Schon lange, verehrter Freund, haben wir keine Briefe mehr mit einander gewechselt; ein Ihnen ohne Zweifel bekannter Anlaß treibt mich an, Ihnen ietzt endlich wieder einmahl zu schreiben, aber freylich nur in größter Eile, da ich den Brief noch zur Post bringen will  August Boeckh hielt im SS 1810 Vorlesungen über Griechische Altertümer, über Pindar und Tacitus.  [Schließen]und in Zeit von 20 Minuten auf den Katheder muß.

Ich habe heute eine vom Staatsrath Nicolovius unterzeichnete Vocation als ordentlicher Professor der Griechischen und Römischen Litteratur an der neuen Universität erhalten, und ihm darauf sogleich geantwortet. Ich würde diesen Ruf augenblicklich unbedingt angenommen haben da weder ich noch meine Frau gerne hier sind, und da mir nichts angenehmer seyn würde, als bey so vielen Freunden in Berlin zu seyn, und einer solchen Regierung dienen, wie ietzo die Preußische ist. Aber ich glaube mit 1000 Thaler in Berlin nicht leben zu können; und zudem würde es mir, ich gestehe es ofenherzig, etwas drückend seyn, so ohne Grund hinter meine Collegen gestellt zu seyn, da De Wette und Marheinecke, welchen 1500 Thaler geboten sind, ietzo viel weniger als ich Gehalt haben, iener nur 800, dieser 900 Fl, wogegen ich 1000 Fl habe. Man muß wohl in Berlin geglaubt haben, daß ich sehr schlecht hier gestellt sey; allein meine Einnahme ist sehr gut, und ich könnte, was diese betrifft, mich von hier gar nicht weg wünschen. Freylich vor 9 Monathen würde ich auf iede Bedingung nach Berlin gegangen seyn, weil ich damals von einer ganz andern Seite bedrängt war; ietzo gehe ich nicht aus äußerem Drang, sondern aus reiner Liebe zur Sache hin, wenn man mich meinen Collegen De Wette und Marheinecke gleich stellen will. Ich bin von Ihnen überzeugt, daß Sie gerne das Ihrige beytragen, um meinen Wunsch der Erfüllung zu nähern, und so viel ich weiß, haben  | 15v Sie auch eine Stimme. Ich bitte Sie daher um diese Gefälligkeit sehr. Große Hoffnungen mache ich mir zwar nicht; denn ich zweifle an der Erfüllung meines Wunsches darum, weil ich nicht einsehe, warum man mir nicht Anfangs dasselbe angeboten, was Marheinecken und De Wetten. Ich will es also dem Himmel und der Section anheim gestellt seyn lassen.

 Boeckh kündigte Überlegungen zu dem Timäus an, vgl. auch Brief und Brief. Es handelt sich wahrscheinlich um ein im Schleiermacher Nachlass aufbewahrtes Manuskript Boeckhs mit handschriftlichen Notizen zum Timaeus und Critias, SN 256/1, 1-9, Bl. 16f. [Schließen]Von Buttmann werden Sie wohl ein Programm über den Timäus von mir erhalten haben. Es wäre schön, wenn ich nach Berlin käme für unsere Platonica; ich würde dort wohl wieder an dem Timäus mit mehr Eifer beginnen, da ich hier vom Hundertsten ins Tausendste komme und an das, was ich zuerst vornehmen will, zuletzt.  Gemeint ist die mit Georg Ludolf Dissen besorgte Werkausgabe Pindars „Pindari opera quae supersunt“ (1811–1821). [Schließen] Diesen Winter will ich meinen Pindar drucken lassen; wenn ich freylich nach Berlin käme, so müßte ich noch eine kleine Weile länger warten oder den Verlag ändern. Ich habe viele Manuscripte und auch viele neue Notizen über die Lesearten aus Scholien. Grüßen Sie Buttmann und Heindorf von mir, auch Reimer, wenn Sie Sie sehen, und leben Sie recht wohl.

Der Ihrige Böckh.

H. d. 10. Sept. 1810.

Zitierhinweis

3512: Von August Boeckh. Heidelberg, Montag, 10. 9. 1810, ediert von Sarah Schmidt und Simon Gerber. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0007341 (Stand: 26.7.2022)

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