Berlin d 28t. Apr. 10.
Verehrungswürdigster MannSie werden sehr bald errathen weshalb ich es wage Ihnen zu schreiben; und da ich weder voraussezen darf daß ich Ihnen ganz unbekannt bin noch auch erst nöthig habe Sie meiner innigen Verehrung zu versichern, so will ich auch ohne weitere Umschweife mit der Sache selbst hervortreten.
Vgl. Brief
3185.
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Es ist nun ein Jahr seit unser gemeinschaftlicher Freund
Schwarz von mir veranlaßt zuerst bei
Ihnen anfragte ob Sie wol geneigt sein würden einen
Lehrstuhl der Theologie bei der hier zu errichtenden Universität
anzunehmen.
Vgl. Brief
3186.
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Seine Antwort gab mir einige Hofnung und auch Herr von
Humboldt legte
sie günstig aus und war lies: höchlich
[Schließen]höhlich darüber erfreut; da
aber die Sache damals noch in weitem Felde war eilte er
nicht weitere Schritte zu thun. Seitdem muß er aus anderen
Quellen die ihm sehr lauter | 146v
scheinen minder günstige Nachrichten über Ihre
Gesinnungen eingezogen haben
Vgl. Brief
3360.
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und schrieb mir schon im Herbst aus Königsberg
er wisse gewiß daß Sie so lange Giessen seinen Landesherrn
behielt nicht kommen würden,
und seine Hofnungen beruhten nun nur darauf
ob vielleicht die zu treffenden
Einrichtungen im westlichen
Deutschland eine solche
Veränderung herbei führen würden.
So hat die Angelegenheit unserer
theologischen Facultät gänzlich geruht. Nun aber
diese Hofnung verschwunden ist und die Zeit sich nähert da
der ganze Plan der Universität
realisirt werden soll blieb ja nichts anderes übrig als
ohnerachtet jener Ueberzeugung doch noch einen
Versuch zu wagen ob Sie nicht für uns zu gewinnen wären,
und Herr von
Humboldt hat mir
aufgetragen Ihnen die Sache ganz so dringend wie sie ihm
und mir und vielen andern ist ans Herz zu legen. Er sowol als unser Innenminister war Alexander von Dohna-Schlobitten
[Schließen]Herr Minister wünschen nichts sehnlicher als Sie zum Grundstein
unserer theologischen Facultät machen zu können,
unser braver Nicolovius den Sie
lieben und achten werden sobald Sie ihn kennen erwartet
davon | 147
lies: vorzüglich
[Schließen]vozüglich die günstigsten Einflüsse auf die
künftige Beschaffenheit unserer Geistlichen und
das Wiedererstehen theologischer Gelehrsamkeit
unter uns, und wie sehr ich,
ein Anfänger auf dem Katheder und in der Theologie
überhaupt wünsche durch Ihr Vorbild und
Ihre freundschaftliche Nähe mich schneller zu vervollkomnen
und kräftig mit Ihnen zusammenzuwirken, das hoffe ich
glauben Sie mir gern und leicht ohne daß ich noch mehr
Worte darüber mache. Kurz Sie würden von allen Seiten mit
der innigsten Achtung und der herzlichsten Liebe unter uns
aufgenommen sein. Die Verhältnisse der meisten übrigen
deutschen Universitäten sind für die Anlage der
hiesigen so günstig als möglich. Der Sinn in dem
sie gestiftet wird ist rein und gut, die jungen Leute die
uns unsre höheren Gymnasien liefern sind im Ganzen ein
ernstmeinendes und liebenswürdiges Geschlecht,
und besonders wenden sich jezt mehr als sonst geschehen
ausgezeichnete Köpfe zum theologischen Studium,
und man findet gar nicht selten einen wahrhaft religiösen Sinn mit
dem reinsten wissenschaftlichen Streben und dem liberalsten
Forschungsgeist wie Sie ihn so sehr zu wekken
wissen verbunden; kurz ich kann Ihnen auch von unsern
Schülern | 147v recht viel Freude mit gutem Gewissen
versprechen. Ueber die Einrichtung der Universität und unserer Facultät
ins besondere kann ich Ihnen freilich noch nichts genaueres
sagen, die Pläne werden noch ventilirt und man läßt sich
Zeit in einer so wichtigen Sache. Aber es kann aus dem
Geist in dem man handelt nichts schlechtes hervorgehn, und
auf die Einrichtung der theologischen Facultät werden
Sie von dem Augenblik an wo Sie Sich für
[...](?)
über den ursprünglichen Text geschriebenuns
entschieden den entschiedensten Einfluß gewinnen
denn man läßt Ihren Verdiensten Ihrem Geist und Ihrer
Erfahrung die vollkommenste Gerechtigkeit widerfahren, legt
und da von unsern hiesigen Geistlichen keiner den mindesten
Einfluß auf diesen Gegenstand hat und noch mit
keinem auswärtigen Theologen eine bestimmte Unterhandlung
eröfnet ist so würden je eher Sie Sich
entscheiden um desto gewisser wir beide allein
den Grund des Ganzen legen können.
Sie sind in Giessen mit lästigen Geschäften überhäuft, hier würde es ganz in Ihrer Gewalt stehn lediglich dem Lehrstuhl zu leben, und dennoch nicht nur durch Ihr persönliches Ansehn, sondern auch durch die Art wie bei unserer jezigen Organisation Gelehrte zu Rathe gezogen werden auf eine mehr officielle Weise Einfluß in die Lei | 148tung der kirchlichen Angelegenheiten und also auch in das weitere Schiksal Ihrer künftigen Schüler zu gewinnen. Was das Privatleben anbelangt so ist man hier so sehr sein eigner Herr wie sonst nirgends. Es würde Ihnen gewiß nicht an einem kleinen Kreise von Menschen fehlen die Ihnen sehr lieb sein werden zu Ihrem Umgang; ja ich hoffe sehr daß auch ich und die Meinigen dazu gehören werden. Von der größern Gesellschaft kann sich ja jeder so sehr zurükhalten als er nur will und auch die Gleichheit des Standes und die officiellen Verhältnisse legen nicht den mindesten Zwang auf und wirklich Berlin zeichnet sich aus durch eine freundliche und gutmüthige Art jeden zu nehmen wie er ist und schalten zu lassen mit sich wie er will.
Das ökonomische ist das lezte wovon ich Ihnen etwas sage, denn ich weiß wol wenn Sie Sich nicht durch die Ueberzeugung bewegen lassen daß Sie hier mehr und weiter wirken können, wenn das frische Leben Sie nicht reizt welches sich hier regt und die Hofnung die wir Alle so vorzüglich und ausschließend auf Sie sezen, durch Geld werden wir Sie nicht gewinnen. Ein Gehalt von 2000 R bietet man Ihnen gleich an, und ich glaube es komt nur auf einen ernstlich geäußerten Wunsch an so giebt man Ihnen die Zusicherung es nach ein Paar Jahren oder im Nothfall auch gleich mit 500 R zu | 148v erhöhen. Dies ist dasselbe Gehalt welches auch die königlichen Staatsräthe beziehen (die eine Nebeneinnahme wie sie Ihnen die Vorlesungen gewähren können entbehren müssen) und womit man also wie Sie sehen sehr anständig hier leben können.
Theurer innig verehrter Mann ich berge Ihnen nicht daß ich mit einem guten Glauben den Auftrag Sie zu fragen übernommen habe; es ist mir als würden Sie ja sagen, als könnte es nicht anders kommen. Ich wüßte nicht was mir lieberes begegnen könnte als Ihre Zusage aus der ich die herrlichste Vorbedeutung schöpfen würde für die Sache die mir so sehr am Herzen liegt. Aber ich weiß auch wenig was mich so niederschlagen könnte als wenn Sie verneinen. Ich kenne gar nichts, ich nenne nicht etwa Einen, sondern auch nicht zwei oder drei zusammen die uns Sie ersezen können. Sagen Sie Selbst wohin sollten wir in diesem traurigen Falle unsere Blikke richten. Mit etwas gewöhnlichem richten wir nichts aus; es muß eine große Kraft an diesem Punkt angebracht werden wenn etwas gedeihliches entstehen soll, aber dann ist auch gewiß auf einen herrlichen Erfolg zu rechnen. Möge unser guter Genius Sie regieren, überlegen Sie recht wie wichtig das hiesige Unternehmen für ganz Deutschland werden kann und wie sehr die ganze Lage unseres Vaterlandes es erfordert die zerstreuten Kräfte auf wenige Hauptpunkte zu sammeln, lassen Sie gegen diese größeren | 149 Motive alle anderen auch solche an die das Herz sich am liebsten hängt aber die man doch als untergeordnet erkennen muß schweigen sehen Sie Sich ganz als der Sache gewidmet an die wir gemeinschaftlich treiben – und was Sie so entscheiden kann denke ich nicht anders als nach unserm Wunsche ausfallen.
Es versteht sich daß ich Ihnen zu allem bereit lies: bin
[Schließen]sind was Sie etwa wissen zu müssen glauben um Ihren
Entschluß zu bestimmen so wie mich nichts
so sehr freuen wird als alle kleinen Dienste die ich Ihnen
wenn er günstig für uns ausfällt werde zu leisten
haben.
Nehmen Sie die Versicherung meiner herzlichsten Verehrung an.
SchleiermacherZitierhinweis
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