Halle. den 8ten Apr.

 Vgl. Brief 3062 und Brief 3168. [Schließen]Ich bin Ihnen für zwey liebe Briefe Dank schuldig, bester Schleiermacher und wie leichtes Herzens schreibe ich Ihnen jetzt da ich alle Fesseln abgeworffen habe und mich in dem alten treuen Halle wieder der herzlichen Liebe meiner   Johanna Steffens , geb. Reichardt, Friederike Reichardt und Sophie Reichardt  [Schließen] Schwestern und Freunde erfreuen kann. Man muß so gelebt haben als ich das letzte Jahr um dieses hohe Glück in seiner ganzen Größe nach zuempfinden. Steffens Wohnung ist sehr freundlich und hinlänglich uns alle bequem aufzunehmen auch läßt die anhaltende Kälte die Sehnsucht nach Giebichenstein , für welche ich späterhin etwas bange bin, noch nicht laut werden. –  Vgl. Brief 3168, in dem Schleiermacher Henriette von Willich beschreibt. [Schließen] Haben Sie tausend Dank für alles was Sie mir von den lieben Ihrigen sagen ich nehme so herzlichen Antheil an allem; aber das glauben Sie wohl nicht daß ich aus Ihrer fast negativen Beschreibung von Ihrer Braut ein weit bestimmteres vollständigeres Bild von ihr habe als aus der welche die Herz mir von ihr macht. Danken Sie indessen der theuren Frau herzlich für ihren lieben Brief den ich recht  | 36v bald beantworte.  Vgl. Brief 3062. [Schließen] Ihr vorletzter Brief lieber Schleiermacher machte mich recht bange für Ihre Gesundheit ich hoffe sie ist jetzt ganz hergestellt da Sie nichts davon erwähnen. Sehr lebhaft habe ich Sie vor Augen bey dem was Sie von Ihrer Sorglosigkeit in Rücksicht auf Ihre oeconomische Lage sagen, ich weiß zu gut daß Sie immer das rechte und beste zu thun wissen als daß mir der geringste Zweifel darüber einkommen könnte. Ihrer frohen Aussichten freue ich mich als wenn ich gegenwärtig wäre und mit Ihnen lebte und Theil an allem hätte. Für die Erziehung Ihrer  die Kinder von Schleiermachers Braut Henriette von Willich aus erster Ehe  [Schließen] Kinder ist mir garnicht bange die Sorge für das Mädchen von welcher ich ein sehr liebenswürdiges Bild habe wird die nächsten Jahre noch fast ganz der Mutter anheim fallen und hernach glauben Sie nicht wie leicht ein Mädchen fast allein durch Beyspiel zuerziehen ist. Sehr glücklich möchte ich Sie nennen daß Sie so leicht über die Erziehung des Knaben, die mir weit schwieriger erscheint wegzukommen wissen.  Reichardt, Carl Friedrich (Fritz) Carl Friedrich Reichardt, Luise Reichardts Halbbruder, vgl. Brief 3168. [Schließen]Ihre Theilnahme für unseren Fritz war mir sehr rührend und wir arbeiten jetzt alle vereint daran  Gemeint ist die zweite Ehefrau von Johann Friedrich Reichardt, Johanna Reichardt.  [Schließen] Mutter zu bewegen ihn in die Schule  | 27 zuschicken oder wenigstens mit anderen Jungens gemeinschaftlich unterrichten zu lassen. Mutter ihre Krankheit ist darin wohlthätig für ihn gewesen daß er fast ganz unter meine Aufsicht gekommen die ich ihn mit mehr Festigkeit behandle. Meine Schwestern haben große Freude an ihn er ist liebreich und gefällig mit den Kindern und äusserst folgsam und zuverläßig. An Sophie würden Sie Freude haben lieber Schleiermacher sie ist groß und stark und ausserordentlich tüchtig und hat ganz das eigne Weesen beybehalten was sie schon als Kind so liebenswürdig machte. Sie ist häuslich und geschickt wie Ihre Schwester und Musick ist ihre einzige Leidenschaft. Ihre Stimme wird sehr stark und in der Tieffe sehr schön und voll. Die gute Rieke hat eine Zeitlang viel an kurzem Athem gelitten und deshalb wenig singen können ich hoffe der Sommer auf heimischen Boden soll das alles ausgleichen.

Nehmen Sie heute so vorlieb mein bester Freund, ich bin hier noch zu unruhig um lang zuschreiben. Grüßen Sie   Anne (Nanny) Schleiermacher  [Schließen] Nanny herzlich und schreiben Sie uns ja  | 27v Ihren Hochzeittag damit wir ihn auch feyern können. Mit der herzlichsten Anhänglichkeit

Ihre Louise

Dem Reimer danke ich herzlich für seinen Brief und werde ihm noch mehr danken wenn er mir in Leipzig einen Verleger verschaft. Daß aber die   Wilhelm Schneider , Pianist und Komponist. [Schließen]Schneiderschen Melodien zu der neuen Ausgabe vom Novalis gedruckt werden sollen kann ich kaum zugeben, sie sind durchaus unbedeutend. Caroline Wuchrer die ich wieder recht heiter gefunden, bittet sehr daß Reimer ihr ihre Guitarre mitbringen möchte, Sie hätten wohl die Güte das zu besorgen ich glaube von  korr. v. Hg. aus: Ihrerihrer Tante sollte sie abgeholt werden. Es darf nur ein Tuch darum gebunden werden und im Fall es an Plaz fehlte kann sie wie ein Hut unter die Decke des Wagens gesteckt werden. Ich bin auch dabey interessiert da ich Caroline bis zu Ankunft der ihren meine Guitarre geliehen habe die ich ungern lange entbehre – seyn Sie herzlich gegrüst.

Zitierhinweis

3200: Von Luise Reichardt. Halle, Sonnabend, 8.4.1809, ediert von Simon Gerber und Sarah Schmidt. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0007029 (Stand: 26.7.2022)

Download

Dieses Dokument als TEI-XML herunterladen.