Sonnabend d 18t. Merz Abends.

18.

Heute ist mir der Tag so gründlich zerstükelt worden daß ich nicht habe zum Schreiben kommen können und daß ich in den Tod vergessen habe Bonbons für  Ehrenfried von Willich (d.J.) [Schließen] Friedchen zu seinem Geburtstage zu kaufen. Nun werde ich es Morgen schwerlich selbst thun können und da weiß ich nicht wie es ablaufen wird.  Vgl. Brief 3130. [Schließen]Der arme Junge mit seinem Fieber. Das ist mir höchst fatal. Nun hat er es noch ein Paarmal, dann ist er ganz herunter davon und muß  Chinin [Schließen]China nehmen die ihr noch dazu schwerlich gut bekommt bei euch, so wird er sich sehr langsam erholen, und wer weiß ob er schon wieder ganz frisch ist, wenn ich komme. Fahre nur ja fort mir posttäglich zu schreiben süßes Herz bis jezt habe ich wol alles richtig erhalten, und  Vgl. Brief 3130. [Schließen]Dein gestriger Brief war auch zu meiner großen Freude wieder nicht aufgeschnitten. Es ist mir doch immer ein höchst unangenehmer Gedanke daß ein Anderer Deine Briefe durchschnüffelt, noch dazu vorher; es ist mir fast als ob er sich Frechheiten gegen Deine eigne Person heraus nähme. –   Gemeint sind die Franzosen , vgl. Brief 3130. [Schließen]Nun Gott sei Dank daß die Gäste fort sind! es liegt mir eine große Freude darin daß ich keine bei Euch finde    Sachanmerkung:

Aber ... auftischen würde.] 
Vgl. Brief 3130.

Sophie] Sophie Schlichtkrull
 [Schließen]
Aber höre Sophie grüße mir schön und sage ihr auf das Vorliebnehmen ließe ich mich gar nicht ein; ich käme vorzüglich um mich recht tüchtig auszuessen zumal hier das Hungerviertel sehr wird eingetreten sein, und so würde ich ihre Freundschaft lediglich danach abmessen wie sie mir auftischen würde.
Daß die schöne erste Blüthenzeit auf die ich mich so freue auf Rügen – und auf die  gelber Frauenschuh, Orchideenart [Schließen]Marienschuhe auf Stubbenkammer wie  | 41v ein Kind –  Vgl. Brief 3135. [Schließen]daß die zugleich die Zeit der knappen Fuhrwerke ist das ist freilich schlimm aber wir wollen doch wol sehn wie wir es machen. Wenn so die Schwierigkeiten des Lebens eintreten, dann kann es nicht fehlen liebe Jette es muß einem einfallen daß das weit besser ginge wenn man allein wäre als mit einer Frau und zwei Kindern! und das wird nun noch öfter so kommen und ernsthafter. Ach einzige Jette wenn ich solche Thorheit gesagt muß ich Dir immer recht tüchtig um den Hals fallen. Weißt du denn auch daß du einen rasend leichtsinnigen Mann bekommst der wunderwenig im Voraus bedenkt, gar nicht taugt große Anstalten zu treffen aber gewohnt ist daß im rechten Augenblik sich alles so fügt wie es ihm recht ist. Du hast das jezt schon genugsam sehen können, aber schiebe es ja nicht etwa auf die Bräutigamszerstreuung sondern glaube nur das geht durch das ganze Leben durch. Und so wollen wir nur unseres Schlichtkrulls Pferde stürzen und pflügen lassen in Gottes Namen! wir wollen doch wol überall hinkommen wo wir Lust haben. Nur sei mir gesund einzige Jette mit den  Kinder der Henriette von Willich aus erster Ehe [Schließen] Kindern .

Ich sage Dir gute Nacht aber ich gebe Dir keinen Kuß; denn ich bin ganz durchzogen von Löffelkraut Spiritus. Auf einmal heut Abend als ich mit  Anne (Nanny) Shleiermacher [Schließen] Nanny und Marwiz Thee trank überfielen mich gar heftige Zahnschmerzen. Denen habe ich eine ganze Zeit zugesezt mit diesem Spiritus ohne allen Nuzen hernach habe ich den edlen Entschluß gefaßt mich nicht an sie zu kehren, und ich bin auch jezt nicht etwa von ihnen bezwungen sondern mein Licht will mir ausgehn und alles ist zu Bett. Hoffentlich verliere ich über Nacht diese ungebetenen   lies: Gäste; denn  [Schließen]Gäste; denn   Getauft wurde Adelheid Reimer.  [Schließen] Morgen Vormittag soll ich taufen bei Reimers da wären  | 42 sie mir sehr ungelegen.

Sonntag früh. Ich hätte dir Gestern wenigstens gern noch gesagt daß ich den Tag nicht habe ungefeiert gelassen. Wie man bei den kleinen Kindern das Alter zuerst nach Wochen und Monaten rechnet, so auch ich bei unserer Liebe. Jeder Montag und jeder 18ten des Monats sind mir immer Festtage. Mittags aß ich mit vielen Männern auf einem Pikenik, und konnte nur Reimern die Gesundheit zubringen. Abends beim Thee mit Marwiz (dies ist einer von meinen liebsten Halleschen Schülern) wurde viel vom künftigen Hauswesen gesprochen, und so frei und laut mit der Zukunft spielen zu dürfen noch vieles in mir bewegend was ich nicht sagte war mir ja die schönste Feier. Nun ist nur noch ein Achtzehnter übrig den ich getrennt von Dir begehe, und wer weiß wie uns der zweite findet, oder ob wir ihn nicht grade dazu bestimmen können, zu vollenden was jener angefangen hat.  Vgl. Brief 3098. [Schließen] Ach Du erwähnst gar nichts von meinem lezten Briefe an Willich; ich hoffe doch Du hast ihn richtig erhalten und richtig bestellt.  Es handelt sich um Moritz von Willich, vgl. Brief 3130. [Schließen]Sehr lächerlich war mir die Geschichte mit dem Leibarzt, und vortreflich hat mich Deine Unbefangenheit ergözt. Es ist dein Glük daß du auf Rügen gelebt hast, wärest Du immer an einem Orte gewesen wo ich länger gelebt habe so könnte es nicht fehlen daß du nicht mit hundert Menschen in dem gleichen Verhältniß wärest denn es giebt kaum einen Menschen über den so viel raisonirt wird als über mich, und ich bitte alle meine Freunde immer daß sie sich ja nie die Mühe geben mögen mich zu vertheidigen. Wo hat mich denn aber der Leibmedicus gesehn allen W  über den ursprünglichen Text geschriebenFrauen zu Füßen liegen? In Bergen besinne ich mich besonders nicht dergleichen gethan zu haben denn ich habe in seinem Hause nichts reizendes gefunden. Schade daß er so ein hölzerner Peter ist sonst könnte man doch noch Spaß mit ihm darüber machen

 Margarethe Amalia Baier und Hermann Baier, vgl. Brief 3130. [Schließen] Daß Du Tante Beier einmal so ordentlich bei Dir  | 42v gehabt hast macht mir große Freude; sie ist eine der wohlthätigsten Erscheinungen die ich kenne, und zu ihr und Herrman habe ich eine ganz eigene Zärtlichkeit. Ich kann mir auch recht denken wie sie dich ausgelacht hat.  Vgl. Brief 3130. [Schließen]Aber das kann ich mir gar nicht recht denken wie Du aussiehst wenn Du Briefe von mir vorliest, und wie Du es machst. Ich weiß gar nicht ich denke sie müssen sich sehr schlecht vorlesen, und wenn nicht etwas darin wäre was Du lieber zurükhieltest würde ich sie an deiner Stelle lieber Jedem selbst hingeben damit er sähe wie er damit fertig wird. Ich bin der Tante gewiß auch in den Briefen anders vorgekommen wie sie mich so gesehn hat. Hat sie nichts drüber geäußert? Herrmann wird doch nun wol schwerlich vor unserm Wiedersehn seinen Vorsaz ausführen. Der Himmel gebe nur daß es ihm mit  Alwine Kosegarten war die Verlobte Hermann Baiers. [Schließen] Allwine besser geht als wir es fast alle ahnden. Finde ich sie dann schon verbunden? oder sehe ich sie noch bräutlich in Greifswalde?

 Luise von Willich, vgl. Brief 3138. [Schließen]Die Blätter von Luise haben mir große Freude gemacht. Du siehst doch wie im innersten ihres Herzens alles so sehr gut gegen Dich ist, und wie sie – was aber auch ganz natürlich ist – das Mißverhältniß gar nicht so angesehn und so tief gefühlt hat. Glaube aber doch nicht liebes Kind daß nun alles auf einmal anders sein wird; so plözliche Umkehrungen geschehn doch nie im Leben. Besser werdet ihr euch wol befinden mit einander; aber die gänzliche Auflösung ist doch nur ein Werk der Zeit. Davon habe ich aber die bestimteste Ahndung daß wenn Luise einmal eine Zeitlang mit uns lebt ihr durchaus sehr gut mit einander sein werdet. Danke ihr indeß recht brüderlich von mir für die Mittheilung; ich schreibe ihr nächstens wenn auch nur ein kleines Zettelchen darüber



Ich komme eben mit Bonbons und Pfefferkuchen aus der Stadt zurük, und es ist nun die höchste Zeit einzupakken und fortzuschikken. Meine Zahnschmerzen sind leider nach der Taufe sehr heftig wiedergekommen. – Mit dem Fuhrmann ist alles in Richtigkeit; er fährt wann wir wollen, nur muß er es Vierzehn Tage vorher wissen. Es ist nun gar nicht nöthig daß er schon zurük ist ehe wir reisen und Du kannst nur bestellen wenn wir ihn sollen abgehn lassen.

Imer gleich gewaltig gut

Dein Ernst

 am linken RandSchreibe mir doch in Deinem nächsten Briefe genau, was Du an Silberzeug hast – es ist wegen der hiesigen Abgabe. Kannst Du mir es zugleich nach dem Gewicht angeben so ist es desto besser.

 am linken Rand von Bl. 42 Unseres Friedchens Geburtstag ist mit  Alexander Graf zu Dohna Schlobitten  [Schließen] Alexanders an Einem Tage, und zwei Tage darauf der 31ten meiner Schwester Lotte ihrer.

Zitierhinweis

3160: An Henriette von Willich. Berlin, Sonnabend, 18.3. bis Sonntag, 19.3.1809, ediert von Simon Gerber und Sarah Schmidt. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0006989 (Stand: 26.7.2022)

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