Stettin den 1ten 8ber 10.

Liebster Bruder.

Der Überbringer, Bernhardi, einer meiner bravsten und liebsten Schüler, redlich an Charakter; an Geist nicht arm, doch mehr zu gründlichem Forschen, als zum genialischen Schaffen gebohren, voll Strebens nach Deutlichkeit in Begriffen und Einsichten, mit vorzüglichen Anlagen und Übung zum Unterricht, die er auch an meinen beiden ältesten Kindern ein Jahr lang gezeigt hat, wünscht ein Paar empfehlende Worte an dich mitzunehmen, wofür du das Bisherige wohl gelten lassen wirst. Seine beschleunigte Abreise hindert mich, mehr als das Nöthigste von dem, was mir eben einfällt, hinzuzusetzen. Wie hat Euch die Reise, wie besonders Dresden gefallen? Seyd Ihr recht munter und froh zurükgekommen? – Im Lections-Katalog habe ich noch mancherlei Desideranda gefunden: habt Ihr gute Hoffnung, deren Zahl zu verringern? –

In der letzten Nacht ist die Hasselbach etwas mühsam, denn das Kind mußte erst durch einen herbeigerufnen Geburtshelfer in die gehörige Lage gewandt werden, doch sonst ganz glücklich von einem gesunden Mädchen entbunden: ich wünsche in deinem Hause baldige und leichtere Nachfolge .  | 9v Sei so gütig, bei Reimern zu meinen übrigen Bestellungen noch lies: Zeller's [Schließen] Zelter's  Carl August Zeller „Die Elemente der menschlichen Sprachzeichenlehre“ (1810) [Schließen]„Sprachbüchlein, oder die Buchstaben, Wechselsylben und Wortsylben der Muttersprache“ hinzuzufügen und ihn zuweilen für mich anzutreiben. Da es dir mit der Zeit zum Schreiben wenigstens nicht besser als mir geht; so erzähle Bernhardi'n, was er mir von dir schreiben soll. – Gegen Eure Districts-Schulen habe ich viel auf dem Herzen, wenn ich jetzt nur Zeit hätte, es gegen dich auszuschütten.

Meiner Frau ist das Bad fast noch besser bekommen, als mir. Auch ich würde mich erträglich genug befinden, wenn ich nicht mehr arbeitete, als sich mit meinem Schlafe verträgt; aber leider fängt meine dumme Schlaflosigkeit schon wieder an, mich zu quälen: bis jetzt indessen bleibt mir noch immer große Lust zur Arbeit und auch Kraft dazu; nur wegen der Dauer bin ich besorgt.

Wir grüßen Euch sämtlich, samt Euren und unsern Freunden

Dein Bartoldy

  Der Lehrplan wurde bereits vor Schleiermachers Abreise nach Dresden fertiggestellt, vgl. den Druck dieses Lehrplanes in KGA II/12, Amtliche Voten zum öffentlichen Unterricht, Votum Nr. 32. Bartholdys Beitrag zum naturwissenschaftlichen und mathematischen Unterricht, den Schleiermacher vormals anforderte (vgl. KGA II/12, Amtliche Voten zum öffentlichen Unterricht, Votum Nr. 14), wurde möglicherweise nachgereicht und entspricht der im Geheimen Staatsarchiv aufbewahrten Ausführung: „Über Stufenfolge, Methode und Umfang des mathematischen und naturwissenschaftlichen Unterrichts gelehrter Schulen“, GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt, Abt. X, Nr. 18, Bl. 81r–89r [Schließen] Wie steht's mit Eurem Normal-Plan für gelehrte Schulen?.

Zitierhinweis

3521: Von Georg Wilhelm Bartholdy. Stettin, Montag, 1. 10. 1810, ediert von Sarah Schmidt und Simon Gerber. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0007350 (Stand: 26.7.2022)

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