Reinerz d 6t August 1809
Es ist wirklich ganz unverzeihlich daß Du lieber Bruder Vgl. Brief
3293.
[Schließen]mich meines dringenden Bittens ungeachtet mit deinem Schweigen so quälst: da du doch aus
vielfältigen Erfahrungen schon weist wie sehr das mein ganzes
Wesen angreift – erlaubten es deine Geschäfte nicht – oder
bist du selbst zu kränklich – welches Gott verhüte – so sind
doch noch Gemeint sind
Henriette
und
Anne (Nanny) Schleiermacher
sowie
Henriette Herz
.
[Schließen]3 Frauen die an mich schreiben könen – vergebens habe ich jezt von einem Posttag zum
andern gewartet – auch meine Theilnehmende Freunde sind sehr
verwundert über dich – die trefliche Bertram
zürnt auch – denn
mein Bester wenn Ihr Alle Euch glüklich fühlet – und vor
Wonne gleichsam schwebet so ist es doppelt grausam – die
arme verlaßene Lotte kein Wörtchen davon wißen zu laßen,
die sich im stillen grämt und kümert über Euer und der
Kinder Wohl – die sich sehnt nach den Lieben
die ihr liebend Herz so zärtlich und inig umschließt – o
Gott! nein ich warte keinen Posttag mehr – sei auch ein
Brief unterwegens – so ist es gut wenn Du das alles liest –
wie auch dazu daß mein Herz auf so vielfache Art verwundet
ist. – So viel Opfer die mein FreundschaftsGefühl diesen
Somer gebracht hat – die trefliche Bertram imer in der Nähe zu wißen –
und so selten und wie kurz und
unterbrochen sie nur sprechen zu können – eine andre mir sehr schäzbahre
| 9v Freundin auch öfters in Gnadenfrey
zu wißen, und sie
nie ein Stündchen haben zu können –
weil ich die Sontage die wir im Sommer da zubringen
doch sehr außer dem Gottesdienst, nur da leben und sein kann
wo die Seidliz mit
ihren Kindern gefüttert
wird;
daß ich wegen der Comtesse Posadowsky
eine ganze Zeit mit schwerem Herzen nach Gnadenfrey
fuhr weil
sie an einem bösen Fieber – und dann an der Schwäche so litt,
daß Viele glaubten, sie würde dann in der Hitze sich ganz
abschwächen – doch Gott stärkte sie ich habe ihr mein
zärtliches dankerfültes Herz in einem Briefe ergoßen, denn
ich war zu weich drüber zu sprechen – aber ach eine Andre die gern gelebt hätte, und auch noch
viel hätte nüzen können – und die ich sehr geliebt – ist
dieses Jahr imer kränklicher geworden, bis durch
eine schnelle Auszehrung sie vollendet wurde – meine gute Ellert du erinnerst dich ihrer
gewiß – und die Anne Schleiermacher
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Nany
noch mehr, sie
feierte eben ihren Geburtstag – als diese mit der Friederike Schleiermacher
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Fritze
die ihre intime Freundin war – bei mir war – und mich nach Schmiedeberg abholte –! ich
hatte mich zwar mit diesem Gedanken längst bekant gemacht –
aber ihr Hinscheiden in Reinerz zu erfahren – sie nicht
mehr zu sehen – ihrem Begräbniß nicht beiwohnen zu könen –
welches bei Uns doch bei allem Schmerz doppelt schön und
erhebend ist
– O Bruder dis war hart –
und war mir das ganze Leben dort ganz | 10 unausstehlich – Nur diejenigen wenigen Guten mit denen ich von
meinem Schmerz reden konte waren mir etwas es fand sich
eine Gelegenheit an die Fritze zu schreiben welches
ich mit süßer Wehmuth ergrif – denn vor der Abreise hatte
ich sie schon dazu vorbereitet – sie wolte auch nach
Reinerz gehn alles war schon bestelt, als auf
einmahl das Fieber so stark wurde, daß der Doctor es
nicht mehr zugab – wie gut war das! wie mich das alles angegriffen
kann ich nicht beschreiben Du weist Bruder, ich sterbe sehr
gern – wenn mir aber Jemand stirbt – das ertrage
ich schwehr – ach wie Viele werden mir noch vorangehn –
die gute Seidliz hat auch
den Nutzen des Bades und der Molken noch nicht
gespührt – und ihre üblen Zufälle vermehren sich je länger
je mehr – – Was wird dann aus mir werden – wenn diese ihre
Kinder und mich
verläst – wenn schon auch
diese Sorge der Beschwerden mancherley hat und mein Geist
in mancher Absicht mehr gedrükt wird
als in der Erziehungsanstalt für Mädchen in
Gnadenfrei
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Anstalt
– wo du glaubtest daß die
verschiednen Menschen meinen Geist beengen würden –
Habd. d 24t August so peinigt mich der sorgliche
Gedanke nur zu oft – ob auch durch die Freundin, die
Erzieherin, verliehren, zwekwiedrig handeln
könte – usw – denn als Freunde suchen wir Jede das gute an einander
auf welches doch imer so viel beträgt – daß die Ecken oder
Unarten – wenn auch nicht abzurunden – doch leicht zu
ertragen sind – aber | 10v doch
ich breche hier ab –! Noch einige Worte über Reinerz der
Weg dahin – einige Stellen ausgenommen – gewehrt trefliche
Ansichten – das Glazer Gebirge – dann wieder gegen Reinerz
zu lachende Thäler – mit den schönsten grünen Gebüsche
Piramiden ähnlich umkränzt – hie und Felsen – und
in Reinerz selbst – wie treflich – Wie viel habe ich dort an Euch Alle
Ihr Lieben gedacht deren Herz und Sinn, für die
große erhabne lachende Natur so warm und offen ist
–! auch haben manche gute Patrioten, in der Bade Anstalt –
kleine LustHäuschen Tempel und Grotten angelegt wo
sichs lieblich ruhen läst – Unter denen Vielen wie Joh 5,3-4
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am Teiche Betesta
kranken – Schmachtenden Hoffenden
Lachenden – fand ich nur 2 alte Bekante,
und 2 neue, die mir sehr angenehm waren – freilich laßen es
Verhältniße und Convinienz nur
zu flüchtigen Begrüßungen kommen – da ich wegen meiner Kleinen Bertha von Seidlitz
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Bertha
die MorgenPromenaden,
wo die Leute am besten zu Unterhaltung sind – nicht nach
Wunsch genießen können – den
Nachmittag – machten sie immer viele Lustparthien
und gar solche beträchtlich weite,
die für Uns nicht genießbar waren – was mir viel Freude machte war, daß beym nennen
unsers Nahmen Viele waren, die den guten
Vater kanten,
und Andre mehr, die mir wegen dem berühmten
Proffessor und Schriftsteller viel
schönes sagten – doch das macht dir ja wenig Spaß, viel
könte ich noch schreiben, aber mein Herz ist zu voll –
ich kan nur dein gutes Weibchen
und
Kinder herzlich
grüßen – und bitten mir bald und
ausführlich zu schreiben
am linken Rand
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Auf Nany
möcht ich am liebsten zürnen daß diese zum wenigsten doch
schreiben könten
am linken Rand von Bl. 9
[Schließen]Inliegenden Brief bitte bald möglichst abzuschikken – und
Luise von Willich
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Louisen
an ihr Versprechen zu erinnern welche mir
bald nach ihrer Abreise schreiben wolte
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