Poseriz d 16ten 1809
Die lezte Nachricht die wir von Euch hatten lieber Schleier, war theils
sehr erfreulich, theils sehr beunruhigend.
Die Herz schrieb an der Kathen,
daß wahrscheinlich binnen eingen Wochen die Gemeint ist die Berliner Universität.
[Schließen]Akademie in Berlin errichtet würde.
Zugleich aber klagte sie auch
daß Du sehr viel am Kopfschmerz zu leiden
hättest. Lieber Schleier, das
ist ja recht schlim, daß Du so viel von der Art zu leiden
hast, und ich begreife nicht wie Du dann, solche Geistes
Arbeiten, so aushalten kannst? wie ist das recht möglich?
ach lieber Schleier wenn Du doch erst wieder recht gesund
wärest! –
und dann auch wirklich die
Akademie erst eingerichtet
wäre! ich habe immer die Sorge daß Du mit denen die zu Dir
gehören, einmal unerreichbar für uns
werdest.
Ich kam Gestern Abend von Garz
zu Hause wo ich 14 Tage gewesen bin.
Mein Sagardscher Besuch
dauerte nur 8 Tage,
ich sah nicht
Stubbenkammer
und kaum im Fluge die Brunnenaue
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Brunneau
, weil das Wetter so
schlecht war. Jetzt hat mich Charlotte Pistorius
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Lotte
ihr übles Befinden zurük gehalten. Ich fand sie noch
vor 14 Tagen, sehr schwach – ihre ganze innre und
äußre Kraft schien sie verlaßen zu haben, und nun konnte
ich nicht anders als bei ihr bleiben! und wie
gerne that ich es, denn wohl wuste ich was ich ihr
sein konnte! – | 49v ich nahm es
mir an ihr zweiter Doctor zu sein wenigstens sie zu schüzen
für alles Schädliche – sie selbst war nun noch grade auch so
furchtsam geworden, daß dies nicht schwer war, die arme
Lotte. Nun
habe ich sie aber recht frisch verlaßen, und ich fürchte
nun keinen Rükfall wieder.
Wärend ich in Garz
war, kamen dort unsre
Besuche,
Heinrich Pistorius war die Ganze
Zeit über dort. Er erkundigt sich immer sehr angelegentlich
nach Dir, und hört gerne von Dir, und würde sich freuen
wenn er Dir nicht unbemerkt geblieben wäre, sehr gerne
sieht er es daher, wenn wir Dir seinen Gruß bringen. Er ist
Lotte sehr
lieb, und wird ihr immer mehr ein theurer Bruder.
Franks waren auch eine Woche da, mit
ihnen,
waren wir einen Tag in Puttbus, wo es jezt wunderschön ist, auch
thut der Wilhelm Malte I., Fürst zu Putbus
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Fürst
alles zur Verschönerung des Parks wie des Schloßes, und
trift manche Vorkehrung das Ganze zum Aufenthalt des
Vergnügens für alle Fremden zu machen, als ein Beweiß daß
er es gerne sieht wenn es besucht wird.
Wie Franks weg waren, kam ein
andrer Besuch ein Jugendfreund von Lotte.
Ich weiß nicht ob Du von Friederike Israel, geb. Stenzler
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Friederikens
Bruder schon gehört hast, er heist Stenzler
vieleicht weiß Henriette Schleiermacher
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Jettchen
etwas von Lotte
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ihrem frühern Verhältniß mit ihm – Nun war er lange nicht in Garz
gewesen.
Obgleich er vieleicht blos ein gutmüthiger Mensch ist – so war
er mir doch durch manches nicht gleichgültig – denn noch
außerdem, was ich von dem frühern, in Beziehung mit
Lotte wuste,
bewegte es mich sehr
lieber Bruder, daß er mit Ehrenfried von Willich
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Ehrenfried
zugleich auf Schulen, und auf der Akademie
gewesen war, daß er mit ihm zugleichen Zeit ein Amt
bekommen, verheiratet mit
Charlotte Stenzler
geb. Droysen
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Mädchen
, so alt wie unsre Henriette Pauline von Willich
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Jette
, und einen Adolf Friedrich Stenzler
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Knaben
so alt wie Ehrenfried von Willich (d.J.)
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Friedchen
, hatte.
Er war die ersten 8 Tage allein in Garz
, und dann kam Friederike mit seiner
Frau
und den beiden lieben Kindern
ihm nach. Das kleine Mädchen war auch so gekleidet wenigstens
als unsre kleine Jette
–
ich hatte noch keine
Kinder von ihrem Alter gesehen seit sie nicht
mehr bei uns sind – und nicht beschreiben kann ich
wie mir zu Muthe war – wie sie kamen war der
Vater nicht da. Ich war in der Kammer neben
der Wohnstube und kleidete mich an – Die
Gesellschaft war im Saal. Den kleinen Jung aber hörte ich auf dem Hofe: „Wo ist
mein Wata, (Vater) ach wo ist mein Wata?“
Lieber guter Schleier! ich konnte nicht gleich hinein gehn – ich muste
wein, ich konte es nicht laßen | 50v
so froh ich auch immer bin daß Jettchen
und die Kinder bei Dir sind.
Daß sie Dein sind. Wie der Vater nun kam,
hingen sich die beiden süßen Kinder, in denen ich immer,
und immer
Jettchen und
Friedchen sah,
an ihn, und den ganzen Tag muste er sich mit ihnen
abgeben, immer hingen sie an ihm.
Die Mutter ist eine kleine zarte Frau, oft wenn
sie Lotte an sah,
schwam ihr großes schönes Auge in Trähnen – Gestern Abend, da sie uns von dem Tode ihres Paul Martin Droysen
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Vaters
erzählte ward sie mir sehr lieb. Er war auch
Prediger, und er führte sein Amt mit solcher Liebe, sagte
sie sie meinte einen so frommen Prediger der so sein Glük
und seine Freude im Amt gefunden habe könne es nicht mehr geben
– „wenn er im Altar gesungen hatte, so schön daß es aller
Herzen bewegte und dann durch die
Kirche zu Kanzel ging, o dann sah er aus wie ein Heiliger!“
so war er auch gewesen wie er starb, man hatte sie nicht bei
seinem Sterben zugegen sein laßen wollen, weil sie
schwanger war – aber sie war geblieben –
„und es schadete mir nicht, o mein Gott“ nun weinte sie so still und innig, „es thut mir wohl für mein ganzes Leben“ ja sie hat Recht! ach hätte ich mich nicht zurük weisen laßen, wäre ich auch bei Ehrenfried geblieben – er hätte sich vieleicht
Schadhafte Stelle [...]
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