Rostock der 8te Jun. 1810.
Vgl. Brief 3442.
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Sie wünschen schnelle Antwort, lieber Schleiermacher, über zwey Gegenstände, von welchen über den einen es mir nicht wohl möglich ist, mich schnell zu entschließen.
Vgl. Brief
3442.
[Schließen]Zuerst von dem ganz Erfreulichen. Daß Sie des wackern Münchows
eingedenk gewesen sind, das will ich, obgleich das
Nachtragen sonst meine Sache nicht ist,
Ihnen zeitlebens nachtragen. Sie haben in der Eile mir
keinen Ort genannt; da Sie jedoch von einer Professur der Mathematik
an einem Gymnasium oder einer ähnlichen Lehranstalt
sprechen, so
vermuthe ich
fast, es sey
Berlin
.
Ist nun das der Fall, so kann ich ohne vorherige
Anfrage mit ziemlicher Gewißheit sagen, er werde gern bereit
seyn, eine solche Stelle anzunehmen. Diese meine Erklärung
gründet sich auf bestimmte Aeußerungen Münchow’s gegen mich. Ich setze freylich
voraus, daß sein Gehalt, wenn auch kein ansehnlicher, doch
ein solcher sey, der ihn sorgenfrey leben läßt. Wenn ich
übrigens gleich, was Berlin
betrifft,
in seinem Namen Ja gesagt habe, so sage ich darum doch kein
Nein, wenn von einem andern Orte die Rede wäre. | 24v Nur kann ich für diesen Fall
kein so bestimmtes Jawort geben, und es wird sehr viel auf
diesen Ort selbst ankommen.
Wahrscheinlich ist die Rede von Karl Dietrich von
Münchow: „De tractoriis geometricis atque earum traiectoriis orthogonalibus
congruentia observationes quaedam“ (1810).
[Schließen]Daß er tüchtig ist, verbürge ich und hoffe, daß dieses, auf
Veranlassung seiner kleinen Schrift,
welche er auch Ihnen eingehändigt hat, auch die
eine oder die andre öffentliche Stimme sagen werde.
Unser Professor der Mathematik, Hecker, Andreas Jakob Hecker
[Schließen]ein Bruder Eures dortigen Consistorialraths
, ein zwar wenig bekannter, aber sehr geschickter und
durchaus rechtschaffner Mann, hat mir mit Lobe von ihr
gesprochen. Auch zeugt der
Gegenstand der Schrift, daß ihr Verfasser, ohne noch in der
mathematischen Wiege zu liegen, in der Mathematik wohl
gewiegt sey. Es ist von etwas Höherm, als bloßem
Hausbedarf, darin die Rede.
Dabey ist Münchow nicht etwa einseitig
gebildet. Er hat ein reges Interesse für Wissenschaft überhaupt und
seit Jahren Philosophie und Physik mit Eifer studiert auch
mit ältern und neuern Sprachen sich beschäftigt.
Von Charakter ist er ein vorzüglicher Mensch und wenn Sie einst tiefer in sein Inneres sähen, Sie würden sich als Freund an ihn schließen. Autorfußnote (am linken Rand) ⎡ Es hat mich herzlich gefreut, bey meinem jüngsten Aufenthalt in Halle zu sehen, daß der herrliche Steffens ihn so werth hält.
Er lebt jetzt in Weimar ,
in dem Hause eines Freundes,
Müfflings, den Sie, meine ich, auch kennen,
zwar übrigens in sehr angenehmen Ver | 25hältnissen, aber doch entfernt und sich
entfernend vom gewünschten Ziele, einer Lehrstelle
auf einer Universität oder doch an einer guten
Schulanstalt, und eben deshalb zum Nachtheil für
die Heiterkeit seines Gemüths. Da er ungern empfängt, ohne
zu leisten, so unterrichtet er den
Eduard von
Müffling
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seines Freundes, was denn wohl mehrere Stunden täglich
wegnimmt.
Um nun auch etwas Geld zu erwerben, hat er sich,
worauf er auch bey Ihnen hindeutete, in eine literarische
Verbindung eingelassen mit Bertuch. Das
kostet denn einen großen Theil der übrigen Zeit, er muß
Anderes darüber liegenlassen und erreicht nicht einmahl
durch die Bertuchen gelieferten Arbeiten, die gewiß
recht gut sind, den Zweck, dem Publikum bekannter zu
werden, woran ihm zunächst viel liegen muß. – Sehen Sie, das ist es, was ich
Ihnen vorläufig über den lieben Menschen zu sagen habe. Thun
Sie nun, was Sie mit gutem Gewissen thun können, wirken
Sie, lieber Schleiermacher, für ihn, daß er eine gute
Stelle bekomme. Ich wüßte nicht
leicht, wodurch Sie mir eine größere Freude machen
könnten. Ich schreibe
übrigens jetzt gleich auch an ihn, und werde ihn bitten, an Sie zu
schreiben und sich Ihnen näher über Ihre Anfrage zu
erklären, so | 25vweit er dazu bey
der noch mangelnden Bestimmung des Orts im Stande ist.
Vgl. Brief
3442.
[Schließen]Nun noch in Eile, denn ich muß gleich abbrechen, über Ihre Anfrage
an [mich].
Ich bin hier mit meinem Berufe nicht zufrieden, und ich habe
das, wenn ich nicht irre, auch in Berlin fallen
lassen. Die Spruchsachen,
die Gutachten, die Geschäffte der Akademischen Jurisdiction
und manches Andere füllen die Zeit ausser meinen
Vorlesungen fast gänzlich, nicht selten mehr als ganz aus.
An ein Studium, an ein Produciren ist nicht zu denken.
Statt mit Freudigkeit meinem Berufe zu leben erscheint er mir
öfters als ein Joch in welchem ich ziehe. Daß ich also von
dieser Seite nicht mit starken Banden an Rostock gefesselt bin, sehen Sie wohl.
Gleichwohl schreckt an Königsberg mich das weit Abgeschiedne ein
wenig ab. Dahin gehen und allen lieben Freunden ein ewiges
Lebewohl sagen scheint mir eins und dasselbe zu
seyn. Mit den Verhältnissen, welche mir in Königsberg bevor stehen würden, was
nämlich meinen dortigen Beruf betrifft, bin ich nicht
bekannt und weiß nicht, ob ich mehr Muße gewinnen
würde, was mir doch wahrscheinlich ist, wenn nicht anders der
Mangel an auswärtigen Spruchsachen nachtheilig durch eine
Menge von Consistorialsachen ersetzt wird, worüber
Schmalz Auskunft geben
könnte. Kurz ich kann jetzt noch weder Ja noch Nein sagen,
muß vielmehr die Sache erst noch mehr überlegen und nähere
Auskunft abwarten, um die ich Sie bitte. Für einen
geringern Gehalt als meinen gegenwärtigen in dortiges Geld
umgesetzt, d. h. etwa 900 r. preußisch Courant würde ich
auf keinen Fall gehen. Angemessene Reisekosten verständen
sich von selbst. Schwer würde mir die Trennung von einigen der hiesigen Freunde
unter andern von dem trefflichen Wohl Jakob Sigismund Beck, ein Kollege in Rostock
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Beck
werden, dem ich eine
sorgenfreyere Lage wünschte, aber bey einem Orte
und vorzüglich einem günstigern Verhältnisse in meinem
Berufe würde ich dennoch kein Bedenken tragen, zu folgen.
Schreiben Sie mir bald lieber Freund das Nähere über Königsberg
und grüßen Sie freundlich alle Ihrigen und
Schmalzens
etc. Konopak.
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