Liebe Herzens Jette! Ein wahrer Balsam war mir gestern
Dein
lieber Brief
– der spät genug kam – aber mich doch auch überraschte –
weil ich nun die Hofnung aufgegeben hatte, und mir nichts
erwarte, als bis Ihr Alle beieinander seyn würdet –
Vgl. Brief
3351.
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Dein guter Mann schrieb mir von Schweidniz
aus
– ich erhielt beide zu
gleicher Zeit und danke recht herzlich dafür. Die traurige
Veranlaßung der schnellen Trennung ergrif mich so meine gute
Jette – daß ich erst früh bei Eurer Abreise, und noch später
– das gewaltsame abreißen und das Entbehren der
mancherley Freuden und stillen Genüße – die Andre und wir
selbst uns bereitet hatten recht empfand. Ach meine süße
Jette es war ein | 30v schöner nur alzukurzer Traum!!!
sehr dankbar bin ich Heute noch daß mir die gute
Seidliz die Reise ins Gebirge
gleichsam anbot – hätte unser Ersehn nur auf Gnadenfrey beruht – so
wären es nur ganz kleine Bruchstükke in deren Rükerinerung
ich mich begnügen müste!!! Du lächelst wohl über meine
vielen oft Dir ausgesucht scheinenden Worte – aber Du
fühlst auch zart genug durch das ungewohnte
hindurch meine große innige Freude an dem schönen glüklichen
Verhältniß mit meinem guten Bruder und wie dankbar ich der
ewigen Liebe bin – die dich ihm zuführte – wie gut ist doch
alles geworden – und | 31 wie kann
noch alles durch Deine trefliche Behandlung so schön werden
– ich hätte dir dis und manches andre gern mündlich gesagt – in
den Tagen die Uns nicht vergönt wurden – den lezten Mittag
gab es solche momente – ich wolte sie benuzen aber das
gegenseitige Gefühl machte uns Beide stum – so – wäre es
wohl noch öfter gekommen – wir hätten durch mancherley uns
noch inniger genähert – die arme Lotte wäre nur noch
verwöhnter geworden so kann ich am besten mich
beruhigen über das abgekürzte Zusammenseyn – ach
– ich darf es nicht so sagen wie mir zu | 31v Muthe, doch, macht mich es nicht so trübe, daß ich
nicht jeden Tag in einem eignen Nachgenuß lebte –
und mich bey der innigen Wehmuth doch auch
recht glüklich fühlte – gern hätte ich dich mehr noch mit
Schleier gesehen – denn während den parthien war doch wenig
Genuß der Art – – Wie steht es nur jezt mit seiner Gesundheit? ach
wenn er nur nich so auf sie hin stürmte in Ansehung des
Essens, und des zu spät einnehmens. Gott erhalte Dir Deine allerliebsten Kinder küße sie recht von
mir ab – wohl müßte dein Herz dich treiben – Denke doch ich
täglich ihrer – wenig Genuß war für die zärtliche Mutter
ohne dies – | 32
Vgl. Brief
3348.
[Schließen]Da ich dir lieber Bruder erst kürzlich ausführlich geschrieben
– füge ich
dem inliegenden Briefe weiter nichts hinzu – als die Bitte
ihn in einem recht lieblichen momente deinem guten Weibchen
einzuhändigen unter einem langen langen Kuß – ich zweifle
nicht dran – daß Ihr | 32v an solchen
Festtagen mich im Geist in Euerer Mitte habt – aber ich
bitte auch recht sehr darum – Bruder
Dober – dem ich
lezt gelegentlich das kleine Gedicht las welches ihm sehr
gut gefiel grüst recht herzlich
so auch die gute Forestier,
Freundin von Esther de Lemos, Mutter der Henriette Herz
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Jettens
Mutter
. Grüße Alle unsre Lieben
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