den 1ten Juny.

Mein bester Schleiermacher, da meine Lage das Schreiben fast gar nicht gestatten will  Wohl die in Hamburg erschienene Liedersammlung „XII Gesänge mit Begleitung des Forte-Piano. Componiert und ihrer geliebten Schwester Friederike zugeeignet von Louise Reichardt“ (1810), vgl. Brief. [Schließen]so muß ich meine Lieder einmahl für mich sprechen lassen, auch sind sie ja das beste an mir. Nehmen Sie sie mit der gewohnten Güte hin und denken Sie meiner freundlich dabey, der gröste Theil davon ist für Sie gemacht und wenn es was Gutes daran ist verdanke ich es einzig Ihnen. Gott segne Sie für alle Liebe und Güte wodurch ich zu manchem gekommen bin was ich ohne Sie nie erreicht hätte und allein durch das innre rege Dankgefühl verdiene. Ich bin diesen Winter oft traurig darüber gewesen daß ich um meine immer noch zunehmenden Geschäfte vollbringen zukönnen meinen Sinn fast gewaltsam  | 34v für jedes andre verschliessen muste aber unglücklich soll es mich nicht machen da doch jede Entsagung mich Gott einen Schritt näher bringt. – Wenn Sie mich recht glücklich machen wollen so lassen Sie mich ohne Rücksicht auf mein langes Schweigen recht bald einige Worte von Ihrer lieben Hand lesen, ich denke noch immer mit Entzücken an den Abend als ich hier  Vgl. Brief 3390. [Schließen]Ihren Brief vorfand.

Der Tod von Steffens unvergleichlichem Kinde wird auch Sie bedrückt haben bester Schleiermacher ich kann es noch garnicht fassen. So herrlich so ganz gränzenlos lieb und schön wie dies Kind war der Schmerz hat mich schon mehrmahl krank gemacht. Dazu gesellte sich die Krankheit unsers trefflichen Runge der viele Tage ganz ohne Hoffnung war jetzt ermannt er sich und wir hoffen wieder daß das Gott ihn uns erhalten  | 35 wird, ich bin so glücklich von  Textverlust durch Papierabriss [Schließen] ihm vorzüglich geliebt zusein und  Textverlust durch Papierabriss [Schließen] bin in der Krankheit die einzige gewesen nach der er täglich verlangt hat. Sie fühlen wie schwer es mir geworden unter solchen Umständen täglich 7 bis 8 Stunden zugeben aber Gott hilft denen die es redlich mit ihm meinen, dieser Zuversichtliche Glaube erhebt mich immer bald wieder und wem verdanke ich ihn anders als Ihnen. Da wir uns kennen lernten war ich durch große unerhörte Schmerzen so geschwächt daß ich mich ganz von Gott verlassen glaubte und der Allgütige sandte Sie mir recht eigentlich zu meiner Rettung.

Halten Sie es mir zu Gute mein bester Freund daß mir immer das Herz überfließt wenn ich zu Ihnen spreche. Ihre liebe Frau und  Kinder der Henriette Schleiermacher aus erster Ehe [Schließen] Kinder umarme ich herzlich und wüste gern etwas von der Herz die ich so innig verehre. Bleiben Sie mir freundlich.

Von Herzen

Ihre Louise.

Zitierhinweis

3440: Von Luise Reichardt. Hamburg, Freitag, 1. 6. 1810, ediert von Sarah Schmidt und Simon Gerber. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0007269 (Stand: 26.7.2022)

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