Montag d 10t. Apr. 09
24
Gott sei Dank nun kann ich Dir wieder schreiben liebste Jette! so lange
ich in der schreklichen Angst war wäre es mir rein unmöglich
gewesen. Noch Gestern früh richtete ich mich ganz drauf ein
wenn ich eine traurige Nachricht bekäme Abends schon auf der
Postkalesche zu sizen und dienstags bei Dir zu
sein. Ich muß mich wol ordentlich etwas bei Dir
rechtfertigen wegen dieser Angst. Ehrenfried von Willich (d.J.), vgl. Brief
3164.
[Schließen]Sieh der lezte Brief war der vom 24ten gewesen
den ich am
30ten
über den ursprünglichen Text geschrieben31ten
Charfreitag als ich aus der Kirche kam erhielt[.]
Nun schriebst Du mir in diesem Briefe nicht
nur daß Friedchen wieder das Fieber hätte
sondern auch die bestimteste Versicherung daß ich jeden
Posttag Nachricht haben sollte.
Henriette Herz, vgl. Brief
3172.
[Schließen]
Am 4ten April bekam ich nun keinen
Brief, da mir aber große Jette von Stürmen
schrieb und von verspäteter Ankunft der Post
so ängstigte ich mich gar
nicht wie ich Dir auch schrieb sondern hoffte nur am
nächsten Posttag entschädigt zu werden[.]
Nun aber an diesem nächsten Posttag den
7ten auch kein Brief kam, kannst du mir
wirklich nicht verdenken daß ich mich sehr ängstigte denn ich konnte
unmöglich glauben daß die Post zweimal sollte abgehalten sein und Du
dazwischen auch nicht einmal eine Gelegenheit nach
Stralsund gefunden
haben, und das konnte mir auch nicht einfallen da es schon eine
Unordnung ist wenn die Briefe sieben Tage
unterwegens sind einer noch länger laufen könnte[.] Nun ist es freilich doch so gewesen, Vgl. Brief
3180.
[Schließen]Dein Brief vom 31ten
hat sich zehn Tage verweilt das ist eben fatal daß das wahre oft das
unwahrscheinlichste ist. Ich konnte eher glauben daß Du
selbst plözlich krank | 56v
geworden wärst – denn Friedchen konnte Dich auch nach deiner
bestimmten Versicherung so ganz nicht abgehalten haben –
als daß zwei PostConfusionen unmittelbar auf einander
sollten gefolgt sein.
Beschreiben kann ich Dir nicht wie mir zu Muthe
war ich freue mich nur daß es nun nicht noch einmal kommen
kann. Es ging aufs wunderlichste durcheinander
in mir denn zu einem festen Glauben an ein großes Unglük
konnte ich auch nicht kommen. Wir aßen Mittags bei Kunths
, ich hatte
Anstalten getroffen daß
mich
über den ursprünglichen Text geschriebenmir
ein Brief wenn einer käme gleich hergebracht würde und so kam denn Reimers
Karl und erlöste mich aus aller Noth.
Vorher war mir schon die Nachricht über der Zeilehin
gekommen daß nun mit einem Fuhrmann Richtigkeit gemacht
wird der noch den 13ten Abends in Stralsund sein will. Aber ich war nicht frei genug um
das Angenehme dieser Nachricht die aller Verwirrung ein
Ende machte hier
recht zu genießen. Ja ich überlegte nicht einmal wie
nothwendig es wäre dem Fuhrmann noch ein Zettelchen
mitzugeben theils damit Ihr den 14ten wirklich herüberkämt
theils um alle Verwirung wegen der Bezahlung zu vermeiden.
Ich habe nemlich abgemacht daß der Fuhrmann erst hier bei
seiner Rükkunft bezahlt wird weil es immer
besser ist erst nach richtiger Ablieferung zu bezahlen und
weil er auch überdies in preußischem Gelde bedungen ist und
wir also auf jeden Fall Schaden haben würden wenn er dort bezahlt
würde. Vielleicht ist nun
Esther de Lemos
[Schließen]
Jettens Mutter
so klug gewesen ihm ein Paar Zeilen dieses
Inhalts mitzugeben.
Vgl. Brief
3180.
[Schließen]
Die Stelle in Deinem Briefe von Schlichtkrulls Leiden habe
ich Anne (Nanny) Schleiermacher
[Schließen]
Nanny
mehrere Male vorlesen müssen und sie | 57 hat sich immer wieder aufs Neue
dran ergözt.
Nun ja Schlichtkrull in
solchen unbedeutenden Schmerzen das muß wol amüsant sein
für einen der nicht unmittelbar davon geplagt wird! solche
starken Männer pflegen die allerpimplichsten zu sein. Aber Du armes
Kind was hast Du überhaupt für einen Zustand im Hause! Es
ist warlich die höchste Zeit daß ich komme Dich zu holen
und das soll auch warlich nicht mehr lange dauern. Henriette Herz, vgl. Brief
3180.
[Schließen]
Du hast ganz recht daß Jette
über der Zeileeinen
zu späten Termin gesezt hat, auch habe ich ihr nichts bestimmt, und ich sehe
nicht warum ich länger hier bleiben soll.
Für die Einrichtung des Kanonierhauses wäre es besser ich reiste
Morgen schon denn dann hätte
Gass die Aufsicht darüber der
sich auf dergleichen hundertmal besser versteht als
ich.
Wenn also meine Vorlesungen zu
Ende sind und der Fuhrmann hier ist denke ich reisen wir –
wo möglich den 24ten so daß wir
den 27ten oder 28ten bei Dir sind. Die
schönen Wochen dort werden schnell genug vergehn, und von
der Rükreise kann ich nichts ablassen denn in den ersten
Tagen des Junius müssen wir nothwendig hier sein. Indessen
liebes Herz sieh das noch nicht als eine feste Bestimmung an.
Mit dem Fuhrmann ist das nun so schnell gekommen daß Nanny ihm das Leinen nicht hat mitgeben
können, mitbringen wird sie es aber gewiß.
Uebrigens wollen wir einen so großen Koffer
mitnehmen daß Du Dein und der
Kinder der Henriette von Willich aus erster
Ehe
[Schließen]
Kinder
nothwendigstes noch mit hineinlegen kannst. So ist es
weit besser denn ob zwei Koffer auf dem Wagen Plaz haben
weiß ich nicht, auch sieht es gleich fürchterlicher aus und
würde auf die Reisekosten einen sehr
nachtheiligen Einfluß haben.
Vgl. Brief
3160, Brief
3163, Brief
3165, Brief
3176, Brief
3183 und Brief
3194.
[Schließen] Meine Briefe an Dich müßten auch ein unglükliches Schiksal gehabt
haben und namentlich verdrießt es mich daß mein
Brief vom 19ten mit der Bonbonschachtel
für | 57v
Friedchen gegen alles Recht und Billigkeit am
29ten noch nicht in Deinen Händen war.
Dies ist wirklich
eine rasende Unordnung und mir ist bange daß die
Post irgendwo die Bonbons gefressen, und
den Brief weggeworfen hat. Ich habe übrigens keinen Posttag
vorbeigehn lassen ausgenommen diesen lezten Sonntag
wo ich der Angst wegen nicht schreiben konnte. Es
sind seit dem 18ten abgegangen der
erwähnte Brief mit Schachtel am 19ten
ferner am 23ten am 26ten am
30ten (mit der Tuchnadel) am
2ten April und am 6ten
unter der Cummerow Adresse.
Mittwoch Abends. Die gestrige Post hat mir wieder keinen Brief gebracht
zu meinem großen Leidwesen! indeß ängstige ich mich nun
nicht weiter sondern habe mich ein für allemal in die
Confusion ergeben mit Hinsicht auf ihr baldiges Ende. Alexander Graf von Dohna-Schlobitten war gegen
den Einzug seiner Freundin Henriette Herz in das Haus in der
Kanonierstraße, vgl. Brief
3208.
[Schließen]Aber einen andern Brief habe ich heute bekommen
der mir sehr im Kopf herumgeht, und weil ich Dir
nichts dergleichen verschweigen kann so muß ich Dir
auch seinen Inhalt anvertrauen aber für Dich
allein. Es
ist
über den ursprünglichen Text geschriebenzieht
sich eine Wolke über unsere nächste Existenz
zusammen durch die ich noch nicht durchsehn
kann.
Alexander schreibt mir daß die
Errichtung der hiesigen Universität wieder ungewiß
geworden ist durch das Einreden einiger
Leute die es für bedenklich oder
gefährlich halten; auch protestirt er aufs Neue gegen das
Zusammenwohnen unserer Freundin mit
uns.
Dieser Umstand würde es gewiß auch Dir erleichtern
Berlin zu verlassen wenn meine Ahndung in Erfüllung ginge
daß das Kanonierhaus uns nicht zu einem langen Aufenthalt bestimmt
ist[.]
Denn wenn überhaupt keine neue Universität angelegt wird: so wäre
es wol | 58 möglich daß wir über
kurz oder lang nach Frankfurt
zögen, weil ich dann hier weder meinen gehörigen
Wirkungskreis noch mein ganzes Auskommen finden
kann. Für den Anfang sezt
mich auf jeden Fall diese Ungewißheit in eine große
ökonomische Verlegenheit von der ich noch nicht absehe wie
ich sie überwältigen soll. Nur das steht bei mir fest daß
eben so wenig etwas ökonomisches als etwas politisches
unsere Verbindung im mindesten verzögern soll.
Du hast gewiß darin denselben Sinn wie ich, und wirst auch
dasselbe Vertrauen haben daß es uns an dem Nothwendigen
nicht fehlen wird. Die königliche Familie hielt sich in Königsberg
auf.
[Schließen]
Es ist indeß möglich, daß Humboldt der
nun nach Königsberg gereiset ist die ganze Sache wieder in den
alten Gang bringt.
Hätte ich um diese Ungewißheit eher gewußt, so würde ich
manches im Kanonierhause nicht unternommen haben, und du mußt
Dich darauf gefaßt machen daß ich spare was ich noch
sparen kann, und daß es also sehr unvollkommen
eingerichtet sein wird fürs erste. Bleiben wir so läßt sich das
alles bald nachholen. Auch soll unser Einzug liebste Jette
irdischer Dinge wegen um nichts minder fröhlich sein, das wird
unser reiner Sinn nicht leiden; auch wenn es wirklich
weniger gewiß wäre daß sich alles bald zu unserer
Zufriedenheit entfalten wird. So heiter so leicht wie Du mir zuerst erschienst
vornemlich auf Stubbenkammer am
Rande des Abgrundes mit mir herumhüpfend und Blumen
pflükkend
wirst Du auch immer mit mir an Rande dieser bedenklichen
Zeit herumhüpfen und ihr alles schöne | 58v entpflükken was sie nur darbietet. So stehst
du noch jezt vor mir süßes Weib und ich umarme Dich mit
der innigsten
Liebe und der frohesten Zuversicht. Du nur Du kannst mit
mir durchs Leben gehn. Aber Du schläfst nun schon lange.
Vgl. Brief
3210.
[Schließen]
Ich habe einen
großen Brief an Alexander
geschrieben
und darüber ist es tiefe
Nacht geworden.
Und nun will ich auch schlafen
gehn, wiewol gar nicht schläfrig, nur um nicht zu viel vom
Tage zu verschlafen denn die eigentlichen Arbeiten die ich
jezt vorhabe kann ich bei Lichte nicht gut machen. Süßeste gute
Nacht. Ach wenn ich Dich nur erst schlafen sähe! Das wird
mir manchmal eine ganz eigne Wonne sein.
Donnerstag. Ich kann Dir grade nur Lebewol sagen Dir und den süßen Kindern für heute. Leider kann es auch sein daß es nicht möglich sein wird Dir nächsten Posttag zu schreiben. Ich sage es Dir im Voraus. Habe übrigens die größte Zuversicht zu meiner Gesundheit die vortreflich ist.
Sage mir doch – die Frage kommt zwar etwas früh aber ich könnte es nächstens vergessen – soll ich den Wagen in dem wir kommen mit herüber bringen oder in Stralsund lassen? Ersteres ist zwar besser aber ich werde mich rasend und kindisch ennuyiren bis das große Boot komt. Du siehst wie nahe alles vor mir steht. Und weiter wird Gott auch helfen. Tausend zärtlichste Küsse von Deinem
allereigensten Ernst
Nanny grüßt und ist fleißig – Vgl. Brief
3180.
[Schließen]Gott bewahre mich daß ich spotten sollte über
euer Treiben es thut mir nur leid daß ich es so wenig unterstüzen
kann weder mit Hülfe noch mit Geld. Ueber lezteres seufzt Nanny
täglich.
Zitierhinweis
Download