Seit Ihrer
A. W. Schlegel verließ 1804 Berlin, folgte Madame de
Staël, in deren Diensten er als Erzieher ihrer Kinder stand, auf Reisen, sowie auf deren Landschloss in Coppet
.
[Schließen]Emigration aus Deutschland lieber Freund sind wir so sehr auseinander gekommen
wie es eigentlich nicht sein sollte. Dann bedarf es einer
Gelegenheit um wieder anzuknüpfen und ich freue mich eine solche
zu finden indem Es handelt sich um Karl August Gottlieb
Dreist, vgl. Brief
3371. [Schließen]einer meiner liebsten Schüler nach der Schweiz geht der Ihnen wol selbst diese Zeilen zustellen wird.
Er hat mich ganz
kürzlich brühwarm nach meiner Verheirathung besucht und kann
Ihnen sagen wie ich lebe.
Bis auf den Hausstand der nun freilich fixirt ist ist aber alles nur
sehr interimistisch weil wir hier noch gar nicht wissen was
aus uns werden wird.
Wenn nun eine Universität
hier wirklich zu Stande käme und Berlin dadurch einen ganz
andern Charakter gewönne | sollte Sie das
nicht hieherlokken können?
Wie angenehm auch Ihr Leben im Copet sein mag,
mich verlangt herzlich Sie wieder in Deutschland zu wissen, um so mehr da es leider scheint
daß wie Sie dem vaterländischen Boden fern sind Sie auch
für unsre Litteratur großentheils verloren sind. Wie weniges
ist es wofür wir uns seit Sie dort leben zu bedanken haben,
und wieviel sind Sie uns eigentlich schuldig!
Sachanmerkung:
Denn ... doch nicht.] Anspielung auf das in französischer Sprache
verfasste literaturwissenschaftliche Werk: „Comparaison entre la Phèdre de Racine et celle dÉuripide“
(1807).
opera supererogationis] Begriff aus der Scholastik für ein
verdienstvolles Werk
[Schließen]
Denn solche opera supererogationis wie
Ihre Missionarischen Bemühungen um das poetische Heil der
Franzosen
können zwar unsre Bewunderung fordern für die
Virtuosität die darin aufgewendet ist aber recht
anrechnen können wir sie Ihnen doch nicht.
Ich weiß nicht ob ich viel Ehre zu ordern(?) habe außer
Vgl. die bis dato erschienenen Bände 1,1 (1804),
1,2 (1805), 2,1 (1805) und 2,2, (1807) von Schleiermachers Platon
Übersetzung, „Die Weihnachtsfeier“ (1806, KGA I/5, S. 39-100),
„Gelegentliche Gedanken über Universitäten in deutschem Sinn“ (1808, KGA
I/6, S. 15-85), „Herakleitos der dunkle von Ephesos“ (1807/08, KGA I/6,
S. 101-241) sowie „Predigten. Zweite Sammlung“ (1808, KGA III/1,
203-415). [Schließen]den Paar Bänden
Plato
mit meiner kleinen Weihnachtsfeier
und
das
über den ursprünglichen Text geschriebender
eben so kleinen Schrift über die Universitäten
und der einen Abhandlung über den Heraklit
und einem Bande Predigten
die Sie wol gar nicht
zur Lit | teratur rechnen –
aber Sie müssen auch bedenken daß indem Sie der schönsten
Ruhe genossen ich die stürmischesten Zeiten
meines Lebens durchgemacht habe.
Meine Verbindung mit Friedrich Schlegel [Schließen]
Friedrich
ist auch ziemlich unterbrochen.
Vgl. Brief
3296;
Schleiermacher spielt auf Friedrich Schlegels Gedicht in Rostorfs
„Dichter-Garten“ (1807) an, auf die F. Schlegel ihn selbst aufmerksam
gemacht hatte, vgl. Brief 2537 6-13, KGA V/9. [Schließen]Ich habe ihm neulich einmal recht rein vom Herzen
weg geschrieben, wie es einem eingefleischten
Protestanten ziemt. Von seinen neuesten
Gedichten sind mir viele ich kann sagen
sie
alle die nicht geradezu von der Messe handeln ein
wahres Labsal gewesen.
Aber wie er sich mit Hardenberg über die
substantielle Verwandlung von Brot und Wein in
Leib und Blut Christi im Altarsakrament [Schließen]Transsubstantiation freut, und damit man es nicht für Poesie halte in
möglichst unpoetischen Versen, das, ich gestehe es, ist mir
zu viel.
Es handelt sich um eine nicht beglichene Buchbestellung für Madame de Staël, in erster Linie jedoch um ein säumiges Manuskript des zweiten Bandes des Werkes „Spanisches Theater“, den A. W. Schlegel als Übersetzer laut Vertrag Reimer schon vor Jahren versprochen hatte und deren Einlösung Reimer nach vielen erfolglosen Briefanfragen schließlich in einer öffentlichen Anzeige in der JALZ einforderte. Vgl. den Brief Reimers an A. W. Schlegel zur finanziellen Regelung der Streitigkeiten vom 23.3.1809, in: Josef Körner (Hg.): „Krisenjahre der Frühromantik“ (1969), Bd. 2, S. 21 f. Zum Verlauf des Streites und seiner Einigung vgl. Doris Reimer: „ Passion & Kalkül “ (1999), S. 278-296. [Schließen] Daß Ihr Streit mit Reimer ein friedliches Ende genommen hat mich sehr gefreut. Möchte nur durch Ihre neuorganisirten Buchhändler Verhältnisse bald recht viel Schönes zu uns gelangen.
Leben Sie wohl und wenn es sich fügt lassen Sie mich auch wieder einmal etwas von Sich hören. Mit alter Freundschaft und Anhänglichkeit
der Ihrige
SchleiermacherBerlin d 15t Aug. 09
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