Hochwürdiger, Hochgelehrter, Hochzuverehrender Herr Doctor.

Ew. Hochwürden werden mir gütigst verzeihen, daß ich Ihnen noch einmal mit einem Schreiben beschwehrlich fallen muß, welches keinen andern Zweck hat, als eine Abaenderung Ihres Urtheils über mich wo möglich zu bewürken.   Vgl. Brief 3466. [Schließen] Eine unverkennbare Empfindlichkeit spricht sich in ihrer letzten Zuschrift vom 27sten July aus, die mir natürlich nicht angenehm war, noch unangenehmer aber würde gewesen seyn, wenn ich sie verdient zu haben glaubte.  Vgl. Brief 3459. [Schließen]Sie meldeten mir in Ihrem ersten Schreiben, daß Sie den Auftrag hätten, mich auf eine confidentielle Weise (Sie erlauben daß ich Ihre eignen Worte wieder hohle) zu erforschen, ob ich geneigt sey als Professor nach Berlin zu gehen.  Vgl. Brief 3460. [Schließen]Mit der Aufrichtigkeit und Unbefangenheit mit welcher ich zu handeln gewohnt bin erklärte ich diese Geneigtheit im allgemeinen, und da ich mein Schreiben blos für Sie bestimmt hatte, und Sie auf mein freundschaftliches Zutrauen Ansprüche machen konnten, so glaubte ich, daß einige nicht unwichtige Fragen zur Be | 4vlehrung eines mit ihrer Verfassung und der Einrichtung der neuen Universitaet unbekandten, vertraulich geäusert, wenigsten keiner Misdeutung ausgesetzt seyn würden. Bey einer für mich und meine ganze Familie so wichtigen Veränderung, als von welcher die Rede war, würde es unverzeihlicher Leichtsinn gewesen seyn, wenn ich die Pflicht der strengen Prüfung, welche ohne genaue Kenntniß der Umstaende nicht statt finden kann, hätte vernachläsigen wollen. Es war also keinesweges Mangel an Zutrauen gegen eine Regierung deren liberale Grundsätze allgemein anerkannt und verehrt sind, was mir es wünschenswerth machte über mehrere Gegenstände frühzeitig Auskunft zu erhalten, denn dieses hatte ich durch meine oben erwähnte Erklärung, so wie durch andre Nachfragen hinlänglich bewiesen. Vieleicht würde mancher an meiner Stelle mit diesen Fragen nicht eher hervorgertreten seyn, als bis die Unterhandlung weiter vorgerückt wäre, und mehr Publicitaet bekommen hätte. Allein so oft ich Unterhandlungen dieser Art gepflogen habe, habe ich immer diese Art zu handeln, die so viele, wie Sie selbst wissen, sich erlauben, als unedel verworfen. Da ich im Jahr 1795 von Göttingen aus in mein  Kurfürstentum, ab 1806 Königreich Sachsen [Schließen] Vaterland unter sehr vortheilhaften  | 5 Bedingungen zurückberufen wurde, wurden von meiner Seite aehnliche Fragen aufgestellt und Bedingungen gemacht, ohne daß einer von den damaligen Ministern sich dadurch beleidigt geglaubt hätte. Um mehrere meiner Fragen richtig zu beurtheilen muß man meine ganze Lage genau kennen, und ich bin überzeugt wenn Sie dieselbe und auch mich genauer gekannt hätten, so würde Ihr Urtheil über meine Fragen etwas anders ausgefallen seyn. Auch verdient es in Anschlag gebracht zu werden, daß es weit leichter ist, einen Entschluß zu fassen, wenn von einer schön völlig organisirten und bekannten Anstalt die Rede ist, als wenn man zum Beytritt zu etwas, dessen innere Einrichtung noch unbekannt oder im Werden ist, aufgefordert wird.   Vgl. Brief 3460 und Brief 3466. [Schließen] Am allerempfindlichsten ist es mir gewesen, daß Sie meine Fragen über den Rang der Professoren und über die Ordnung derselben namentlich in der theologischen Facultaet misverstanden zu haben scheinen. Es würde mir (auch bey dem lebhaftesten Gefühl meiner Unvolkommenheit muß ich dieses sagen) unverzeihlich seyn wenn ich auf Titel und Rang einen Werth legen wollte, da ich so lange dahin gearbeitet habe, mich möglichst zu vervollkomnen, und durch bleibende Verdienste meinen Namen wenigstens noch einige Zeit nach meinem Tode in Andenken zu erhalten. Allein durch viele  | 5v Erfahrungen belehrt weis ich es, daß doch bisweilen Collisions-Fälle eintreten können wo auch so etwas ein Gegenstand der Aufmerksamkeit werden, und wo es gut ist, wenn man frühzeitig ausweichen kann. Möchte doch das wenige, was ich über diese Gegenstaende dem Papiere anvertrauen kann, mich in Ihren Augen gegen den Verdacht des Mangels an Zutrauen oder der Eitelkeit sichern. Auch muß ich Sie bitten, diesem Schreiben keinen andern Zweck als den eben angegebnen unterzulegen. Und nun erlauben Ew. Hochwürden noch, Ihnen die verehrungsvolle Hochachtung zu bezeigen, mit welcher ich immer die Ehre haben werde zu seyn

Ew. Hochwürden gehorsamster Diener D. Schleusner

Wittenberg d. 1 August 1810

N.S. Der Herr StaatsRath Uhden der mir vorgestern die Ehre seines Besuchs gönnte, empfiehlt sich Ihnen ergebenst.

Zitierhinweis

3473: Von Johann Friedrich Schleusner. Wittenberg, Mittwoch, 1. 8. 1810, ediert von Sarah Schmidt und Simon Gerber. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0007302 (Stand: 26.7.2022)

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