Stettin den 6ten 8ber 10.
Liebster Bruder.
Es handelt sich wahrscheinlich um
Schleiermachers Grundheft zur Hermeneutik, ein erster Entwurf der
Druckfassung und Grundlage der Vorlesung, das sich Bartholdy ausgeliehen
und (mit einigen Korrekturen versehen) an Schleiermacher zurückgesandt
hat. Eine durch Twesten angefertigte Abschrift des von Schleiermacher
später verloren gegangenen Heftes fand sich in Twestens Nachlass und ist
in der Kritischen Gesamtausgabe veröffentlicht (vgl. KGA II/4,
S. 71-116), vgl. „Einleitung des
Bandherausgebers“, S. XXIII f.). [Schließen]
Ungeachtet des harten Trumpfs der Tollheit, den du darauf
gesetzt hast, bin ich gezwungen gewesen, die Hermeneutik so eben
ohne alles Geleite auf die Post zu schicken: ich
hoffe aber, dieser Brief, den ich ihr morgen mit der
Reitpost nachsende, wird sie noch unterweges einhohlen,
oder wenigstens mit ihr zugleich abgegeben werden.
Es ist mir schwer geworden, mich von ihr zu trennen,
da ich sie seit der Reise noch gar nicht wieder
ansehen konnte, und noch nicht einmahl sie cursorisch zu
Ende gebracht habe, obgleich ich mir schon für die
zweite statarische Lesung die Freiheit genommen
hatte, einige Interpunctionszeichen
beizufügen, oder einige unleserliche
Buchstaben zu verdeutlichen: ich will sehr
wünschen, daß mir dabei nicht das gewöhnliche Loos der Kritiker
gefallen ist, sie durch meine Konjecturen und
aufgenommenen Les-Arten ihrem Verfasser
unverständlich gemacht zu haben. Mein einziger Trost
bei dieser Trennung ist, daß ich gewiß hoffen darf,
sie verklärt wieder zu sehen, was auch ungläubige
Zweifler gegen die persönliche
Unsterblichkeit für Bedenken haben
mögen.
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Vgl. Brief
3490. [Schließen]
Die Zurücksendung meines Teplitzer
Briefes hättest du wohl füglich ersparen
können;
Sachanmerkung:
denn ... an Zeit.]
Bartholdy bat
Schleiermacher in seinem Brief vom 30. 8. 1810, ihm einen aus Teplitz
geschriebenen Brief als Abschrift zurückzusenden, in dem er seine
Gedanken „über den naturwissenschaftlichen Unterricht der Deputation“
skizziert habe und der ihm als Grundlage für einen Aufsatz dienen
sollte, der der
Wissenschaftlichen Deputation
bei der Erstellung des Lehrplanes dienen sollte, vgl. Brief
3490 und Brief
3499.
sehen] lies: sehe
[Schließen]denn ich sehen leider gar keine Möglichkeit ab, davon
Gebrauch zu machen. Als ich dich darum bat, hoffte
ich in unsern 8tägigen Michaelis-Ferien, auch zu dieser Arbeit
noch Zeit zu gewinnen; aber die Erfahrung hat auch
hier wieder eine schlechte Theorie Lügen gestraft
und mich überführt, daß die Ferien schon für das
Übrige, was in ihnen abgethan werden mußte, wenigstens
um 8 Tage zu kurz waren. Am Herzen liegt mir die
Sache noch eben so wie damals, und wüßte ich etwas
darüber zu sagen, womit ich zufrieden wäre; so
würde ich mich kaum dazu überwinden können, es zu
verschweigen: jetzt aber kann ich es
nicht weiter, als bis zu dem Vorsatze bringen, den
Brief, so bald es mir möglich ist, etwas
ausführlicher, für Mehrere lesbarer und mit den
Verbesserungen, die mir unterdessen eingefallen
sind, noch einmahl dir zuzuschicken, damit du ihn privatim
mittheilst, wo du eben es nützlich glaubst; denn
den Aufsatz soweit zu bringen, daß er der Sektion
mitzutheilen wäre, ist mir wegen der
Schwierigkeiten, die ich noch im Object
finde, eben so unmöglich wie | 12 wegen
meines Mangels an Zeit.
Einen größeren Theil derselben, und
viel mehr
Anstrengung, als ich geglaubt habe, kostet mir der
Unterricht unsrer künftigen Lehrer für die
Industrie-Schulen. Ob ich ihn gleich mehr als
irgend einen andern bis ins kleinste detail durchgedacht
und mir jede Stunde aufgeschrieben habe; so
habe ich doch schon zweimahl den vollbrachten
Unterricht einer Stunde für die nächste noch einmahl
umarbeiten müssen; doch spüre ich schon, daß
auch hier die Übung das weitere Fortschreiten erleichtern
wird.
Vgl. Brief 3521. [Schließen]Meinen durch Bernhardi zu bestellenden Brief wird er dir wohl jetzt schon eingehändigt haben. Wie gern spräche ich jetzt ein Paar Abende mit dir bloß von der Dresdner Gallerie, ehe uns die Bilder matter werden, die ich mir seit meiner Rückkunft kaum in einzelnen Augenblicken einmahl in der Erinnerung habe auffrischen können! – Hat dir die Maria in Rotari’s Ruhe auf der Flucht nach Egypten keinen Gruß an uns mitgegeben? – Vgl. Brief 3521. [Schließen] Meine Frau habe ich durch das ihr im vorigen Briefe ertheilte Lob augenscheinlich verrufen: Sie hatte, wie ich hernach erfuhr, schon während meines damaligen Schreibens einen Anfall von Kopfweh, der äußerst heftig wurde, und hernach ein Paar mahl, doch gelinder, wiedergekehrt ist: heute ist seitdem ihr erster ganz schmerzenloser Tag. Die Hasselbach befindet sich aber mißlich: sie war während der Schwangerschaft ganz unmäßig geschwollen: der Geschwulst ist nach der Entbindung geblieben und scheint eine Art Wassersucht: dabei fehlt es ihr an Milch. Besorge gütigst die Einlage, grüße alle Deinigen und Unsrigen herzlich von uns, und schreib auch einmahl wieder an
Deinen treuen Bartoldy.
am linken Rand [Schließen]Ich habe Nicolovius neulich versprochen, mich bei dir zu erkundigen, mit welchem Titel man Berichte an die Section über- und mit welcher Formel man sie unter- und ob man sie auf einen gebrochenen Bogen schreibe. Gieb mir doch Auskunft! Zieht mir nur nichts von dem Gelde ab, das für meinen physikalischen Apparat in Umschlag gebracht ist, damit ich nicht länger meine Experimente nur an der Tafel zu zeigen nöthig habe. Von Gassens habe ich noch keinen Brief, so wie sie keinen von mir.
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