B. d 23t. Novemb. 09

Liebe Lotte ich schreibe dir heute ohnerachtet es nur ein Paar Worte werden können weil wir Gestern Abend im Plauderstündchen ausgemacht haben ich sollte dir doch ja recht zureden zu kommen wenn du es irgendwie kannst; wir versprechen uns einen recht hübschen häuslichen Winter und fanden daß es so recht zum Ganzen gehören würde dich hier zu haben. Gieb also nur ja keinen Bedenklichkeiten Raum wenn eine Gelegenheit sich darbietet; am wenigsten Geldbedenklichkeiten. Denke daran wie aus einer solchen unsre selige Mutter sich die lezte Gelegenheit verschlug ihren  Ernst Stubenrauch [Schließen] Bruder in Halle noch zu sehn und wie der Vater hinten nach fand das wäre gar nicht nöthig gewesen. Du mußt doch unser Leben hier sehn, und ich kann warlich nicht dafür stehn wie lange es überhaupt noch dauert denn nahe Todesahndungen kommen  | 3v mir oft sehr lebhaft noch weniger kann ich dafür stehn bei allen verrükten Anfechtungen die man mir in der lezten Zeit gemacht hat ob ich noch lange in meiner gegenwärtigen Lage gemacht hat  über der Zeilebleibe und dann möchte es doch viel weitläuftiger sein.

Mein Geburtstag ist recht vergnügt gefeiert worden. Ich hatte eine sehr schöne Morgenstunde mit  Henriette Schleiermacher [Schließen] Jette ; ich predigte; Mittags war die Herz bei uns und Abends dann noch mehrere Freunde[.] Es ist immer ein rührender Tag weil sich so mancherlei Liebe offenbart die mir zu Theil wird daß ich mich immer sehr dankbar gegen Gott fühle und neue Kräfte sammle für die Zukunft. Ja Liebe ich erfahre viel Gnade von Gott und dafür seid immer dankbar und froh auch wenn ich nicht mehr da bin. – Ich habe mich eine lange Zeit sehr übel befunden; seit ein Paar Tagen bin ich wieder frischer aber auf Dauer rechne ich doch nicht für den  | 4 Winter sondern nur auf eine sehr abwechselnde und kümmerliche Gesundheit

Auf den Sommer muß ich dann irgendwo baden: ich war schon ziemlich entschlossen in Kudowa neulich ist aber sehr lebhaft in Anregung gekommen ob es nicht gerathen wäre nach Pyrmont zu gehn. Doch es wäre thöricht über eine so weite Zukunft jezt etwas festsezen zu wollen.

Einen sehr tiefen Schmerz habe ich neulich gehabt; einer meiner liebsten Schüler hier auf den ich große Hofnung sezte ein Schlesier [...]  Vielleicht identisch mit Ferdinant Mauderode, der jedoch erst 1813 starb, möglicherweise stimmte Schleiermachers Information nicht.  [Schließen] Mauderode (die Lange weiß gewiß auch von ihm) ist im Felde geblieben. Ich kann dir nicht sagen wie wemüthig ich diesem herrlichen Menschen nachsehe.

Und nun muß ich aufhören. Ich rechne sehr darauf dir nächstens noch eine Anweisung zu schiken. Alles grüßt dich herzlich und alles ist wohl bis auf Jette die Halsweh und ein schlimmes Auge hat, es ist aber alles nur schnupfiger Natur.

Dein treuer Bruder F.S(?).

Zitierhinweis

3368: An Charlotte (Lotte) Schleiermacher. Berlin, Donnerstag, 23.11.1809, ediert von Sarah Schmidt und Simon Gerber. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0007197 (Stand: 26.7.2022)

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