S. den 29 Apr 09.

Sieht man doch nach einem erwarteten Freunde fleissig aus, geht ihm wohl gar auf den Weg entgegen – so kanns wohl auch nicht anders seyn, als daß ich den vermuthlich angekommnen Freund von Herzen begrüsse und zum Willkomm die Hand biete. Gedacht haben wir uns hier Deine Ankunft so gut, wie einer es kann, das soll uns keiner streitig machen – eben dabei ist mir die Lust gewaltig angekommen, selbst zu schauen – aber es konnte und kann nichts daraus werden – Ich könnte wohl, aber mein Leichnam nicht; jenes würde ein Paar Tage, ohne zu fehlen, abwesend seyn können; aber dieser will transportirt seyn und dazu ist kein Rath – Niemand hat weniger Pferde in Akker und Saatzeit, als der immer welche hat – denn man hat sie eigentlich nur dafür – davon haben Herrn Städter so keinen  wahrscheinlich salva venia (lat.: mit Erlaubnis)  [Schließen]s. v. Verstand –  | 7v Dir aber, lieber Schleiermacher, von dem ich manches haben mögte, auch etwas wieder zu geben, will ich Dich hierin nicht gelehrt machen, und dir den Verstand dergestalt mitthun, daß selbst ein Herr von Kathen vor Dir verstummen soll – Ihn und Schlichtkrull zu überzeugen, daß es sehr paßlich, ja offenbar Anweisung auf eine reichlichre Erndte sei, wenn sie sich und ihre Freunde zu verlustigen in der HimmelfartsWoche ihre Pferde fleissig Spazierfarthen machen liessen; hast du nur, wie folgt, zu raisonniren :

1) Sonntag den 30sten Aprill sei die 14te Woche eingetreten und jeder gute Oeconom müsse eingestehen, daß mit derselben die WendeArbeit müsse schier seyn (die termini technici wird  Henriette von Willich [Schließen] Jettchen als Landeseingeborne erklären) weil

2) der bereitete Akker nothwendig wenigstens 3[,] 4–5 Wochen liegen müsse, um zur Anname der Saatfurche nach aufgeschlagnem Kraut fest genug zu werden –

3) auch sei die 11te Woche hier im Lande die gedeihlichste für die Hafer- und den Anfang der Gersten-Saat – | 8

4) wenn nun auch die 13te Woche noch zum Poliren verwandt werde, so sei doch die 12te Woche hiedurch offenbar kein gespann Pferde in der Akkerarbeit ohne den grösten Schaden zu gebrauchen – Würde aber nach bekannten diätetischen Regeln völlige Ruhe nach starker Motion allem Fleisch billig höchst undienlich erachtet, würden insonderheit durch jene die Pferde eine Müßigkeit erhalten, die sie für die 11te völlig unbrauchbar machen dürfte, so sei es aus vorangeführten Gründen zur Erreichung einer ergiebigen Erndte höchst rathsam, in der 12ten nur spazieren zu faren –

Das Beispiel zu meinen Lehren zu geben melde ich denn hiedurch, daß ich in der Morgen eintretenden 14ten Woche alle Wendearbeit vollenden und 4 Pferde wenigstens in der 13ten der discretion meiner freunde offeriren – so daß ich sie Montag den 8ten Mai recht gerne von Bergen abholen, Mittwoch oder Donnerstag, wenn die Reise nötig befunden wird, nach Wiek – und in derselben Woche, einen tag immer übergeschlagen, nach StubbenKammer fahren lasse – vom 14 an aber Inclusive  | 8v ist ohne alles Erbarmen auf keinen einzigen Pferdefuß weiter zu rechnen, es müste denn einer von dem Mann mit dem schlimmen Namen oder des Lucifers seyn, zu dessen Zauberkünsten ich unerbittlich sodann alle Fahr-Lustige oder Gemüssigte verweise.

Du siehst, lieber Schleiermacher, daß ich im arrangiren wenigstens excellire – denn ich bin fertig damit, ehe ich noch die Hauptpersonen gefragt – Aber herzlich lieb sollte mirs seyn, wenn man sichs dorten so behagen liesse. Dann bedarf es nur der StundenMeldung, wann am 8 Mai und wie viele Pferde in Bergen seyn sollten, wo Ihr durch vorher gegangne Anzeige vieleicht die Ansprache bei meinem  Moritz von Willich [Schließen] Bruder zugleich zum formellen Besuch stempelt; auch muß ich wissen, ob ich Wagen (und zu viel oder wenig Gepäck) oder lose Pferde schikke – Je nachdem Du den Bundestag bestimmst, invitirst Du wohl Kathens , Schlichtkrulls und wen Ihr sonst gerne zugegen habt – Die in meinem Hause nicht Raum finden, logiren in den Pavillons in Sagard Mir wird auch Mühlenfels von Sisso willkommen seyn, da es der einzige Bruder Jettchens ist, der daran Teil nehmen kann – Auf alle Schwestern können wir uns wohl nicht ausbreiten – Doch wie Ihrs gerne habt! Der grössere Zirkel wird uns die Freude nicht machen und nicht verderben –

Deinem und unserem Jettchen Gruß und Kuß voraus – Dann geht alles so in eine Umarmung für dies Mahl

C v W.

Zitierhinweis

3227: Von Heinrich Christoph von Willich. Sagard, Sonnabend, 29.4.1809, ediert von Sarah Schmidt und Simon Gerber. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0007056 (Stand: 26.7.2022)

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