Halle den 2ten Januar

Es ist wohl nicht recht, lieber Schleier daß ich Ihnen nicht früher gesagt, daß mich  Vielleicht Brief 3367  [Schließen]die unerwartete Erscheinung Ihres Briefes recht erfreulich überraschte ja wohl haben wir uns lange nicht geschrieben, aber recht viel an Sie gedacht habe ich doch und mich Ihres neuen Glüks gefreut, wie gern ich Ihre Frau und  Kinder der Henriette Schleiermacher verw. von Willich aus erster Ehe [Schließen] Kinder kennen mögte, kann ich Ihnen nicht genug sagen, von allen Seiten höre ich nur gutes und Schönes von Ihnen, und auch ohne dem würde ich Sie gewiß von Herzen lieb haben müssen es ist ja Ihre Frau, lieber guter Schleier! – Wenn uns doch der Himl das Glück gönte wieder mit Ihnen leben zu können, so bald Sie nur das Geringste erfahren, ob mann an Steffens denkt, so sagen Sie es  | 38v uns gewiß, nicht wahr? es wär für Steffens unendlich viel werth mit Ihnen zusammen zu sein und überhaupt von hier weg zu gehen würde Ihm nur Freude machen, auch ich vertausche Halle gern mit Berlin , da ich selbst das Angenehmste und liebste was ich hier habe, nicht rein geniesen kann.

 Wilhelm Grimm reiste 1809 nach Halle [Schließen] Grimm . konte uns leider nicht recht viel von Ihnen erzählen, worauf wir uns recht gefreut, wir sind drey Wochen sehr froh mit dem lieben Menschen gewesen, und haben Ihm recht ungern von hier reisen lassen. –

Der junge Doktor Stuhr der Ihnen diesen Brief bringt, ist recht viel, besonders diesen Winter bey uns gewesen, und wir haben Ihn recht sehr lieb, Sie erzeigen  | 39 uns einen rechten Gefallen wenn Sie Ihn freundlich aufnehmen. Er freut sich sehr auf Ihre Bekantschaft. –

Wenn mein Brief heute etwas toll und confus wird so schreiben Sie es einzig den Kindern zu die viel Lärm hier am Tisch machen und mich auch dann und wann am Arm ziehen, ich mögte Sie Ihnen wohl einmahl zeigen, es sind rechte nette Kinder, ohne doch im mindesten ausgezeichnet zu sein, Anne war kleiner recht hübsch, nun ist sie es eigentlich nicht mehr, doch ein freundlich Kind bleibt es noch, Cläre sieth sehr blass und mager, ohne daß Sie noch kränklich wäre, ich denke mit der Zeit findet sich auch die gesündere Farbe, sie soll im Sommer wieder baden. – | 39v

Von unserm Leben läst sich gar wenig sagen, wir haben noch nie so wenig Menschen gesehn wie diesen Winter, die häufigen Besuche im Sommer machen es nothwendig daß wir uns jetz sehr einschränken, dies ist  Johanna Reichardt [Schließen] Vater sein Fall auch, und so sehen wir uns selbst untereinander selten ordentlich. Die Theurung, die hier sehr arg ist, macht es noch schwerer: Steffens sieth sich alle Woche einmahl, mit Blanc  lies: Rienecker  [Schließen] Reinder(?) und  lies: Dolow [Gemeint ist Dohlhoff.]  [Schließen]Dalow , wir Frauen kommen selten zusammen. –

Dich meine liebe  Anne (Nanny) Schleiermacher [Schließen] Nanny muß ich auch noch begrüßen, und Dir sagen daß Du mir eine rechte Freude machen köntest, wenn Du mir einmahl schreiben mögtest, sehr gern werde ich Dir antworten und Dir erzählen was Du von hier wissen magst.

Leben Sie nun von Herzen wohl Bester Schleier! und vergesen Sie uns nicht

Hanne

Zitierhinweis

3384: Von Johanna Steffens (auch an Anne (Nanny) Schleiermacher). Halle, Dienstag, 2. 1. 1810, ediert von Sarah Schmidt und Simon Gerber. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0007213 (Stand: 26.7.2022)

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