Weimar den 4.12.9.

Hochwürdiger Herr,

Mag es immerhin von meiner Seite als eine Zudringlichkeit erscheinen, wenn ich es noch einmal wage Ihnen meine Liebe und innige Zuneigung zu bezeugen, da ich nicht weiß, wie Sie  Vgl. Brief 3140. [Schließen]die wenigen Zeilen, die ich Ihnen vor längerer Zeit gesandt, aufgenommen haben. Ich wage es dennoch, selbst auf die Gefahr, mit der Menge von Menschen, die mit widriger Freundlichkeit jeden Ausgezeichneten stürmend umlagern, in Eine Klasse geworfen zu werden. – Ein Herz, dem Dankbarkeit heilig ist, drängt sich zu Ihnen; ich darf der innern Anforderung nicht länger widerstehen. Sie haben durch Ihren Vortrag wie durch Ihre Schriften mächtig  | 3v und für die Ewigkeit auf mich gewirkt; durch Sie ward mein Sinn für Religion gewekt und so verehre in Ihnen meinen zweiten Vater. Die wunderschönen Stunden, wo ich Ihre Vorlesungen über die Ethik mit jugendlicher Begeisterung hörte, stehen unvergessen in meinem Herzen. Darum verargen Sie es mir nicht, wenn ich das Gefühl der Liebe und Achtung für Sie, was so lebendig in mir lebt, auch aeußerlich darzustellen suche. Für Sie kann es vielleicht gleichgültig seyn, doch nicht für mich.

  Johannes Karl Hartwig Schulze und Heinrich Meyer (Hg.):Winckelmann’s Geschichte der Kunst des Alterthums“, Bd. 1 (1809) [Schließen] Nehmen Sie einliegende kleine Gabe freundlich auf. An dem nächsten Bande, welcher einen Theil der griechischen Kunstgeschichte umfaßt, arbeite ich unausgesetzt. Sollten Ihnen Winke und Berichtigungen über Winkelmann und seine Werke zur Hand seyn, so bitte ich um gefällige Mittheilung; ich werde sie dankbar benutzen.

 Johannes Karl Hartwig Schulze: „Predigten“ (1810) [Schließen] Den ersten Band meiner hier gehaltenen Predigten werde ich Ihnen in einigen Wochen über | 4senden, und zwar nicht ohne Zagen; denn ich weiß, wem ich sie sende. Doch jeder giebt, was er hat!

 JALZ 1809, Bd. 1, Nr. 40, 17.2. Sp. 313-316, vgl. KGA III/1, S. XCVIf [Schließen]Entschuldigen muß ich mich noch bei Ihnen wegen einer nicht geringfügigen Sache. Sie betrifft die Recension des letzten Bandes Ihrer Predigten. Eichstaedt hatte sie mir übertragen; ich schrieb sie mit der größten Liebe Sorgfalt und Genauigkeit und hatte das Eigenthümliche Ihrer Predigten nach meinen Kräften dargestellt. – Allein weil die Recension etwas länger ausgefallen war, als man bei Predigten, die gewöhnlich sehr oberflächlich behandelt werden, zu erwarten pflegt: so hatte Eichstaedt, der seine kaufmännischen Rücksichten nie vergißt, das genau zusammenhängende Ganze, ohne mich zu fragen, auf eine unverantwortliche Weise verstümmelt und kaum den achten Theil abdrucken lassen. Ich habe seit der Zeit alle Verbindung mit Eichstaedt abgerissen. Uebrigens bitte ich Sie diese Erklärung, welche ich Ihnen und mir schuldig war, weder dem Eichstaedt noch sonst einem andern mitzutheilen. Denn ich hasse jeden  | 4v litterarischen Zank.

Die Nachricht von der neuen Universität in Berlin hat mich ungemein erfreut. Ich habe keinen sehnlicheren Wunsch als Ihre Vorlesungen über die Dogmatik zu hören, weil mir gerade in diesem Theil der theologischen Wissenschaften aller Anstrengung ohngeachtet noch so vieles undeutlich ist. – Aber wie es möglich machen? – Wäre mein Wirkungskreis nicht so gediegen und tüchtig, wüßte ich nicht, daß in der Anstalt, woran ich arbeite, manches schön Begonnene durch meine Entfernung vielleicht für immer unterbrochen würde: fürwahr ich packte meinen Koffer, reiste nach Berlin und würde noch einmal Student.

Schulze

Zitierhinweis

3372: Von Johannes Karl Hartwig Schulze. Weimar, Montag, 4.12.1809, ediert von Sarah Schmidt und Simon Gerber. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0007201 (Stand: 26.7.2022)

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