Vgl. Brief 3424. [Schließen]Freilich hast Du sehr recht liebste Schwester daß es mit dem Aufschieben schon lange zu viel ist. Du thust mir auch einen großen Gefallen daß du mir erläßt Dir zu sagen wie es damit zugegangen. Ich habe gesehn daß Henriette Schleiermacher [Schließen] Jette dir einmal eine kleine Rechenschaft von unserm Leben und namentlich auch von meinem persönlichen Treiben gegeben hat, und andern Aufschluß als diesen weiß ich dir auch nicht zu geben. Zu andern Zeiten war es freilich damit nicht minder arg [...] über den ursprünglichen Text geschriebenund ich schrieb doch mehr Briefe – aber damals war ich eben noch der Einzelne. Darin liegt alles was Du dir selbst weiter auseinandersezen kannst, unter andern aber auch daß wenn Jette schreibt ich ja immer auch geschrieben habe, und zwar gewiß besser als wenn ich es selbst thue. Wenn ich Dir nur recht sagen könnte wie ich ganz in meinen Arbeiten und in meinem Hause aufgehe. Es ist eine große Glükseligkeit aber auch ein großes Elend. Denn diese beiden stehn in einem kleinen Kriege und thun einander Abbruch | 47v denn in der Arbeit unterbricht mich doch sehr oft das Gefühl von Jette und den Henriette Schleiermachers Kinder aus erster Ehe, Henriette Pauline Marianne und Ehrenfried von Willich [Schließen] Kindern und mitten unter diesen schwärmt mir auch wieder die Arbeit im Kopf herum. Kurz es bleibt meine Devise, der Mensch ist ein geplagtes Individuum. Jezt eben kann ich etwas verpusten, Schleiermacher las im WS 1809/10 über „Christliche Sitte“ und über „Hermeneutik“. [Schließen] meine Vorlesungen sind geschlossen und die Festarbeiten vorüber; aber nun zerstükkelt sich auch die Zeit so daß ich um nichts reicher bin.
Sachanmerkung:
Die ... möglich ist. ] Vgl. Brief
3424.
Die ... fatal gewesen.] Offenbar hat der von Schleiermacher
empfohlene Hauslehrer Laurenzi Schulden gemacht oder sogar Geld
entwendet.
[Schließen]
Die Geschichte mit Laurenzi ist mir im
höchsten Grade fatal gewesen.
Ich kann mir recht denken wie Du dadurch bewegt
geworden bist und ich liebe das an Dir weil es ganz
zu deinem Wesen gehört. Ich tröste mich auch umso
leichter darüber daß der Mensch in dein Haus gekommen ist denn er
ist dir doch eine merkwürdige Erscheinung gewesen.
Mir aber hatte diese Katastrophe nur Widerwillen
und die Art von Bedauern eingeflößt in der
Verachtung das meiste ist – zumal er Dich so gut
verstand und schäzte und dies doch nicht Kraft
genug hatte ihn abzuhalten. Für das
Gedicht liebste Lotte habe ich nichts thun können.
Denn allen Buchhändlern hier von denen man nur hört
ist Laurenzi Geld schuldig; also würde seine Absicht
dortige Gläubiger zu bezahlen wenigstens vereitelt
werden.
Vielleicht | 48
könnte man es während der Leipziger Messe an
einen auswärtigen Buchhändler
verhandeln aber
dazu würde doch immer gehören daß man es vorzeigen
könnte. Ich will indessen gern noch thun und durch Andere thun
lassen was möglich ist.
Wie denkst du nun aber dem
Bedürfniß deiner Kinder wieder abzuhelfen? Du kannst sie
doch schwerlich lange ohne einen männlichen
Lehrer lassen und es hat mich ordentlich unruhig gemacht
daß
aus einem Briefe an die Herz zu sehn daß Du es nicht für so dringend
hältst. Es ist gar übel daß ich dir von hier aus gar nicht zu Hülfe kommen
kann aber alle jungen Männer die ich hier kennen zu lernen
Gelegenheit habe sind schon in irgend einer bestimten
Carriere. Ich wüßte aber nichts was ich thun könnte als daß ich an Konopak nach Rostok schriebe
oder an einen Freund in Halle
ob sie etwas empfehlungswürdiges kennen was eben
von der Universität abgeht. – Mit unserer Universität
ist es leider noch in ziemlich weitem Felde; schwerlich
wird sie schon im Herbst ganz völlig zu Stande sein. Darum wäre dieser Sommer
herrlich noch eine ordentliche Reise zu machen aber ich
sehe die Möglichkeit dazu von keiner Seite. Das aber haben
wir uns fest vorgenommen im Sommer des nächsten Jahres wenn
nicht irgendein besonderes Unglük uns abhält wieder Euch ihr | 48v
Lieben heimzusuchen.
Maria
Christiane Luise von Willich
[Schließen]
Luise
indeß hat uns Hofnung gemacht gegen den Winter zu
uns zu kommen, und das wäre sehr schön. Bestärke sie doch
darin auf alle Weise – mit dem Schreiben ist es mir so
schlecht mit ihr gegangen daß ich nur diesen Weg sehe mich
wieder recht mit ihr einzuleben, und die
Einrichtung unsers Hauses wird denke ich bis dahin so zu
Stande kommen daß es keine Schwierigkeit haben kann. Du hattest sehr
recht mir ihretwegen etwas ins Gewissen zu reden; ich will nun auch in
diesen Tagen sehn wie weit ich es mit dem Schreiben wieder
bringen kann. Denn wiewol mir ganz so gegen sie zu Muthe
ist wie immer: so fürchte ich doch daß ich ihr etwas
entfremdet bin durch das fatale lange Schweigen.
Unter den zehn Unterbrechungen die ich während ich dies schrieb erfahren habe war auch das junge Frauenzimmer die sich nach Franzburg bestimmt hatte und mir einliegenden Brief bringt. Ich schikke ihn Dir offen damit Du ihn mit den gehörigen Erläuterungen begleiten kannst. Denn in der großen Eile die sie hatte um den Posttag nicht zu versäumen hat sie in dem Briefe nicht so deutlich wie es wol dastehn sollte gesagt daß sie wirklich Platen ist der Mädchenname der Mutter von Charlotte Kathens Ehemann - also wahrscheinlich ein Verwandter. Die Familie von Platen waren Herren auf Franzburg. Um welchen Herrn von Platen es sich in dieser weitverzweigten Familie handelt, war nicht zu erruieren. [Schließen]wenn Herr von Platen es wünscht fest entschlossen ist auf ein halbes Jahr hinzugehn, und ich finde das auch sehr löblich. Verwende Dich nur dafür daß Herr von Platen | 49 ihr seinen Entschluß baldmöglichst zu wissen thut und ohne etwas anderes als seine eignen Convenienz zu Rathe zu ziehen. Sollte er ihr der Zeitersparniß wegen gradzu antworten wollen so ist ihre Adresse „abzugeben bei H Natorp Jakobsstraße No Herrn Regierungsrath Schede Leipziger Straße No 110. [“]
Meine Gesundheit liebe Schwester ist ganz vortreflich, so gut seit der schlesischen Reise wie sie lange nicht war. Aber im Hause hat es viel Kränkeleien gegeben alles hat gehustet, und die Kinder waren in einem Zustande der mich besorgt machte sie würden ein Nervenfieber bekommen. Alles ist aber glüklich vorüber, nur Jette und Anne (Nanny) Schleiermacher [Schließen] Nanny husten noch immer etwas. Das Frühjahr ist schreklich zurükgehalten worden durch anhaltenden Nordostwind; jezt endlich fängt es mächtig an zu treiben, die Kinder tummeln sich schon fleißig im Garten und die Herz fängt wieder an manchmal die Nacht bei uns zu bleiben – Nur leider die Hofnung sie bei uns wohnen zu haben, was in vieler Rüksicht so sehr herrlich wäre scheint mir fast zu vergehn denn ich sehe nicht ein wie wir Plaz ge | 49vnug haben wollen da ich für meine Person so enge logirt bin daß ich es nicht lange würde aushalten können, und dann werde ich mich in den für sie bestimmten Zimmern einrichten müssen. Wenn wir sie nur so sehr als möglich in unsere Nähe bekommen könnten, aber ich glaube daß auch das solange ihre Esther de Lemos [Schließen] Mutter lebt große Schwierigkeiten haben wird.
Deinen Geburtstag haben wir auf die schönste Weise gefeiert. Wir haben an diesem Tage communicirt, und die Herz aß hernach bei uns und wir tranken Deine Gesundheit in schönem Punsch-Getränk [Schließen]Bischof .
Bleibe uns nur recht gut liebste Lotte, und grüße die Deinigen und alle unsere Lieben aufs herzlichste
ErnstB. d. 26t. Apr. 1810.
[Nachschrift von Nanny:] Ihr auftrag war nicht so leicht als ich anfangs glaubte, die Blumen macherinnen wollen einem das nicht sagen, endlich habe ich erfahren, das die Eisen zum punktiren das stük 5 Thaler und eins von den Andern, 18 Thaler Koste das dis doch ein bißchen viel ist, so warte ich erst Ihre Antwort ab. Nanny
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