Heidelberg d. 24. July 1810.

Habe ich Ihnen den Ruf nach Berlin zu danken? Ich werde es mündlich von Ihnen erfahren, da ich ihn angenommen habe. Mit derselben Post erhält der Staatsrath Nicolovius mein AcceptationsSchreiben. Es ist nur noch die Frage, ob ich schon zu Michaelis diesen Jahres oder erst zu Ostern künftigen Jahres von hier abgehen werde. Letzteres wünscht der Ministrer Reizenstein , ersteres aber ich, und ich bitte Sie, wenn Sie Gelegenheit haben mit dem Staatsrath Nicolovius zu sprechen, ihn für die Entscheidung zu bestimmen, daß ich schon zu Michaelis kommen müsse. Ich bin der badischen Regierung wenig oder gar keine Verbindlichkeit schuldig, und wichtige besonders häusliche Rücksichten lassen mich wünschen, schon im Herbst zu reisen. Meine Frau wird im Winter ins Kindbett kommen, und sie hält es für besser, es in Berlin abzuwarten. Auch treibt es mich mächtig nach meiner neuen Bestimmung hin; ich erwarte dort einen mir angemessenern Wirkungskreis, als ich hier gehabt habe, in halber Barbarey mit Schwindel, und SchwebelGeist versetzt. Doch davon ein Mehreres mündlich.

Welche Fächer werden Sie bearbeiten, und welche ich? Und wird noch ein dritter oder vierter angestellt werden?  | 1v Ich habe hier das A. und N.T. ganz allein bearbeitet und habe daher die Woche funfzehn bis achtzehn Stunden lesen müssen. Das ist freylich zuviel; allein ganz möchte ich doch beyde Fächer zusammen nicht aufgeben. Wenn Sie daher, wie ich vermuthe das neutestamentliche Fach übernehmen, so lassen Sie mich ein wenig hineinpfuschen. Ist die Universität sehr frequent, so ist es am schönsten, wenn Concurrenz vorhanden ist; allein ich muß gestehen, für wenige Zuhörer lese ich nicht gern, und daher möchte es besser seyn, vor der Hand eine Eintheilung der Fächer zu machen. Diese überlasse ich Ihnen ganz. Ich weiß nicht, wie die Einrichtung in Rücksicht der Lehrcurse getroffen werden wird, oder ob man dem Lehrer ganz freyen Spielraum läßt, wie es wohl am besten wäre. Ich habe bisher einen zweyjährigen Cursus der alt- und neutestamentlichen Literatur gelesen, nämlich jedes Halbjahr zwey exegetica und eine Einleitung oder Hermeneutik oder biblische Theologie (letztere aber hätte ich diesen Winter zuerst gelesen, und würde sie in jedem Fall noch verschieben). Was die Stundenzahl betrifft, so habe ich die exegetica in fünf Stunden, die andern in vieren gelesen. Zu letztern würde ich in keinem Falle mehr nehmen, für die erstern könnte ich aber sechs Stunden brauchen. Das übrige können Sie aus den Heidelberger Lectionscatalogen sehen, und so könnte  | 2 ich Ihnen die Anordnung meiner Vorlesungen ganz überlassen.

 Buttmann wurde im Rahmen einer privaten Reise nach Süddeutschland von der Berliner Einrichtungskommission beauftragt Sondierungsgespräche in Heidelberg, Leipzig und Wittenberg zu führen, vgl. Brief 3478.  [Schließen]Eine besondere Beruhigung ist es mir gewesen, den Prof. Buttmann hier zu sehen und um Rath fragen zu können. Böckh, der Sie grüßen läßt, hat mir besonders zugeredet, und ich hoffe, daß er mir folgen wird. Sollte man seiner nicht bedürfen? Wilken hat den Ruf ausgeschlagen; ich glaube aber, daß noch viele Andere von hier gern nach Berlin gingen. Denn im Ganzen herrscht hier Unzufriedenheit.

Was meinen Sie? ich bin willens, mir selbst ein Quartier zu suchen, wird es Schwierigkeit haben und wird man bey Zeiten dazu thun müssen?

 Vgl. Brief 3464. [Schließen] Die Güte, mit der Sie meinen Brief aufgenommen haben, verbindet mich zu besonderm Dank, und die Hoffnung, Ihre Freundschaft zu erhalten, hat viel dazu beygetragen, daß ich den Ruf angenommen habe. Ich hoffe Sie bald zu sehen.

W.M.L. de Wette.

Zitierhinweis

3465: Von Wilhelm Martin Leberecht de Wette. Heidelberg, Dienstag, 24. 7. 1810, ediert von Sarah Schmidt und Simon Gerber. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0007294 (Stand: 26.7.2022)

Download

Dieses Dokument als TEI-XML herunterladen.