Schmiedeberg Montags.
Ich will wenigstens den Versuch machen geliebter Ernst dir einige Worte
zuzustellen da du gewiß ungeduldig auf Nachricht von uns
bist. Unsere
Henriette Pauline Marianne von Willich
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Jette
trafen wir ganz gesund denn sie hatte keine Masern sondern die
Windpocken
[Schließen]Schaafblattern gehabt, war 2 Taage sehr kranck gewesen, doch nun so
weit hergestellt daß sie schon in der Mittagsstunde an der
Luft gehn durfte.
Ehrenfried von Willich
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Friedchen
ist heiser und etwas blaß aber sonst ist keine Spur von
Kranckheit bei ihm zu entdecken, er wird also hoffentlich
frei bleiben. Ich
komme nun etwas beschämt zu Dir theurer Mann wegen der
unnöthigen und übertriebenen Angst die ich gehabt,
der daraus entstandenen Verirrungen und
Kosten [...] . Wenn Du aber wüßtest wie ich
gelitten habe würdest Du doch nicht sehr schmählen sondern
mir zugestehen daß ich reisen mußte. In diesem Gemisch von Freude und von Bedauren der
Folgen meines raschen Schrittes lebe ich nun seit ich hier
bin besonders denke ich immerfort daran daß du gewiß
einen großen Schreck haben
wirst wenn Du in Gnadenfrei kommst und uns nicht findest –
Karl (Charles) Schleiermacher, vgl. Brief
3347.
[Schließen]denn mit ruhigerem Blick magst du wohl Carls Brief betrachten als ich gethan.
Was in mir | 1v vorgegangen
vom Freitag Abend bis Sonnabends halb eilf davon magst du
doch kaum eine Vorstellung haben – doch ja du hast sie aus
eignen Erfahrungen gewiß – wie die kleine Jette mir immer vorschwebte wie sie vor
zwei Jahren die Masern hatte und leichenähnlich hingestreckt
lag und mir dann war als müße mir das Herz brechen
– alle traurige Möglichkeiten gingen mir durch den Sinn
und die schrecklichsten Ahndungen
meinte ich in mir zu finden, nein ich kann es dir nicht beschreiben
aber ich weiß daß ich sie nach den Erfahrungen in mir als
ein wiedergeschenktes Kind jezt an mich drücke
–
Schon der Freitag nachdem du weg warst bin ich
nicht wenig traurig gewesen, ich sagte Dir schon vorher ich
könne es kaum aushalten vor Sehnsucht nach den Kindern und
korr. v. Hg. aus: daßdas
war mehr Ernst als du wohl glaubtest, ich habe den Freitag
immer heimlich geweint und hatte keinen
Gedanken als die Kinder und Dich, denn sollte ich mich auch schämen
müßen will ich dir doch bekennen daß die Trennung von dir
mich so schwermüthig machte wie ichs gar nicht vorher
gedacht hätte. Ich war recht kindisch den Donnerstag Abend
ich konnte mich gar nicht entschliessen mich ins
andre Zimmer zu betten zu
Charlotte Schleiermacher
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Lotten
und
Henriette Herz
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Jetten
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sondern blieb lieber allein in dem unsrigen wo ich dein Bette
doch sah und wo du mir überhaupt so gegenwärtig
warst. Dazu kam daß
uns Lotte
Abends den Lebenslauf einer frommen Frau mittheilte der mich
recht tief bewegte und einen Bleibenden Eindruck
auf mich machte.
So durch
und durch aufgeregt und weich von allen Seiten machte das
Kinderfest am Freitag mir große Freude vermehrte aber meine Sehnsucht nach den Kindern immer mehr, da waren so viele Mütter mit
ihren kleinen Kindern, und einige so
himmlisch süße Kinder darunter. Ach Ernst nicht aussprechen
kann ich es dir was da alles in mir aufgeregt wurde welche
schmerzlich süße Sehnsucht mein Herz ergriff – – So blieb es eigentlich in mir den ganzen Tag da kam
Abends Carls Brief
– ach fühltest
du doch mit mir wie ich hätte vergehen müßen hätte ich in
solcher Angst und Ungewißheit noch 6 bis 7 Taage
verleben sollen. Die arme Lotte wirst
du auch gewiß recht traurig gefunden haben sie war noch
krank dazu.
Ich denke auch recht mit Besorgniß an deine Gesundheit bei
dem sehr schlechten und kalten Wetter – | 2v Wirst du Dich nur nicht auch zu sehr
erschrecken theures Herz!
Thue mir doch den Gefallen solltest du gegen Abend
in Landshut ankommen
und es sehr finster sein einen Menschen mit
einer Laterne über den Berg mit zu nehmen wir haben es so gemacht
und es war gewiß nicht unnöthig.
Jette grüßt
Dich auf das innigste die Treue hat zwar sich gar nicht so
geängstet wie ich hat mich aber doch nicht abrathen wollen
zu reisen.
Leb wohl mein geliebter Ernst ich drücke Dich tausendmahl an mein Herz mein Einziger – Lieber – Deine Jette.
Die Kinder schicken dir Grüße und Küße, der Nanny meinen herzlichen Gruß.
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