Halle den 4te April 09.
Ehe ich reise noch ein Paar Worte zu Ihnen mein theuerster Freund.
Vgl. Brief.
[Schließen]Ja wohl ist sie hart die Kur die Sie mir verschreiben und doch sehe
ich wohl ein daß es keine andere giebt denn nur zu sehr bin ich geneigt
sowenig sonst wohl Unglück mich beugt, mich gerade hier einer weichen
Stimung hinzugeben. Doch wie die Sache auch kommen mag, sie gänzlich in mich zu verschließen
dazu war ich immer schon fest entschlossen und wenn ich Ihnen über Mangel an
Mittheilung klagte so war es nur weil ich damals noch vergeblich einen
ungestörten Augenblick gesucht hatte um einmal und nie wieder mit Blanc hegte Verlobungsabsichten mit Caroline
Wucherer (1784–1834), die er dieser jedoch zunächst verschwieg bis ihn
Schleiermacher darüber aufklärte, dass C. Wucherer bereits versprochen
sei.
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Karolinen
darüber zu sprechen und mein Verhältnis zu ihr ins Klare zu
setzen. Das werden lies: Sie
[Schließen]sie hoffentlich nicht tadeln und das ist auch geschehen. Ein
wunderbares Schiksal lieber Freund drükt das liebe Mädchen über welches sie sich
nicht erklären kann und worin ich auch nicht weiter dringen mag. Wahrscheinlich handelt es sich um Adolph Müller,
der zur Heirat keine ausreichenden finanziellen Verhältnisse anbieten
konnte und der, wie dessen Vater später Schleiermacher mitteilte, aus
Liebeskummer starb.
[Schließen]Es ist ein altes Verhältnis gänzlich abgerissen äußerlich und
für dessen Bestand sie wie sie selbst sagt keine andre Bürgschaft hat
als ihr eignes Gefühl. Unbekannt der Mutter ist es wohl nur insofern sie
dessen Dasein nicht mehr ahndet. Es sieht recht trüb in Karolinens Inneren aus | 45v
und obgleich sie versichert, daß sie einen glücklichen Ausgang hoft so
entschlüpften ihr doch manche Worte die mir eine unglükliche Ahndung verriethen.
Sie sehen wie mich das Schiksal von allen Seiten angreift und daß das
einzige was mir Hofnung geben könnte gerade das ist was ihr den empfindlichen
Schmerz verursachen müßte. Kann ich da wohl anders als mich innerlich wenigstens
auf immer an sie schließen und hoffen daß wenn es mir gelingt den
Schmerz zu überwinden mein Gefühl für sie wie immer als ein erheiterndes
zurückbleiben wird. Könnte ich nur erst die alte Unbefangenheit im Umgange mit
ihr wieder gewinnen dann soll sichs wohl fürs Erste wenigsten erträglich leben
lassen.
Die Karoline Elisabeth Wucherer geb. Lauer
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Mutter
habe ich die ganze
Zeit her beinahe nur in ziemlich großer Gesellschaft gesehen und kann
itzt nur schlecht beurtheilen wie sie sich eigentlich befindet. Ich fürchte aber
dies Mittel der Zerstreuung ist gar nicht das rechte und reibt sie nur
mehr auf. Sie ist sonst ziemlich wohl.
Schon ehe ich Vgl. Brief.
[Schließen]Ihren letzten Brief erhielt
hatte ich mit Rienäcker verabredet
diesen Sommer entweder den Platon oder den Augustin zu lesen.
Dann werde ich bei Steffens wo ich schon diesen Winter Innre Natur
Geschichte der Erde gehört, die Natur Philosophie
hören, so denke ich
soll es mir an ernster Beschäftigung nicht fehlen. Vereinigung der deutsch-reformierten und
französisch-reformierten Gemeinden in Halle
[Schließen]Warscheinlich wird dann doch auch die korr. v. Hg. aus: Vereinigungs Vereinigung
| 46 in Kurzem entschieden sein,
was mir zwar Befreiung von einigen lästigen Geschäften z.B. auf dem
Pädagogium verspricht aber auch lies: viel
[Schließen]veil mehr Arbeit geben wird in dem ich seit Jahr und Tag gewohnt war
keine Predigt mehr aufzuschreiben was ich im Deutschen bei einem viel
bedeutenderen und durch Rienäcker zum Theil zu
gründlich verwöhnten Auditorium fürs Erste nicht leicht wagen dürfte. Was für mich bei der Vereinigung an
Gehalt heraus kömmt läßt sich noch nicht genau bestimmen wird aber schwerlich
über 150 r. betragen.
Vgl. Brief und Brief.
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Wenn Steffens Berufung zum Theil von seinem Verhältnisse zu
Reil abhängt so ist die Sache von der Seite vortreflich
gestellt, sie sind die besten Freunde und Reil hat selbst gegen
Rienäcker
erklärt er werde nie ohne Steffens nach Berlin gehen.
Nur glaube ich an Reils Entschluß
Halle zu verlassen
gar noch nicht ernstlich.
Steffens
selbst wird Ihnen nächstens schreiben.
Daß hier mancher beobachtet
wird läßt sich kaum bezweifeln doch äußerst sich dies thörichte Mistrauen noch
gar nicht deutlich genug um deshalb besorgt zu sein.
Vor einigen Tagen haben wir hier einen Liebening aus Hamburg
einen recht tüchtigen jungen Mann gehabt.
Vgl. Brief.
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Die Sache mit Flöthe ist berechtigt,
wäre ich nur mit
Harschers Angelegenheiten erst auf dem Reinen dessen Creditoren
mich alle Augenblik überlaufen, ich habe ihm schon | 46v
längst geschrieben aber keine Antwort bekommen.
Wie sich die neue politische Verwirrung lösen wird mag der Himmel wissen, ich denke in Dresden manches zu erfahren und freue mich schon auf die wunderlichen Paroxismen der Furcht die sich dort immer sehr komisch äußern.
Es handelt sich um den Brief vom 15.3. und
wahrscheinlich um die 1809 gedruckte Predigt „Ueber das rechte Verhältnis eines Christen zu seiner
Obrigkeit“ (1809), KGA III/4, S. 3-15, vgl. Brief.
[Schließen]Freilich haben wir korr. v. Hg. aus: ihreIhre Predigt nebst Brief erhalten
und es wundert mich mehr von Steffens als von mir daß er
Ihnen nicht davon geschrieben.
Das was unser einer über dies Thema zu sagen hätte haben Sie treflich
angedeutet, es auszuführen gestattete Ihnen wohl weder Ihre Lage noch möchte es
überhaupt gerathen sein. Mit dem Style müssen Sie es nur nicht verübeln, wenn
wir weniger zufrieden sind –
Daß die Leute es doch gar nicht vertragen können wenn man ihnen ans Geld geht.
Wir haben hier viel gehört von ausgeführtem und für einen SpottPreis verkauften
Silber. Da hätten wir einmal wieder den Berliner Patriotismus. Können Sie und wollen Sie mir
vor Ihrer Reise noch schreiben so adressiren Sie nur an Riquet vor dem
Saal(?)Thore.
Charlotte Riquet
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Lotte
würde sich gewis recht sehr freuen einmal wieder etwas von Ihnen zu
hören.
Ich denke bis Ende April in Dresden
zu bleiben. Leben
Sie wohl und reisen Sie auf Ihrer herrlichen Reise glüklich. Grüßen Sie Anne (Nanny) Schleiermacher
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Nanny
und alle Bekannte
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