Freitag d 24t. März.

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Mein geliebter Mann ich kann auch keinen Posttag vorbei gehn lassen ohne Dir ein paar Worte zu sagen auch den heutigen nicht obwohl die Zeit mir sehr zugeschnitten ist – Die Sagardschen sind heute früh gereiset, wir waren recht herzlich beieinander, Große  Henriette Herz [Schließen] Jette doch Gestern und Vorgestern den Nachmittag mit uns zusammen. Unser  Ehrenfried von Willich (d.J.) [Schließen] Friedchen aber hat einen Rückfall bekommen, er fiebert seit vorgestern wieder aufs neue. Ich denke es sind die Augenzähne schuld daran, er bekommt 3 auf einmahl, daß das Fieber so hartnäkkig ist. Ich plage mich viel mit bangen Vorstellungen daß Krankheit der  Kinder der Henriette von Willich aus erster Ehe [Schließen] Kinder unserer Reise in den Weg treten könne, man muß sich wircklich wundern wenn man selbst noch gesund ist und andere gesund sieht, solch ein Sterben und Kranken ist es um uns hier und vornehmlich in Poseritz. In Götemitz sind auch 3 Kinder krank.  Henriette Pauline Marianne von Willich [Schließen] Jette aber war recht leidlich gestern,  Charlotte von Kathen [Schließen] Lotte noch immer so blaß und so angegriffen.

Meine Sehnsucht daß Du erst hier sein möchtest ist sehr groß, bisweilen scheint es mir so  | 60v nahe und dann wieder doch fern genug um daß noch schreckliches genug dazwischen treten kann. Ach mein Ernst mag da kommen was da will wenn ich nur nicht es von dir getrennt erleben soll –  Vgl. Brief 3136. [Schließen] Du hast mich sehr dadurch erfreut daß du es auch so willst, daß Du mich nicht hier zurücklaßen willst wenn sich Dir selbst Stürme zu nahen scheinen. Du solltest mich auch gewiß stark und wakker finden wenn es noth thäte.

Man spricht hier viel davon daß der Weg ins Preußische könne bald wieder gesperrt sein ich beruhige mich aber damit daß Du  korr. v. Hg. aus: daßdas gewiß früh genug erfahren würdest um Deine Reise hierher zu beschleunigen und uns gleich zu holen wenn so etwas drohte. Nicht wahr Du kämest dann gleich?  Henriette Herz [Schließen] Jette und ich konnten uns nicht enthalten über den möglichen Fall zu sprechen daß das ganz unerwartet plötzlich käme. Sie meinte, sie würde kaum mich verlassen können wenn ich zurükbleiben müßte, und ich war wieder der Meinung sie müsse nicht bleiben denn wenn sie auch nicht in Berlin sein könne würde sie leicht einen andern Aufenthalt finden wo sie nicht so abgeschnitten von ihren Freunden sein würde, und ich würde doppelt leiden sie so geängstigt  | 61 zu sehn – Gott wird geben daß das nur trübe Hirngespinnste sind – ich will dem süßen Gedanken recht nachhängen Dich binnen 4 Wochen in meinen Armen zu halten – Willichs äußern sich immer so außerordentlich herzlich über unsern Aufenthalt da uns wird gewiß am wohlsten dort sein – Es ist mir sehr lieb gewesen daß ich allen Geschwistern etwas von meinen Sachen zum Andenken habe schencken können. Die Sophabettstellen haben Schlichtkrulls erhalten weil sie sie besonders wünschten. Willich einen tuchnen Ueberrock und noch einige andre Kleidungsstücke und ein schwarzes Schreibepult.  Luise von Willich [Schließen] Louisen habe ich Bücher und eine Mundtasse gegeben  Marianne von Willich [Schließen] Marianen habe ich eine Tuchnadel zugedacht,  Sachanmerkung:

sage ... werden könnten.] 
Vgl. Brief 3158.

Nanny] Anne (Nanny) Schleiermacher
 [Schließen]
sage doch Nanny wenn sie noch keine gekauft hat möge sie doch so eine kaufen worin etwas Haare gelegt werden könnten.
Wie herzlich soll ich Dich von Jette grüßen, sie hat ihrer  Esther de Lemos [Schließen] Mutter geschrieben daß der Fuhrmann schon den 13ten in Stralsund ankommen muß weil Jette und ich nur den 14ten auf einige Stunden in die Stadt fahren können um ihn zu sprechen. Es ist sehr gut da Jette den Mann kennt daß  | 61v sie mich begleiten will. Es ist mir jetzt sehr lieb daß der Wagen nicht später bestellt ist –

Mein süßer süßer Ernst komm auch nicht zu spät, ach hätte ich Dich erst sicher in meinen Armen!

Ich danke Dir mit zärtlichen Küssen und mit Thränen daß Du mir wieder so heilig versicherst daß Dir nichts fehlen wird in dem neuen Leben – – Ja Ernst das Leben mit den Kindern soll ganz herrlich sein, ach welch ein Glück ist es für  Henriette Pauline Marianne von Willich [Schließen] Jette und wie noth ist es ihr daß sie in ein schönes harmonisches Leben eintritt. Wäre Friedchen nur erst gesund – zu fürchten ist aber gar nichts er ist sehr heiter und hat Appetit wenn das Fieber abgegangen ist. Du kannst sicher jeden Posttag auf Nachricht rechnen. Höre mein Lieber Du mußt uns ganz genau den Datum schreiben wann Du hier anzukommen denkst, überraschen mußt Du uns nicht. – Ich lehne mich mit vieler Sehnsucht und mit ganzer Liebe an Deine Brust mein Geliebter.

 Vgl. Brief 3158. [Schließen] Grüße unsere Nanny tausendmahl und bitte sie auch das Lein für Louise nicht zu vergeßen

Herzliche Grüße von Allen. Von Louise recht besonders, ach immer ganz Deine Jette.

 am linken Rand [Schließen]Wie außerordentlich schön ist es und mir tröstlich daß ich nun auch gewiß morgen auf einen Brief hoffen kann –

 am linken Rand von Bl. 60 [Schließen]Noch eins Louise läßt Dich bitten ihr eine Bibel mitzubringen d.h. zu schencken.

Zitierhinweis

3164: Von Henriette von Willich. Poseritz, Freitag, 24.3.1809, ediert von Simon Gerber und Sarah Schmidt. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0006993 (Stand: 26.7.2022)

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