Breslau, den 8ten Aug. 1810.
Durch allerlei jezt noch unvermeidliche Störungen viel länger vom Schreiben abgehalten, als ich wünschen konnte, erhalten Sie, mein theuerster Schleiermacher heute einen weit kürzeren Brief von mir, als Ihnen zugedacht war. Ich muß mich nur auf das nothwendigste beschränken, was Ihnen zu wißen hoffentlich eben so angenehm sein wird, als es mir ein Bedürfniß ist, es Ihnen mitzutheilen.
Wir sind den 31ten Juli Abends um 6 Uhr glükklich hier angekommen.
Unsre Reise hat ihr lästiges für uns fast gar nicht
verloren und hätte meiner Frau vielleicht eine Krankheit zuziehen
können, wenn sie nicht in den guten Standquartieren, die
wir von Zeit zu Zeit fanden, wieder restaurirt
wäre.
Cecilie Gaß, vgl. Brief.
[Schließen]Daran war vorzüglich das kleine ausgelaßne, fast
unbändige Mädchen
schuld, die uns anfangs durch ihr Uebelbefinden so viel
Sorge machte, zulezt aber an Lebendigkeit | 54v uns fast alle übertraf. Jezt geht es schon beßer und ich freue mich
herzlich, daß meine Frau, um die ich noch in den ersten Tagen
unseres Hierseins so besorgt war, sich anfängt
wieder wohl zu befinden.
Die Unruhe der ersten Einrichtung ist auch fast überstanden, meine sehr geräumige und freundliche Arbeitsstube schon völlig eingerichtet und die ganze Wohnung, mit der ich bis jezt sehr zufrieden bin, schon ziemlich in Ordnung gebracht. An unsern Sachen, die wir schon vorfanden, ist eben kein bedeutender Schade geschehen; zerbrochen und verlezt sehr wenig und verloren fast nicht eine Schraube. Das ist in der That eine große Verminderung der an sich so lästigen Beschwerlichkeit eines solchen Umzuges. Aber mehr noch müßen wir dahin rechnen, die gute und ich kann mit Warheit sagen, herzliche Aufnahme, die wir auch hier gefunden haben und die in der That alle meine Erwartung übertrift. Ich war sehr gefaßt auf lange Gesichter die mich bewillkommnen würden, | 55 aber ich habe nichts als Freundlichkeit und Herzlichkeit, gefunden. Selbst dem alten Hermes muß ich es nachrühmen, daß er mir auf eine Weise entgegengekommen ist, wie ich es nur wünschen konnte. Die Stadt selbst hat ein eignes Intereße durch ihre Alterthümlichkeit und machte auch einen beßern Eindrukk, als ich vermuthete und die herrliche, fruchtbare und abwechselnde Gegend umher, hat mich sehr angenehm überrascht.
So viel vom Wohlgefallen am Aeußern. Vom Innern kann ich Ihnen
noch nichts melden. Ich werde morgen, wo das Plenum seine
Sitzung hat, eingeführt und meine Geschäfte
und folglich auch mein eigentliches
Leben geht am Montage an, als dem jedesmahligen
Seßionstage der Deputation. Was ich davon
und von der ganzen Lage der Sache höre, ist eben
nicht erfreulich, denn niemand scheint zu wißen, was
und wie es geschehen, oder wobei
angefangen werden soll. Doch hoffe ich es soll sich finden,
denn es ist mit den Leuten gut | 55v sprechen, auch
bezeugen sie ja alle den besten Willen. Zu thun wird es
genug geben, denn wenn von etwas die Rede ist, so höre ich
auch, es sei bis zu meiner Ankunft verschoben. Ich werde
redlich das meine thun, das verspreche ich Ihnen auch jezt; für
das übrige wird Gott sorgen. Mein nächster College Johann Wilhelm Fischer
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Fischer
gefällt mir leider am wenigsten und das
geht mir in der That nahe.
Sollte ich in alle Ewigkeit verdammt sein, Gehülfen zu
finden, mit denen ich nicht übereinstimmen kann?
Das wäre doch schrecklich! Wir wollen noch das Beste
hoffen.
Wir grüßen Sie, Ihr ganzes Haus, Reimers
und alle unsre
Freunde. Besonders bitte ich Sie, mich Nikolovius bestens zu
empfelen. So bald ich
nur einige Wochen gearbeitet habe, werde ich ihm über die
ganze Lage
der Sachen bei dieser Deputation ausführlich und
wahr schreiben. Laßen Sie doch bald etwas von sich
hören.
Nachfolger Humboldts
als Leiter der Sektion des Kultus und des öffentlichen Unterrichts im
preußischen Innenministerium wurde
Friedrich von Schuckmann
, Nicolovius
übernahm zwischen Humboldts Rücktritt und Schuckmanns
Amtsantritt die Übergangsleitung.
[Schließen]Ist Humboldts
Stelle schon besezt?
Wie geht es mit Ihrem Befinden und wie mit Ihren
Arbeiten? Leben Sie wohl, theuerster
Schleiermacher ich bleibe ewig und unveränderlich Ihr
treuer
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