Freitag d 17t. März

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Wir sind heute in Götemitz zur Kindtaufe gewesen – ich habe nun mein  Henriette Pauline Marianne von Willich [Schließen] Jettchen zu Bette gebracht und möchte nun gerne noch ein Weilchen mit Dir plaudern – so lange nur  korr. v. Hg. aus: daßdas kleine Ende Licht ausdauern will.   Charlotte von Kathen und ihr jüngstes Kind Wilhelm [Schließen] Unsere gute Lotte sah so blaß aus der kleine Wilhelm ist gesund aber doch unruhig.  Luise von Willich [Schließen] Louise , Schlichtkrull, Mine Baier, Rutze ,   Die Mutter von Ludwig Emanuel von Kathen war eine geborene von Platen. Bei der Patentante handelt es sich wahrscheinlich um Helene Charlotte Frederike oder um Helene von Platen [Schließen] eine Frau von aus der Nachbarschaft sind die Gevattern gewesen.    Henriette Herz [Schließen] Jette war ganz elend an einem ungeheuren Schnupfen, sie hat mir große Freude gemacht durch die Mittheilung  Vgl. Brief 3131. [Schließen]Deines lezten Briefes der so viel enthält – ein recht reicher Brief!  Uebrigens war die Gesellschaft erstaunlich still und trocken, selbst der  Punsch-Getränk [Schließen]Bischoff brachte nicht das mindeste Leben –

Wie lange bin ich nicht in einem fröhlichen Zirkel gewesen, nur ganz aus der Ferne habe ich ein Bild davon –  Ich dachte heute während der Taufe auch wieder gar oft – ach daß ich doch Dich könnte wieder hören!  Lieber Ernst wie oft werde ich Dir noch mit stiller Rührung und Freude zuhören!

 Vgl. Brief 3116. [Schließen]Auf Deinen vorlezten Brief wollte ich Dir noch sagen daß die Klage über Dich daß Du in Gesell | 56vschaft nie über ernsthafte Gegenstände sprächest, und daß also diejenigen die nicht ganz vertraut mit Dir wären wenig von Dir genößen ist hier in unserer Familie ziemlich allgemein gewesen, die Einzelnen die es besonders gesagt haben weiß ich so nicht mehr. Aber diesmahl habe ich auch gar so viel nicht gehört als vor 5 Jahren.

 Sachanmerkung:

Sophiens ... festgehalten ist.] 
Vgl. Brief 3116.

Sophiens]  Sophie Schlichtkrull

Leonore] Eleonore Grunow, vormals Schleiermachers unglückliche Liebe
 [Schließen]
Sophiens und Louisens Verdacht wegen eines kleinen Antheils an weltliche Grundsätze (wenn das nicht überhaupt zu starck ausgedrückt ist) komt lediglich davon daß sie Dein Verhältniß zu Leonore gar nicht anders als etwas tadelnswürdiges ansehn können und sich nicht darin finden können daß du in Andern solche Verhältnisse billigst wo einer von zwei Liebenden schon durch eine Ehe festgehalten ist.
  Sophien wirst Du es schwerlich begreiflich machen wie die Liebe höher ist als ein Band das zwar einen heiligen Nahmen führt aber keines sein sollte und daher ein unwürdiges ist – denn sie hat sich nur mit Mühe in die Liebe zu ihrem Schlichtkrull hinein gearbeitet und kennt keine andre Liebe, und meint nun jede Frau müsse ihren Mann lieben können wenn er nicht durchaus schlecht sei – Aber wenn Du einmahl Lust haben solltest Dich in ihrer Gegenwart zu erklären  | 57 so wollte ich die Veranlaßung schon herbei führen und würde Dir selbst mit dem grösten Vergnügen zuhören. Große  Henriette Herz [Schließen] Jette bat sich auch schon aus als sie deinen Brief las daß sie zugegen sein wolle wenn so etwas verhandelt würde. – Ich habe immer das Gefühl als sei es gefährlich solchen Menschen zu denen Sophie gehört das wahre höhre Leben zu zeigen denn wenn sie es recht inne würden müßte so vieles worauf sie sich gestüzt haben, zusammen sinken und die Kraft würde doch nicht da sein in einem neuen Geiste das Leben zu beginnen.

 Vgl. Brief 3116. [Schließen]Aber wie entzückst Du mich damit mein süßer Ernst daß du meinst ich würde immer das Mittel haben Dich reden zu machen. O süßer geliebter Mann ergieße Dich nur recht viel in meinen Busen! ich werde immer gar zu glüklich dadurch sein.

Ernst nun kaum noch 6 Wochen! Jette hat mich nur immer angesehn und mich verstanden, meine innerliche heimliche Freude daß es so nahe ist – Schön recht schön wird das Leben hier sein – aber ganz himmlisch wird es sein wenn ich unter Deinem Dache dann ganz Dein Weib sein werde, und mit unsern  Kinder der Henriette von Willich aus erster Ehe [Schließen] Kindern wir unser  | 57v ganz eignes Leben aus gestalten werden.

Nun sei mir innig an meine Brust geschlossen und schlafe mir recht sanft recht süß –

Sonntag Abend.

Richtig ist gestern nur eine leere Adreße gekommen! mich soll es aber nicht abhalten doch diesen Posttag wieder mein Geplaudere fortzusenden – Mein Trostgrund wenn ich keinen Brief hatte ist der, daß ich doch nun ganz gewiß den nächsten Posttag einen haben werde –

Recht einen herrlichen Brief habe ich von Lotte Pistorius den Du gerne lesen wirst wenn Du hier bist.

Mit der Cummerow (?) bin ich ganz außer Correspondenz, der Brief mit den Glückwünschen und dem Du ist der einzige und lezte. Mit der Israel wechsele ich auch nur Commissionszettelchen bisweilen. In der Stadt ist viel Gerede über sie woran gewiß viel unwahres ist, etwas wahres vielleicht aber auch, denn schon als ich in Stralsund war sprach eine ihrer Schwägerinnen, die immer sehr offen gegen mich ist, und sonst sehr unparteiisch, mit Kummer über Friedrikens Wesen. Lieber Ernst lieb werden wir sie immer haben aber daß sie je ganz zu uns gehören wird das glaube ich doch nicht recht – Hast du nie mit der Pistorius über sie gesprochen die kennt sie recht von ihrer Kindheit an? | 58

Ich war heute morgen eine Stunde mit Louise in Sissow. Es geht ihnen dort sehr gut nur das Nähren hat  Karoline Mühlenfels [Schließen] Caroline ganz aufgeben müssen, es ist durchaus unmöglich für sie –  Hochwächters waren auch da – Dein herzlicher Gruß schien Carolinen sehr lieb zu sein.

Unser  Ehrenfried von Willich (d.J.) [Schließen] Friedchen ist noch immer ein bischen schwach obgleich das Fieber schon lange ihn verlassen und er schon stärkende Tropfen genommen hat, ich will doch noch einmahl am   Moritz von Willich  [Schließen]Arzt schreiben. Wären die Kinder doch recht gesund wenn Du hier bist!  Zuweilen komt es mir noch so lang vor und dann wieder so kurz biß Du komst. Ich habe schon gedacht ob ich Dich wohl am liebsten zuerst hier im Hause sähe oder Dir entgegen ginge – ich glaube das lezte. Süßer Ernst freust du dich auch? ach wie wolltest du nicht?

Oft sehe ich uns aber auch schon im Oranienburger Thor hereinfahren – fühle ganz wie mir zu Muthe ist – und wie Dein liebend Auge auf mich und auf unsere süßen Kleinen ruht – und wie unser Händedruck uns alles sagt – und auch gewiß wird die Zeit mir gegenwärtig werden  1805 haben Ehrenfried und Henriette von Willich Schleiermacher in Berlin besucht, Henriette von Willich war mit ihrem ersten Kind Henriette Pauline Marianne schwanger. [Schließen]wie ich mit Ehrenfried in Berlin war klein Jettchen unter meinem Herzen. Du weißt es doch  | 58v wohl gar nicht wie ich eigentlich in Berlin auch in Dir lebte und alle andre Genüsse mir nichts waren gegen den mit Dir zu sein so herzlich so traulich du damals immer warst. Ganz besonders habe ich deine Liebe da gefühlt und meine zu Dir.  Henriette Herz [Schließen] Jette hatte ich ja auch so außerordentlich lieb aber Du wirktest doch ganz anders auf mein Herz. Und ich erinnere mich noch welche Leere ich fühlte da Du fortgereiset warst – und wie ich den ganzen Rükweg an den lieben zärtlichen Vater dachte – Es waren doch herrliche Tage, mein ganzes Wesen war aufgeregt für den Genuß der Gegenwart – des Augenblicks. Hernach bei Schwerins und in Wusterhusen stand ich aber dafür gut aus – es überfiel mich eine solche Dumpfheit, dazu war ich körperlich unwohl, ich war unerträglich still und mürrisch. –

Sage mir doch ja süßes Väterchen wie es mit Deiner  lies: Gesundheit steht, [Schließen]Gesundheit, steht ich bin so ungenügsam daß mir nichts von leidlich genug ist – ganz unverbesserlich gut soll sie sein.

 Vgl. Brief 3106. [Schließen]Meine Nahmen weiß ich nun gewiß, es sind Sophie Charlotte.  Vgl. Brief 3125. [Schließen] So gerne ich dir den Gefallen thun wollte 22 Jahre zu sein so bin ich doch nur 21. Laß mir doch ja das jung sein, es ist  | 59 mein einziger Trost für meine Unwißenheit

Lieber Ernst lass dich erbitten und schicke mir in deinem nächsten Briefe ein paar Worte für  Willich [Schließen] Tante wo Du es nicht wircklich ungern thust weil Du sie so wenig kennest – dann kannst du es auch immer ganz laßen.   Vergißt Du auch nicht die  wohl Amalie Hahne [Schließen] Hane ihr Buch?   Einen Sopha in der Eßstube möchtest du nicht kaufen sagt Jette.

Werde ich noch einen Koffer mit meinen Kleidungstücken auf dem Wagen stellen können auf dem wir fahren? was ich irgend entbehren kann schicke ich mit dem Fuhrman –

Sage doch  Anne (Nanny) Schleiermacher [Schließen] Nanny sie möchte mit dem Fuhrman schicken oder selbst mitbringen 30 Ellen von dem schlesischen Lein das sie dort für mich hat, ich habe mit Louise einen Tausch gemacht sie hat sehr feines diesen Winter gesponnen

Am Dienstag kommen die Sargardschen auf einige Tage, ich freue mich zu ihnen –

Und nun gute Nacht mein Geliebter auf das süßeste umarmt – | 59v

Montag Morgen

Liebe Nanny muß mir kaufen eine niedliche wohlfeile Tuchnadel (ich wollte sie an Mariane schenken) und wenn es angeht im nächsten Briefe schicken. Du machst wohl wieder die Auslage.

Den 14ten reise ich nach Stralsund um selbst den Fuhrman zu sprechen und ihm die Sachen zu überliefern. Ich habe jezt alle Hände voll zu thun, und es wird so wenig gefördert –

 Henriette Herz [Schließen] Jette soll noch ganz unwohl sein, ich fürchte du wirst sie blaß und mager finden – ach Ernst in Götemitz ist es auch nicht auszuhalten. Jette hat es dort zu schwer. Freilich mußt Du auch etwas da wohnen um Jette und  Charlotte von Kathen [Schließen] Lotte recht zu genießen. Thue nur alles was du kannst um Jette zu uns nach Poseritz zu ziehn. Schlichtkrulls sehen sie wirklich gerne, und in Götemitz werden wir Poseritzer nicht viel verkehren. Ich will wahrhaftig kein einzig maal solch Gesicht von  korr. v. Hg. aus: Kahten Kathen haben, wie er es mir vor dem Jahre machte wenn ich uneingeladen zu euch kam  –

Herzens lieber Mann was werde ich morgen für süße Briefe haben – ich freue mich schon immer darauf – Grüße unsere Nanny

ewig und ganz Deine Jette.

Zitierhinweis

3158: Von Henriette von Willich. Poseritz, Freitag, 17.3. bis Montag, 20.3.1809, ediert von Simon Gerber und Sarah Schmidt. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0006987 (Stand: 26.7.2022)

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