Donnerstag d 30t. März.
51
Lieber süßer Ernst Du wirst vorigen Posttag vergebens auf einen Brief
gewartet haben, darüber habe ich schon die ganze Woche
geklagt. Du hast aber gewiß keine Besorgniße deshalb gehabt
sondern gleich gedacht daß der schreckliche Sturm den
Postengang hier gehemmt hat. Mir ist es so sehr unangenehm gewesen besonders Ehrenfried von Willich (d.J.), vgl. Brief
3164.
[Schließen]da ich mich erinnerte in meinem lezten Briefe Dir
gesagt zu haben daß Friedchen einen
neuen Anfall bekommen. Aber es war nichts dabei zu thun! Unser
Friedchen
nun nachdem er volle 8 Tage das tägliche Fieber gehabt hat ist seit vorgestern
frei davon, ich hoffe er soll es nun bleiben. In Acht
genommen ist er so sehr wie möglich ist, ich kann also
nichts anderes als glauben daß die Zähne die nun wircklich
durchgebrochen sind, die Rückkehr des Fiebers verursacht
haben. Vgl. Brief
3160.
[Schließen]Ach ja wohl ist es recht fatal daß der liebe Junge so oft
krankt – und keine ungelegenere Zeit hätte er dazu wählen können als
lies: die
[Schließen]di
jetzige.
Es ist hier ein so unangenehmer häuslicher Zustand wie Du dir es
gar nicht denken kannst, Sophie Schlichtkrull
[Schließen]
Sophie
unwohl, alle Leute krank.
Luise von Willich
[Schließen]
Louise
die tilgen: die
[Schließen]die
Wirthschaft so lange führen muß bis Sophie beßer ist
– mitunter verzweifelungsvoll, kleine Henriette Pauline Marianne von Willich
[Schließen]
Jette
so sehr schnupfig daß ich sie gestern den
ganzen Tag im Bette ließ. Ich alle Hände voll zu thun, ohne doch aus der
Stelle kommen zu können – genug es sind | 62v solche Tage daß wir uns immer
freuen wenn der Abend komt. Hoffentlich wird alles beßer sein
gegen die Zeit daß Du komst – ach ich sehe immer auf sie
hin als auf diejenige in der ich eigentlich erst recht zu
leben anfangen werde –
Gestern war unsers Friedchens Geburtstag, das süße Kind entzückte mich recht gestern früh mit seiner lieblichen Zärtlichkeit – ich hätte gestern so gern an Dich geschrieben du lieber Vater meiner kleinen Waisen, hätte Dir meinen Dank und meine Freude dargebracht – unser geliebtes Kind an Dein Herz gelegt – mit Dir vereint Gott gedankt für unser Kind und dafür daß du sein Vater bist –
Lotte Pistorius und Friederike Israel haben ihn hübsch beschenckt. Erstere mit einem Kleidchen und leztere mit Hemden und einer niedlichen Filtzmütze. – Ich habe mich lebhaft der Stunden erinnert vor 2 Jahren wie er geboren ward, wie während meines Leidens auch der Schmerz in meiner Seele ganz lebendig war und ich meiner ganzen traurigen Laage mich bewußt war – aber ohne den mindesten Unmuth – und wie nun das Kind zuerst in meine Arme gelegt wurde, wie meine Thränen flossen aber nicht allein dem Schmerz, nein hätten meine Empfindungen in Worte ausbrechen müssen es wären doch mehr Ausrufungen der Freude, des Dancks gewesen, über das Kind! das vaterlose, geliebte, eigne Kind! O mein mein Ernst! | 62a
Befremdet hat es mich am lezten Posttage keinen Brief gehabt zu
haben, da du mir so süß die die Versichrung
giebst daß du keinen Posttag würdest vorbei gehn laßen.
Vgl. Brief
3149.
[Schließen]Dein letzter war vom 15ten.
Ich kann Dich aber darüber beruhigen daß
Deine Briefe nie geöffnet zu mir kommen
und Cummerow selbst mir gesagt
hat daß er unsere Briefe nicht öffne, ich begreife gar nicht
wie er das einemahl dazu gekommen ist. – Vgl. Brief
3149.
[Schließen]Daß Du jezt so viel schläfst macht mir ordentlich
Freude, denn wenn ich gleich Dein wenig schlafen
gar zu liebenswürdig fand so denke ich doch daß es dir
nicht gesund war. Mich beklage nur nicht weiter, Friedchen ist die
Nächte so sehr unruhig nicht mehr,
und wie er es war hat Louise mir
viel abgenommen und ich habe immer das Versäumte
nachgeholt.
Heute Morgen schrieb
Henriette Herz
[Schließen]
Jette
mir in einem Zettel „spätestens reiset
Ernst heute über 4 Wochen ab“. Solltest Du ihr schon etwas
bestimt haben?
Vgl. Brief
3084.
[Schließen]Dann kämest Du doch nicht mehr im April, das hast Du doch
versprochen also rechne ich nicht mehr
so lange. O süßer Ernst wohl ist es nahe das schöne Leben,
gebe nur Gott daß nichts trauriges sich zutrage in der
Zwischenzeit – dazu ist sie immer noch lang genug – Ach Lieber
etwas verhält die Gegenwart zur Zukunft sich doch wie
Hoffnung | 62av zur Wircklichkeit –
freilich haben und geniessen wir uns auch jezt aber was
ist das gegen das künftige, wo das Leben das ganze Leben
wird eingehüllt sein in den Genuß der jezt nur den
verborgnen Theil des Lebens ausmacht und oft durch die
Gegenwart zurück gedrängt wird. – Du glaubst gar nicht wie so ein unaufhaltsames
arbeiten erschlaffend auf mich wirckt, ich lasse mir nun
auch nicht eine Minute zum lesen, weil ich wircklich durch Friedchens kranken, durch Louisens unerwarteten Aufenthalt in
Götemitzso
zurück gekommen war mit allem
korr. v. Hg. aus: dasdaß
ich mir nicht anders helfen konnte. Aber ich hatte mir vorgenommen
Dir davon kein Wort zu sagen denn nun frägst Du wieder „was
hat sie denn zu thun?“ und das ist mir ordentlich
verdrießlich –
Süßer Ernst ich scherze nur; aber spotten muß Du auch nicht wie die Männer gewöhnlich thun, über das wichtige Betreiben der kleinen äußern Dinge – –
Louise hat mir kein Wort gesagt über meinen Brief den ich ihr an meinem Geburtstage schrieb, ich weiß nicht warum sie so stumm ist denn es ist doch nicht möglich daß er ihr nicht lieb sollte gewesen sein –
Ach mein Ernst so beladen wie Dir Dein Geschäftsleben aussieht, sieht es mir auch an für Dich, und ich merke wohl daß ich gut thue mich vorzubereiten daß ich nicht gar viel von Dir haben werde was die Zeit betrifft, ich werde wohl heimlich etwas empört sein bisweilen, und zugleich | 63v mich doch innig freuen an allem was Du schaffst –
Karoline von Mühlenfels, vgl. Brief
3149.
[Schließen]
Carolinens Tuch ist angekommen und sehr hübsch
gefunden.
Morgen
vielleicht noch ein paar Worte –
Abends
Mein Geliebter mein Ernst ich kann es gar nicht lassen Dir ein inniges gute Nacht zu sagen. Ich saß lange lange vor Deinem Bilde – Dein Angesicht ward immer leuchtender, und meine Sehnsucht wuchs und immer tiefer versank ich in Dir – mein Geliebter wenn erst Dein Auge mir wieder entgegen dringt! o Mann meines Herzens wie bin ich Dein und wie entzückt mich der Gedanke daß Du mein bist –
Charfreitag Morgen
Welche innige Sehnsucht habe ich heute nach Dir mein Ernst! ach daß ich in Deiner Kirche sein könnte – mit Dir feiern könte diesen unaussprechlich rührenden, heiligen Tag. – Ich kann es Dir nicht sagen welchen Eindruck dieser Tag immer auf mich macht wie Liebe und Wehmuth mich erfüllen wie das Bild des Heiligen vor meiner Seele steht, wie mein ganzes Herz hingezogen wird in süßer Schwermuth zu seinem Grabe, zu seiner Todesstund – Daß ich recht bei Dir bin! daß nicht meine Thränen vereint fliessen mit den Thränen der Frommen deiner Gemeinde, daß ich nicht hören kann die Rede die aus deinem großen Herzen heute fliessen | 63 wird – einsam size ich hier vor Deinem Bilde und der Tag wird vergehen ohne die geringste Bezeichnung des heiligen Trauerfestes, allein auf die stillen Gefühle meines Herzens bin ich verwiesen –
Aber ich weiß Du wirst mir heute auch besonders nahe sein, wirst mit Deinen frommen Empfindungen Deine Liebe immer verweben wie ich es thue. O mein Ernst sei mir recht lieb und nahe heute – So viel ich kann will ich mich heute erquicken etwas Schönes zu lesen und so wenn es möglich ist mit Louisen etwas zusammen.
Schlichtkrull ist diese Nacht krank geworden es war ein
gewaltiger Zustand,
Willich ward
gleich geholt, es hat nichts auf sich, es waren
reumatische Schmerzen,
Du hast keine Idee von dem franz: Unanehmlichkeit, Peinlichkeit
[Schließen]emberas
Sophie hat
mich sehr gejammert. Aber Du hast keine Idee
davon.
Louise und ich wir haben es nicht lassen können viel zu lachen, da wir nichts fürchteten.
Louise grüßt dich sehr herzlich, sie war die Nacht auf, ich soll Dir sagen Du wärst oft ihr Trost gewesen diese Nacht wenn sie sich von dem Gebrüll habe etwas erholen wollen, sie sei hergekommen Dein Bild anzusehen –
am linken Rand auf Bl. 63v Mein mein Ernst mit aller meiner Liebe die Deine Jette.
am linken Rand auf Bl. 63v Friedchen ist sehr leidlich. Ich hätte so gerne noch mehr geplaudert!
Zitierhinweis
Download