Heidelberg. Am 16. Sept. 10.
Vgl. Brief
3508, Brief
3513 und Brief
3503.
[Schließen]Auf zwey Briefe, mein Verehrtester, habe ich Ihnen zu antworten und
ich habe es nicht gethan, weil ich täglich noch den
dritten dazuerwartete, als Antwort auf meine schon
zu Ende des vorigen Monats erfolgte endliche
Entschließung und Erklärung.
Indessen höre ich von de Wette
, Schleiermacher reiste im September 1810 mit
seiner
Frau
, Schwester
Nanny
und
Henriette Herz
nach
Dresden
.
[Schließen]daß Sie eine Reise vorgenommen haben. Vielleicht trifft dieser Brief Sie schon wieder zu
Hause und so will ich denn auch nicht länger zaudern.
Vgl. Brief
3486.
[Schließen]In Ansehung der drey Puncte, die ich nur als Fragen Ihnen vorgelegt
habe, sollen Sie sich ja nur keine große Mühe machen: denn nur in der
Voraussetzung, daß sie Kleinigkeiten seyen in Ihren Augen,
habe ich sie Ihnen mitgetheilt. Der eine in Betreff des
Gehalts von Neujahr oder Ende Januar an war ja offenbar nur
aus Fürsorge und zur Sicherheit meines Unterhalts
ausgesprochen und ganz ohne Bedeutung für den Fall, daß ich
hier meinen Gehalt bekommen würde bis zu Ende Aprils: denn
Sie trauen es mir gewiß nicht zu, daß ich mich an zwey
verschiednen Orten der Welt zweimal würde bezahlen lassen.
Ich werde es nun bald an de Wette, wenn
er abgeht, erleben, ob man ihm das lezte Quartal
verweigert, oder nicht und hoffen oder fürchten,
daß es mir zu Ostern nicht anders geht.
In dem Fall aber, daß ich hier zu kurz käme
und man in Berlin mir
diese Monate vergütete, würde ich denn auch allerdings
wegen des Ueberschusses, wie Sie bemerken, | 16v auf ein erhöhtes Reisegeld Verzicht thun. Aber
desto mehr ist mein Wunsch darauf gerichtet für den Fall,
daß Alles hier in der Ordnung zuginge und man
würde doch, dächte ich, in Berlin
mir umso leichter das Reisegeld um etwas
erhöhen, da dieß desto leichter von der
vierteljährigen Besoldung voraus abfallen
könnte, auf die ich sodann Verzicht gethan. Möchten Sie aber nur nicht
glauben, wie Sie scheinen, daß ich dieß gewünscht, um etwas voraus zu haben
vor meinem Herrn Kollegen;
ich habe Ihnen jenen Wunsch
ganz unabhängig davon, ohne Beziehung darauf, als eine
Sache für sich vorgelegt, über die ich selbst mit ihm
gesprochen und der Verkauf seiner Sachen hat auch
gezeigt, daß ich nicht unrecht gefürchtet hatte. Ich würde
auch einen Wunsch der Art und in Dingen, von denen
ich ohnehin nichts verstehe, gar nicht geäußert
haben, wenn ich hätte fürchten müssen, dadurch das freundschaftliche
Vernehmen im geringsten zu stören, worin ich
bisher mit meinem Kollegen
de
Wette stand, aber das ist auch wirklich nicht der Fall bey der
Aeußerung jenes Wunsches. Und eben so verhält es sich auch
mit dem Punct des Ranges: denn wenn Sie mich in irgendeinem
Stücke für einen Aufgeklärten halten, so müssen Sie es
in diesem. Eine Sache solcher Art, an sich durchaus nicht
werth, darüber ein Wort zu verlieren, wird nur dann
wichtig, wenn sie nicht in der Ordnung bleibt und
wenn sie nach Umkehrung der alten Ordnung etwas
sagen und bedeuten will.
So würde es z.B. meinem Herrn Kollegen
de
Wette gewiß ebenso sehr auffallen, als mir,
wenn unsere äußeren Verhältnisse, die seit 4 Jahren bestanden, nun
auf einmal in Berlin umgedrehet würden und wir würden beide
aufmerksam werden auf
den Grund davon.
| 17 Eine völlige Gleichstellung Aller in
einer Facultät wäre ohne Zweifel das Beste, was sich thun
ließe und Sie haben gewiß Recht, es so zu machen, wie
sich's thun läßt. Die ganze Ehre dabey wäre dann gar auf
unsrer Seite, wenn sich auch überhaupt dann von einer
Regung(?) reden ließe. Wenn aber einmal eine äußere
Rangordnung nicht zu umgehen wäre, so könnte
Niemand etwas einzuwenden haben gegen die Einrichtung, daß
der Zeitpunct des Ordinariats der
Professur zum Maaßstab genommen würde: denn so
ist es in aller Welt gebräuchlich gewesen. Mit
den Doctordiplomen der Theologie hingegen, auf die Sie
rechnen, dürften Sie leicht bey uns in einige Verlegenheit
kommen, da wir es beide hier noch nicht haben.
Als de
Wette sich für Berlin
entschieden und ich noch nicht ahndete, daß es mir auch so gehen würde,
hatte ich eben dem de Wette
erklärt, daß ich als Decan dafür sorgen würde,
daß man ihm unsererseits zum Zeichen der Achtung als
Abiturienten diese Würde verliehe und hatte
bereits das Circular an die beiden älteren Collegen
aufgesezt und versiegelt, welches de Wette
selbst gesehen und hatte die Herren ersucht, dem Friedrich Heinrich Christian
Schwarz
[Schließen]
Herrn Exdecan
aufzutragen, daß er die Operation der
Promotion an unserem Herrn Kollegen volziehen möchte.
Denn komisch genug konnte es dann wohl der zeitige Decan
selbst nicht, weil er den heiligen Geist selbst noch nicht
hatte. Zugleich hatte ich diese Würde für mich abgelehnt,
weil es sonst scheinen konnte, als suchte ich sie nur oder
doch auch für mich. Aber weil mir meine
Vocationsgeschichte dazwischen kam, so konnte
ich auch das Circular nicht ablaufen lassen und
wahrscheinlich wird man nun selbst schon auf den Gedanken
kommen, beiden zugleich das Diplom zu
geben.
| 17v
Vgl. Brief
3513.
[Schließen]Das Anerbieten, welches Sie mir in Ihrem
lezten Briefe machen, ist mir wirklich recht
wilkommen gewesen und Sie haben gewiß vollkommen
recht, wenn Sie auf meine Liebe zu dem Geschäft,
wobey Sie mich zum Gehülfen nehmen wollen, rechnen.
Vgl. Brief
3503.
[Schließen]Den Wunsch, Gelegenheit bey Ihnen zum Predigen zu
finden, wird Ihnen auch mein lezter Brief erklärt haben,
obgleich gewiß keine Unzufriedenheit darüber, daß der
academische Gottesdienst schon versehen gewesen,
was ich gar nicht wissen konnte, wäre dem auch wirklich so
gewesen. Herr Staatsrath
Uhden sagte mir nur, soviel ich mich
erinnere, man denke in Berlin auch
daran, einen academischen Gottesdienst
zu organisiren
und ich wüßte nicht
anders, als daß ich mein Vergnügen darüber bezeugt hätte.
Umso schöner ist nun, daß Sie mich wollen helfen
und mitarbeiten lassen.
Dieß Anerbieten habe ich nun gar nicht reimen
können mit einer mir von Erlangen
zugekommenen Nachricht, daß Herr Ammon auch den Ruf nach
Berlin habe, der gewiß
Niemanden, als sich, an einer solchen Universitätskirche
hätte sehen können. –
!
Gestern haben wir gehört, daß Herr Schleusner aus
Wittenberg
den Ruf erhalten und angenommen, eine Nachricht,
über die wir uns nur freuen konnten: denn wegen dieses
Mannes ist der Universität gewiß zu
gratuliren.
Meine Versuche, auf Michaelis schon meinen Abzug zu bewirken, sind ohne Zweifel vergebens, wenn man noch länger mich ganz ohne Antwort läßt auf dieß Gesuch. Ich sehe es wohl, daß ich Ostern erst die große Freude haben werde, Sie zu sehen. Lassen Sie mich darum nicht weniger Ihrer Freundschaft geniessen: denn ich habe Alles gethan, was unter diesen Umständen möglich war.
Von ganzem Herzen
der Ihrige
Marheinecke.Zitierhinweis
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