Sonntag d 2t. April 9

22.

 Vgl. Brief 3164. [Schließen]Es geht mir grade wie Dir süße Jette. Ganz vorbeigehn kann ich den Posttag nicht lassen aber ich habe nur ein winzig Bischen Zeit. Ich komme eben aus der Kirche und habe ordentlich – denke dir – steife Finger vor Kälte. Heute Morgen war alles weiß als wir aufstanden und noch liegt der Schnee auf der Nordseite der Straßen und Dächer. Ich habe gleich an  Ehrenfried von Willich (d.J.) [Schließen] Friedchen dabei gedacht und wünsche sehr ernstlich daß wenigstens gegen die Zeit unserer Abreise aus Rügen endlich wahrhaft gutes Wetter sein möge. Aber so etwas wird nicht geschehen daß uns Krankheit hindern sollte. Nein daran habe ich gar keinen Gedanken. So etwas geschieht ordentlichen Leuten nicht. Ueberhaupt liebe Jette fürchte ich kein Hinderniß der Reise.  Vgl. Brief 3164. [Schließen]Die Besorgnisse die man bei euch hat von Sperrung der Passage scheinen mir sehr unbegründet zu sein. Von unserer Seite wird eine solche gewiß nicht verfügt; und wenn sie von französischer Seite verfügt wird kann sie auch so strenge nicht sein daß wir nicht durchkommen könnten so lange hier noch ein französischer Gesandter ist. Sollten aber die Sachen eine solche Wendung nehmen daß der  Graf. Antonio Maria Filippo Graf von San Marzano [Schließen] fran | 52vzösische Gesandte Berlin verläßt, was aber leider sehr sehr unwahrscheinlich ist, so werde ich das gewiß zeitig genug erfahren um meine Maaßregeln danach zu nehmen. Mit Gottes Hülfe soll der Fall gewiß nicht eintreten daß irgend etwas schweres käme was uns getrennt fände. Nein Du theures Weib meiner Seele das wäre nicht auszuhalten und ich wüßte nicht was ich nicht wagen würde darum. Laß nur alle Sorgen dieser Art fahren. Alle überhaupt kann ich nicht sagen denn mich selbst ergreifen sie jezt oft. Es kann sehr schweres sehr trübes kommen, die Zögerungen lassen nichts Gutes ahnden, die Veränderung in Schweden ist auch ein sehr nachtheiliges Ereigniß und es wird fast mit jedem Tage wahrscheinlicher daß alles schlecht gehn wird. Was uns aber auch komme, es wird uns schon vereint finden und mit derselben Ruhe mit der ich Dir jezt meine Besorgnisse mittheile und ein(?)  über den ursprünglichen Text geschriebendie [du] noch deutlicher wahrnehmen würdest wenn Du mich sähest als du sie in den bloßen Worten finden kannst werde ich dich immer halten und tragen und uns Besonnenheit bewahren daß wir immer unserer Liebe genießen und uns gegenseitig unserer  | 53 Tapferkeit und unseres Muthes freuen können. Denn tapfer wirst du auch sein, das weiß ich. Glaube übrigens auch nicht daß ich mehr weiß als ich sagen will oder kann. Ich kann freilich nicht ins Einzelne gehn aber es ist doch weiter nichts als daß in dem gegenwärtigen Augenblikk die Aussichten wirklich schlecht sind; alles kann sich aber noch wenden; und selbst diesen Augenblik so gewiß ich bin daß ich das schlechte alles weiß so kann doch vielleicht mancher günstige Umstand mir verborgen sein. – Zum Trost kann ich Dir sagen daß ich das Geld zur Reise bereit liegen habe und daß mich von dieser Seite nichts hindern kann den Augenblik zu reisen wenn unvorhergesehene Umstände eintreten sollten. Brauchte ich Dir Muth einzusprechen so hätte ich dich in meine heutige Predigt gewünscht wo ich den Leuten den Glauben an das unvergängliche des bessern Lebens zu schärfen gesucht habe. Ich denke in der Kirche immer viel an Dich und sehe in den Stuhl hinein wo Du sizen wirst und freue mich daß du dich darauf freust.  Gemeint ist die geplante gleichzeitige Communion, vgl. Brief 3176. [Schließen] Und heut über vierzehn Tage soll mir besonders ein heiliger Tag sein laß da unsere Seelen recht innig verschmolzen sein in der gleichen Liebe zu Gott in dem gleichen Sinn für das Ewige Schöne und Wahre.

Ob ich mich freue auf unser erstes Wiedersehen! aber wie! Ach am Schönsten aber wäre es immer wenn ich Dich zuerst allein sähe. Unsere  Henriette Herz [Schließen] Jette rechne ich nicht, die stört das allein nicht. Aber  | 53v wie das zu machen ist sehe ich nicht ein. Das Ueberraschen macht mir eigentlich keine Freude und am wenigsten werde ich jezt darauf ausgehn aber bei der Langsamkeit der Posten sehe ich nicht ein ob ich Dir werde den Tag der Abreise und Ankunft zeitig genug bestimmen können.

 Vgl. Brief 3164. [Schließen]Die Tuchnadel war schon gekauft ehe dein Brief ankam und auch auf der Post sonst hätte man sie noch umtauschen können. Haare lassen sich leider nicht hineinlegen. Sachanmerkung:

Den ... Prenzlauer accordirt.] 
Vgl. Brief 3164.

Mutter] Esther de Lemos
 [Schließen]
Den Fuhrmann kennt Jette wahrscheinlich nicht denn ihre Mutter hat aus Besorgniß weil der hiesige zu lange ausblieb um denselben Preis mit einem Prenzlauer accordirt.
Der hat nun seine Anweisung den 13ten in Stralsund zu sein damit er den 14ten aufladen kann. Das hatte ich auch schon vorher so bestellt, und ihn zugleich angewiesen sich bei Israel zu melden der doch wenn er Dir auch nicht pakken hilft die Abfertigung am besten besorgen kann. Ich begrüße(?) ihn noch selbst darum wenn ich an  Friederike Israel [Schließen] Friederike schreibe.

Gott geb daß ich Dir noch recht gutes melden könne ehe ich komme, mein süßes Herz. Aber das beste und schönste haben wir doch und nichts in der Welt soll es uns rauben; und wenn Du recht lebendig vor mir stehst mit den süssen Kindern und ich Dir um den Hals falle und dein liebes Herz an meinem Angesicht schlägt und ich Dich mit den zärtlichsten Küssen bedekke dann kann auch nichts als schöne Hofnung und das Bild eines herrlichen Lebens in meiner Seele Plaz haben. So ganz beglükst und erfüllst Du Deinen

Ernst

 Esther de Lemos [Schließen] Jettens Mutter schikt eben diesen Brief. Da ich heute nicht an sie schreiben kann schikke ich ihn Dir.

Zitierhinweis

3183: An Henriette von Willich. Berlin, Sonntag, 2.4.1809, ediert von Simon Gerber und Sarah Schmidt. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0007012 (Stand: 26.7.2022)

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