H. Prof. Schleiermacher. / Hochwrd Berlin. [pag. 1]

Weimar d. 24n. Jan. 1812.

Ich muss beyliegenden Brief meines Schwiegersohnes, des Herrn Professor Froriep, an Eur. Hochwürden nothwendig mit einem Paar Zeilen begleiten, um einen unangenehmen Zufall, der sich ohne mein Verschulden damit zugetragen hat, zu entschuldigen. Herr Professor Froriep schrieb mir nemlich vorgestern über den durch Eur. Hochwürden erhaltenen Ruf nach Breslau, und daß und warum er denselben habe ablehnen müßen, und bath mich beyliegenden Brief so schnell als möglich an Sie nach Berlin zu befördern. Ich schickte ihn daher mit andern Briefen meines Comptoirs gestern Abend auf die Berliner Briefpost, und heute wird er mir, zu meinem grossen Verdruße, in diesem Zustande und erbrochen wiedergebracht, weil er so in der untern Galerie meines Haußes gefunden worden sey. Ich habe aller darüber angestellten Untersuchung ungeachtet nicht entdecken können wie dieß zugegangen ist. Vermuthlich hat ihn der | 2 Comptoir-Diener, der ihn auf die Post tragen sollte, aus der Brieftasche noch im Hauße verlohren, ein indiscreter Finder ihn erbrochen, und ihn wieder hingeworfen, weil er ihn nicht abzuliefern wagte, und so kam er, zum Glück, noch wieder in meine Hände, und ich kann Ihnen denselben überschicken. Es ist nur gut daß er nicht ganz verlohren gieng, wodurch sowohl Sie, verehrtester Freund, als auch Froriep und ich in große Verlegenheit gerathen seyn würden.

Ich kann die Gründe, aus welchen mein Schwiegersohn den würklich sehr vortheilhaften Ruf nach Breßlau verbitten muß, keineswegs mißbilligen. Er hängt leidenschaftlich an seinem neuen Fache, der Anatomie, die er mit dem besten Erfolge betreibt, mit welcher er aber noch nicht fertig ist, und welche er nun bey seinem neuen | 3 Rufe wieder gänzlich fahren laßen müßte. Bedenckt man überdieß die höchst unsichere Lage jener Länder wegen eines drohenden Krieges, und die Kosten und Umwege der vierten Ortsveränderung und eines so weiten Fortziehens in so kurzer Zeit, so ist ihm sein Entschluß in Tübingen zu bleiben, keinesweges zu verdenken.

Ich freue mich sehr über die guten Nachrichten die ich von dem Fortgange der Berliner Universität höre; denn ich kann nicht leugnen daß ich selbst noch, als ein alter Hallenser, die wärmste Vorliebe und Anhänglichkeit für die Preußischen Musen habe. Möchte uns doch der Himmel nur einmal wieder dauerhaften Frieden und Ruhe gewähren, daß man wüßte wie und wohin man arbeiten könnte!

Ich empfehle mich Ihrem freundschaftlichen Wohlwollen, und verharre mit wahrer Hochachtung

Eur. Hochwürden ganz Ergebenster FJBertuch.

Zitierhinweis

3734: Von Friedrich Justin Bertuch. Weimar, Freitag, 24.1.1812, ediert von Sarah Schmidt und Simon Gerber. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0007421 (Stand: 26.7.2022)

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