Leipzig. 14. Jul. 1810.

Noch haben Sie, theuerster Herr Doctor, meinen Lieblingswunsch nicht erfüllt, mir einige Worte über mein  Hans Karl Dippold: „Leben Karl des Großen“ (1810), vgl. Brief 3399.  [Schließen] Buch zu sagen, vielleicht, weil Wichtigeres und Berufsgeschäfte Sie nicht dazu kommen ließen. Auch schreibe ich jezt nicht, Sie daran zu mahnen, was ungebeten und ungesucht kommen muß, um von Herzen zu erfreuen: ich wende mich dreist an Sie in weltlichen Angelegenheiten.

Oft haben Sie gegen  Wer aus der verzweigten Familie Alvensleben hier gemeint ist, bleibt unklar. [Schließen] Herrn (?) von Alvensleben geäußert, daß ich mich vorläufig in Berlin niederlaßen und lesen solle. Aber außerdem, daß mein beschränktes Einkommen mir solche Veränderungen unmöglich macht, hielt ich es nicht für rathsam, alle hiesigen Ansprüche, die ich mir durch zweijähriges unentgeldliches Duciren erworben, ohne Aufforderung einer höhern, öffentlichen Autorität aufzugeben, und in Berlin einer abermaligen unsichern Zukunft entgegen zu treten, wo mir jener schon erworbene Anspruch nicht angeschlagen werden konnte. Zudem ist vor Kurzem die ordentliche Profeßur der Geschichte hier erledigt worden, und ich habe Aussicht, vor Jahres Ablauf in eine der lezten Profeßuren einzurücken.  | 3v Sie werden finden, daß ich unter solchen Umständen Sachsen nicht verlaßen darf, wenn ich nicht einen Ruf anderswoher erhalte. Dieser ist denn auch bereits gekommen, wenigstens der Antrag, die neuerrichtete Profeßur der Geschichte zu Danzig unter sehr vortheilhaften Bedingungen anzutreten. Ich habe mich bei mir selbst dafür entschieden, doch bis jezt das entscheidende Jawort noch nicht gegeben, da ich zuvor über einige Punkte gewiß seyn mußte, deren Beantwortung ich in diesen Tagen erwarte. Plötzlich schreibt mir meine geliebte Braut, wie daß Sie Herrn Matthison im Vertrauen eröfnet: „es sey Hofnung für mich in Berlin .“ – Diese schönen Worte haben mich ganz elektrisirt. Erhielte ich einen Ruf an die neue Universität, sollte ich in einen aufblühenden Verein so vieler Treflichen treten, so wäre weiter an keine Wahl zu denken. Wohl muß ich zweifeln, ob mein Gehalt so gut seyn würde, als der zu Danzig : aber, so sehr mich auch Lange und Wünsche dies zu berücksichtigen nöthigen, so gern würde ich die entlegne Seestadt, wo ich kein inniges Verhältniß kenne, wo ich vielleicht ganz allein stehen würde, der Kapitale Preußens | 4 vorziehen, wo ich an eine junge Anstalt, mit altem Muthe und junger Kraft, im Verein so vieler Edlen, die ich von Herzen ehre, liebe, meines Einflußes gewisser wäre, und der Meinen liebste Wünsche leichter und freudiger erfüllen könnte.

Ich wend mich daher mit der Offenheit und dem Vertrauen an Sie, mit welchem ich Ihnen gleich anfangs, fast zudringlich, entgegentrat, und bitte durch eine baldige Antwort – sofern es Ihren Beschäftigungen und Beschaffenheit der Sache selbst möglich ist – mich zu bestimmen, ob ich mich für Danzig entscheiden soll oder muß. Jezt ist noch Ablehnung möglich, da die Sache blos privatim verhandelt worden: in drei Wochen, vielleicht in 14 Tagen schon nicht mehr; weil ein einmal gegebenes Wort zu brechen unmöglich.

Sollte zur baldigen Entscheidung noch Erwähnung neuerer Arbeiten etwas beitragen können, so füge ich hinzu, daß außer meiner Uebersetzung von Shakespeare 's  William Shakespeare: „Die Lustigen Weiber von Windsor“, übers. von Hans Carl Dippold (1810) [Schließen] merry wives of windsor die bei Hitzig zu Michaël erscheint, und der  Johannes von Müller: „Bellum Cimbricum“ (1772). Die in Auftrag gegebene Übersetzung war für die Sämtlichen Werke, die ab 1810 bei Cotta erschien und findet sich im 12. Band der gesammelten Werke als erste von drei Beilagen („Literatur und Geschichte der Schweiz“ (1811), darin: „Bellum Cimbricum“, S. 259-354). [Schließen]des Johannes von Müllerschen belli Cimbrici, welche mir von Johannes G. Müller und Cotta aufgetragen , noch unter der Preße ist:  Sachanmerkung:

Coxe ... und Berichtigungen] 
Wilhelm Coxe: „Geschichte des Hauses Oestreich von Rudolf von Habsburg bis auf Leopold II. Tod, 1218-1792“ (1810).

straken] lies: starken
 [Schließen]
Coxe Geschichte des Hauses Österreich pp in in 4 straken Bänden, übersetzt von A. Wagner und mir, mit Zusätzen und Berichtigungen
| 4v

Für diesmal habe ich Ihnen lediglich in zeitlichen Besorgnißen geschrieben. Möchte doch mein Loos in Berlin fallen, auf daß ich in den traulichen Feierstunden des nächsten Winters Ihnen mündlich beweisen könnte, wie herzlich Ihnen zugethan sey

Ganz der Ihrige

Dippold

Stieglitzens Hof. 3.

Zitierhinweis

3462: Von Hans Karl Dippold. Leipzig, Sonnabend, 14. 7. 1810, ediert von Sarah Schmidt und Simon Gerber. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0007291 (Stand: 26.7.2022)

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