie auch Rienäcker gegen das Katholizisiren und gegen das närrische Beginnen erklärt die Kirche zu einem Schauspiel zu machen, auch gradezu gesagt: es sey nicht wahr daß das Volk eine Veränderung des Cultus wünsche.

Von meinen militairischen Leben und Thaten einmal mündlich: von meinem Prediger hier ein Pröbchen, welches ich auf Antrieb einiger Freunde den Leuten zum Weihnachten schenken will. Ein Nebengrund zum Abdruck grade dieser Rede war auch der, daß der General Pirch 2. der jetzt, Gott sey's geklagt, das Yorksche Corps commandirt, an dieser Rede Anstoß genommen und sich heimlich beklagt daß man so etwas nicht schwarz auf weis habe um nöthigenfalls den Hern Verfasser darüber zur Rede zu stellen. Nun soll er es schwarz auf weiß mit der nächsten Post, nebst einem zierlichen Briefe erhalten. Als zweiter Nebengrund, warum grade diese Rede abgedruckt worden, mag auch der gelten | 77 daß ich eben keine andre aufgeschrieben habe, und auch diese nur, nach dem Gottesdienste auf Bitten des anwesenden östreichischen Generals Des fours niedergeschrieben habe.

Beyliegend erfolgt auch noch der Homer den Sie mir vor einem Jahre mitgegeben, und der Ueberbringer nimmt auch wohl die seidnen Hosen die ich zurückgelassen wieder mit, wenn sie noch am Leben sind.

Haben Sie wohl Stollberg und Thadden kennen gelernt? ersterer muß bey Niebuhr wohnen. Nicht wahr das sind ein Paar wackre Jungen?

Wie gern wäre ich statt dieses Briefes selbst nach Berlin gereist, aber fürs Erste bin ich gebunden. Ich erwarte täglich Münchow zum Besuch auf einige Tage. Er würde sehr glüklich in Jena leben wenn er nur etwas mehr zu leben hätte. Sollte denn gar keine Aussicht für ihn zu einer An stellung in Berlin seyn? Auch Halle bedürfte seiner, wie es denn in allen Facultäten bey uns traurig aussieht. Süvern sollte ja schon vor einem Jahre die Leitung der hiesigen gelehrten Anstalten erhalten, soll denn gar nichts für uns geschehn?

Es wird so dunkel daß ich schließen muß. Leben Sie wohl, lassen Sie mich durch Münchow die angenehme Nachricht hören, daß die Badereise Ihnen treflich bekommen, aber noch besser schreiben Sie es mir selbst. Ich grüße herzlich die Hausfrauen, Caroline und alle Freunde.

Blanc

Zitierhinweis

4103: Von Ludwig Gottfried Blanc. Halle, Mittwoch, 21.12.1814, ediert von Sarah Schmidt und Simon Gerber. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0007438 (Stand: 26.7.2022)

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