Heidelberg. Am 31.n Aug.

  Vgl. Max Lenz: „Geschichte der königlichen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin“, Bd. 1 (1910), S. 225: Marheineke nahm am 30. 8. 1810 den Ruf an. Eine Abschrift des Briefes von Marheineke an Nicolovius vom 30.8.1810 befindet sich im Geheimem Staatsarchiv Berlin Dahlem (I HA Rep. 76, Va, Nr. 10009, Bl. 83f). [Schließen]Wohlan denn, theurer Freund, so soll ich also nun Ihr College werden. Möge der Himmel mein Vorhaben segnen und das Ihrige mit der neuen Universität. Ich habe gestern an den Herrn Staatsrath Nicolovius geschrieben und den Ruf nach Berlin förmlich acceptirt. Wenn es zu machen ist, so komme ich noch auf Ende Octobers. Ist es aber unmöglich, so   Vgl. Brief 3492. [Schließen] mache ich Gebrauch von Ihrer Versicherung, auf die ich gebauet habe, daß ich auf Ostern sicher mein neues Amt antrete. Wie regt der Gedanke an den neuen Wirkungskreis, den Sie mir eröffnet haben, alle meine Kräfte auf und wie wohlthätig wird diese Anregung auf meine literarischen Bestrebungen besonders auf den Geist meiner mündlichen Vorträge wirken. In einem alten Gange fortgehend kommt man gar leicht mit seinen geistigen Kräften in eine gewisse Stagnation, die alles frische und kräftige Leben verbannt und gerade das am ersten vertreibt oder nicht zuläßt, was dem mündlichen Vortrage seine rechte und bleibende Wirksamkeit sichert.  Alle drei von Marheineke für das WS 1810/11 angekündigten Vorlesungen: Kirchengeschichte, Dogmatik und Homiletik sind offenbar ausgefallen, vgl. Virmond „Die Vorlesungen der Berliner Universitäten 1810-1834“ (2011), S. 5. [Schließen]Auch meine Vorlesungen habe ich bereits dem Herrn Staatsrath bezeichnet, wenn Sie wollen, können Sie die Homiletik auch weglassen. Zur Dogmatik, die mir Herr Staatsrath Uhden mündlich antrug, werde ich mich künftig nicht ungern verstehen. Bey dem Arrangement der Stunden, das ich Ihnen überlasse, wünsche ich mir nur die bestimmte und bleibende Stunde von 11–12 Uhr für die Kirchengeschichte, da  | 14v ich sie am liebsten in dieser Stunde lese. Lassen Sie mich doch ja nicht zu lange auf Antwort warten darauf, ob Sie mit meinem Verfahren zufrieden sind, in Rücksicht meines Kommens. Sie können sichs denken, daß es gewiß nicht der angenehmste Zustand ist für mich, engagirt bey Ihnen doch noch ein halbes Jahr hier zu bleiben und daß ich alle Mittel versuchen werde, meinen frühern Abschied zu bewirken.  Vgl. Brief.  [Schließen]Zu meinem großen Vergnügen würde mir gereichen, wenn Sie mir auch die drey Fragen, die ich Ihnen unlängst vorgelegt, bald beantworten wollten; auf die zweite, wel che meine Stelle in der Facultät betrifft, lege ich natürlich gar keinen Werth und sie ist mir sehr gleichgültig an sich; auch glaube ich, daß Sie es bey Ihrer Universität nicht anders halten werden, als nach der alten Ordnung, daß in dieser Rücksicht das Alter des Professordienstes überhaupt entscheidet. Die beiden andren Fragen aber sind so recht welche aus dem Hause oder der Haushaltung und könnten eher einer Frau, als einem Mann zu gut gehalten werden.

Möchten nun auch keine politische Bedenklichkeiten Ihr herrliches Unternehmen und das meinige dazu stören. Ein Krieg scheint Vielen ganz unvermeidlich zwischen Frankreich und Rußland und welche andere Parthei würde Preußen nehmen, als die der Neutralität, wenn es möglich wäre in dieser Zeit. Die Ereignisse in Schweden scheinen mir sonst eine sehr nahe Veranlassung. Doch tröste ich Jeden damit, daß an die Gewißheit einer äußern Ruhe und Ungestörtheit in keinem deutschen Lande heutiges Tages zu denken ist. | 15

Wenn Sie den Herrn von Savigny sehen, den ich vor sechs Jahren in Erlangen kennengelernt habe, oder den vortrefflichen Buttmann oder den Hofrath Ernst Horn oder den Arnim oder Brentano , so grüßen Sie doch Alle recht herzlich von mir. Insbesondre aber empfehle ich mich Ihrem Herzen theuerster Freund und Ihrer dauernden Freundschaft. Wenn man soviele geliebte Freunde zurücklässet, so muß man bey Zeiten nach Andern sich umsehen, die ihren schweren Verlust ersetzen und es ist meinem Herzen Bedürfniß, Freunde innigst zu lieben.

Lassen Sie mich doch auch wissen aus Ihrem nächsten Brief ob sich eine ziemliche Vollständigkeit Ihrer Bibliothek in theologischliterarischer Hinsicht erwarten läßt und ob Sie besonders mit den  Ausgaben der Werke der Kirchenväter und Dokumente der Synoden seit altkirchlicher Zeit [Schließen]Patribus und Conziliaracten nach den bessern Ausgaben versehen sind,  Vgl. Konrad Marheineke: „Christliche Symbolik oder historisch-kritische und dogmatisch-komparative Darstellung des katholisch, lutherischen, reformierten und socianischen Lehrbegriffs. Nebst einem Abriß der übrigen occidentalischen Religionspartheyen, wie auch der griechischen Kirche“, Bd. 1/1 und 1/2 (1810), Bd. 1/3 (1813). [Schließen]ohne die ich an die Fortsetzung meines Katholicismus nicht denken kann.

Was mir besonders angenehm ist, ist die Hofnung, daß ich in Berlin wohl auch besser, als hier, Gelegenheit finde zu predigen, welches ich sonst noch von Zeit zu Zeit gar zu gern that. Zu einer eignen Universitätskirche habe ichs hier, trotz aller meiner und der Facultät Bemühungen nicht bringen können.

Leben Sie wohl, Theurer und erfreuen Sie mich bald mit einer Antwort.

Marheinecke.

Zitierhinweis

3503: Von Philipp Konrad Marheineke. Heidelberg, 31. 8. 1810, ediert von Sarah Schmidt und Simon Gerber. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0007332 (Stand: 26.7.2022)

Download

Dieses Dokument als TEI-XML herunterladen.