Gießen den 5n May 10.

Verehrtester Freund!

 Vgl. Brief 3426. [Schließen]Daß Sie mir das Recht gegeben haben, Sie mit diesem Namen anreden zu dürfen, kann ich Ihnen nicht mit Worten danken. Auf die mir vorgelegte Anfrage erwarten Sie natürlich mit der umgehenden Post keine entscheidende Antwort. Allein Sie sollen diese möglichst bald erhalten. Es ist Gesetz für mich, in eigenen Angelegenheiten keinen Schritt von Wichtigkeit zu thun, ohne zuvor den Rath einiger Freunde gehört zu haben. Dies muß auch hier geschehen. Zuerst muß in mehrfacher Hinsicht die Frage aufgeworfen werden, ob mein Individuum und Berlin zusammen passen. Ich bin dies nicht blos mir, sondern mehr noch Ihrem Institute schuldig. Ihr Schreiben hat einige Besorgnisse, die ich deshalb hatte, beseitigt; allein Sie haben auch eine zu günstige Meinung von mir gefaßt, meine hiesigen Freunde sind dagegen näher von meinen Mängeln unterrichtet. Dann muß ich auch das Gutachten meiner Freunde einholen, ob nicht mein Austreten aus den hiesigen Diensten gewissen Verpflichtungen gegen mein Vaterland entgegen sey.

Außerdem muß ich mir noch von Ihnen eine Nachricht ausbitten. Ich bin verheurathet, und besitze kein Vermögen. Sehr wahrscheinlich wird meine Frau mich überleben. Welche Aussichten haben die Wittwen der Professoren in Berlin?Bergen kann ich auch nicht, daß mir nach die Vorstellungen, die man hier von den Preißen der Lebensbedürfnisse in Berlin hat, wirklich eine Besoldung von 2000 RThl etwas gering erscheint. Meine Bedürfnisse sind sehr beschränkt, ich will nur gesichert seyn vor der Besorgniß,  | 1v Schulden machen, und nach meinem Tode meine Frau dem Mangel Preiß geben zu müssen. Wollten Sie mir daher auch gütigst die Frage beantworten: wie hoch denn eine Wohnung von ungefähr sieben Piecen (es versteht sich, möglichst in Ihrer Nähe,) jährlich vermiethet wird? Dies könnte mir einigermaßen zu einem Maßstabe dienen.

Und so habe ich denn nun, was ich ungerne schrieb, geschrieben. Ich liebe keine andern Antworten als Ja und Nein, – einem Manne wie Ihnen; vollends bey einer solchen Sache da drückt michs zwiefach, eine andere geben, und selbst noch ökonomische Rücksichten einmischen zu müssen. Ich fühle nicht blos das Gewicht Ihrer Gründe. Ich bin auch dadurch gewonnen, daß dieses Streben im Preussischen Staate in den Zeitpunkt der Leiden fällt. Wäre ich mir ganz selbst gegeben, ich käme ungerufen und bäte, mitarbeiten zu dürfen.

Daß nur nichts übereilt wird und das Institut dadurch in seinem Werden eine falsche Richtung bekommt. Eine Universität wie Göttingen, wo man über dem Gelehrten den Menschen aus dem Auge verliert, – diese würde ja nicht helfen können.

Leben Sie wohl und erhalten Sie mir Ihre Freundschaft. Verehrungsvoll

der Ihrigste Schmidt.

Fürchten Sie nicht, daß ich Sie lange ohne bestimmte Antwort lassen werde. Ich hoffe, Ihr nächstes Schreiben mit umgehender Post entscheidend beantworten zu können.

Zitierhinweis

3430: Von Johann Ernst Christian Schmidt. Gießen, Sonnabend, 5. 5. 1810, ediert von Sarah Schmidt und Simon Gerber. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0007259 (Stand: 26.7.2022)

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