Berlin d 19t. May 1810.

 Schmidt antwortet in Brief 3430 nicht ablehnend auf Schleiermachers Anfrage in Brief 3426, ob Schmidt einen Ruf an die neugegründete Universität in Berlin annehmen würde. [Schließen] Ihr Brief mein verehrtester Freund hat mir eine große herzliche Freude gemacht[;] er nährt eine meiner liebsten Hofnungen von der ich mich nur mit großem Schmerz hätte trennen können, und deren Vernichtung mir und Vielen die es mit unserm Studium und unserm Institut gut meinen eine Sorge zurükgelassen haben würde, für die wir nicht gewußt hätten eine Auskunft zu finden.  Vgl. Brief 3430. [Schließen]Ueber den Punkt ob Sie für Berlin passen, wünschte ich, daß Sie Sich ganz auf mich verließen. Denn Ihre dortigen Freunde können Sie freilich besser kennen, aber Berlin nicht so gut, und ich kann Ihnen die Annehmlichkeit die es in dieser Hinsicht gewährt nicht stark genug schildern. Wir haben hier doch literarische Männer ich möchte sagen von jeder denkbaren Gemüthsart, und jeder findet seine Rechnung. Jeder hat es in seiner Gewalt die Ansprüche welche  | 150v die Gesellschaft an ihn macht so weit zu begünstigen und so sehr einzuschränken als er will. Auch geht man allgemein von der Voraussezung aus daß Amtsverhältnisse durchaus kein geselliges Verhältniß stiften, man kann beides ganz von einander trennen und also ganz nach eignem Geschmack leben.  Vgl. Brief 3430. [Schließen] Das Vaterland sollten Sie doch auch nicht so eng nehmen. Es ist ja jezt um so  über der Zeiledesto nothwendiger, je mehr es anfängt zu verschwinden, daß wir, die wir es noch sehn können, nur Deutschland für unser Vaterland gelten lassen; und wenn Sie diesen Gesichtspunkt fest halten, kann Ihnen wol von dieser Seite kein Bedenken kommen.   Vgl. Brief 3430. [Schließen]Ueber Ihr Gehalt brauchen Sie in der That nicht ängstlich zu sein. Man muß in Ihrer Gegend sehr übertriebne Vorstellung von den hiesigen Preisen haben. Die meisten Staatsbeamten die mit uns denselben Rang in der Gesellschaft einnehmen (und ein Staatsbeamter der eigenes Vermögen besizt ist bei uns eine Seltenheit) beziehen kein größeres Gehalt, und haben die Nebeneinkünfte nicht die uns die Collegia eröfnen. Die Wohnung ist ein  | 151 sehr unsicherer Maaßstab in Berlin denn es macht einen großen Unterschied ob man grade in der schönsten Gegend der Stadt und im bel étage wohnen will oder nicht. Jedermann rechnet hier im Durchschnitt den 10ten Theil seiner Einnahme auf die Wohnung, und dafür werden Sie auch geräumig und angenehm wohnen können. Ein Paar meiner Bekannten wohnen im bel etage in einer der schönsten Straßen der eine mit einer Familie von 6 Kindern für 250 Thaler. In der Gegend zwischen mir und den Universitätsgebäuden glaube ich Sie für 200 Thaler sehr gut logiren zu können. Der sicherste Maaßstab scheint mir eigentlich das Korn zu sein; dies kostet jezt, in der theuersten Zeit zwischen Sommersaat und Erndte, 1 ½ Thaler  über den ursprünglichen Text geschrieben1 Thaler und einige Groschen der hiesige Scheffel. Holz habe ich in einem sehr unheizbaren Hause 3 Zimmer täglich heizend für 100 R gebraucht das Jahr über. Meiner Frau gebe ich für Mittag und Abendessen Kaffe Thee Zuker  über der Zeile ⎡ Wäsche und Licht 75 R monatlich – wir haben nemlich zwei  Kinder Henriette Schleiermachers aus erster Ehe [Schließen] Kinder und eine  Anne (Nanny) Schleiermacher [Schließen] Schwester bei uns, und sind gar nicht für ausserordentliche Oekonomie berühmt, wie sie denn ganz neu in Berlin und städtischem  über den ursprünglichen Text geschriebenstädtischer Wirthschaft ist. Hinzu kann ich noch fügen  | 151v daß man Ihnen gern 2500 R zugestehen wird. Dies ist, wie ich Ihnen schon geschrieben zu haben glaube, das Gehalt der Königlichen Staatsräthe welche ihren Geschäften zufolgen gar keine Nebeneinkünfte haben können und der Ordnung nach die dritten Civilbeamten im Staate sind, indem sie nur noch die Minister und die geheimen Staatsräthe über sich haben.

 Vgl. Brief 3430. [Schließen]Eigentliche Wittwen Pensionen werden nach der neuen Organisation bei uns gar nicht gegeben; den übrigen Beamten bleibt bloß überlassen ihre Frauen in die allgemeine WittwenCasse einzukaufen. Für die Universität aber soll eine eigne WittwenCasse errichtet werden wozu die  über den ursprünglichen Text geschriebender Universitäts Fond den Hauptstok liefern wird und die Professoren nur unbedeutende Beiträge zuschießen werden. Der Plan wird noch diskutirt, darum bin ich außer Stande Ihnen das nähere zu schreiben. Ich glaube aber, daß Sie über diesen Punkt eben so ruhig sein können als ich der ich mich ganz in demselben Fall befinde

Möchten Sie mir nun recht bald einen erwünschten Entschluß melden. Wie es mir mir am Herzen liegt Sie den unsrigen zu nennen kann ich Ihnen mit Worten nicht ausdrükken. Recht tüchtig und mit frischem Muth wollte ich mit Ihnen arbeiten, und Sie werden gewiß auf alle Weise Freude und Segen von Ihrem Hiersein haben. Ich sehe Ihrer Antwort mit der größten Sehnsucht entgegen. Von ganzem Herzen der Ihrige

Schleiermacher

 am linken Rand von Bl. 150
Sachanmerkung:

theologische Encyclopädie] Friedrich Schleiermacher: „Kurze Darstellung des theologischen Studiums“ (1811)

Sie ... eine herausgeben] Johann Ernst Christian Schmidt: „Theologische Encyclopaedie für seine Vorlesungen“ (1811)
 [Schließen]
Aus dem Meßverzeichniß sehe ich daß indem ich eine theologische Encyclopädie ankündige Sie schon eine herausgeben . Bald hoffe ich wird sie in meinen Händen sein.

Zitierhinweis

3435: An Johann Ernst Christian Schmidt. Berlin, Sonnabend, 19. 5. 1810, ediert von Sarah Schmidt und Simon Gerber. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0007264 (Stand: 26.7.2022)

Download

Dieses Dokument als TEI-XML herunterladen.